Wie das Wasser im Fisch bleibt - Natriumcarbonat ein (un)erwünschter Zusatzstoff?

10 Jahre Natriumcarbonat-Bestimmung in Fisch am CVUA Karlsruhe

Stella-Maria Foik, Dr. Manfred Möllers, Irene Straub, Dr. Maren Hegmanns

 

Der Tiefkühlfisch steht auf Platz 2 der beliebtesten Fischprodukte in Deutschland. Beim Auftauen und Zubereiten kann es allerdings zum Verlust von Wasser kommen, wodurch der Fisch weniger zart schmeckt und verändert aussieht. Durch die Anwendung von Zusatzstoffen lässt sich das Wasserbindungsvermögen in der Fischmuskulatur erhöhen und der sogenannte Kochverlust verringern. Hierbei wird je nach angewandter Technologie mehr oder weniger Wasser vom Produkt aufgenommen. Vor fast 15 Jahren begannen einige Hersteller zu diesem Zweck Natriumcarbonat als Zusatzstoff zu verwenden, mit dem sich höhere Wassermengen im Fisch binden lassen. Einige Hersteller nutzten diese Wirkung jedoch aus und kennzeichneten das zugesetzte Wasser nicht entsprechend den rechtlichen Vorgaben. Diese gewinnbringende Behandlung führte zu einem Anstieg an Verbrauchertäuschungen, da weniger Fischprodukt in den Packungen enthalten war, als für die Verbraucher/-innen ersichtlich. Da zur Bestimmung von Carbonaten in Fisch vor 10 Jahren keine Methode bekannt war, wurde am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe eine GC-MS-Methode entwickelt und etabliert. Seit 2012 wurden fast 750 Proben auf die Anwendung von Natriumcarbonat in Fischereiprodukten untersucht. Über 15 % der untersuchten Proben wurden aufgrund von unzureichend gekennzeichneten Carbonat- und/oder Wasserzusätzen beanstandet. Besonders häufige beanstandete Fischerzeugnisse waren mit einer Quote von 45 % Pangasiusfilets und Tintenfisch Tuben mit 30 %. Mit den Jahren ist die Anzahl auffälliger Proben von anfangs 30 % auf 12 % zurückgegangen, da die Produkte zunehmend korrekt gekennzeichnet wurden.

Abgebildet ist ein zubereitetes Fischfilet auf einem Teller und einem Brettchen mit verschiedenen Gewürzen

Abb.1: Beispielhafte Darstellung eines Fischfilets (Free Stock photos by Vecteezy)

 

Einsatz von Natriumcarbonat und seine rechtliche Einordnung

Um den Auftauverlust und den Garverlust von Fischerzeugnissen zu verringern und somit die Qualität zu verbessern, ist die Anwendung von Zusatzstoffen wie Phosphaten und Citraten seit langem erlaubt. Doch diese Zusatzstoffe müssen dann auch eindeutig im Zutatenverzeichnis genannt werden.

Vor mehr als 10 Jahren fielen in Deutschland allerlei Pangasiusfilets auf, die sich von den bis dahin bekannten Filets zunächst durch ihre abweichenden sensorischen Eigenschaften unterschieden. Die rohen, auffälligen Pangasien weisen eine glasig-transparente aufgequollene Struktur auf (siehe Abbildung 1; rechts oben), bei gegarten, auffälligen Pangasien ist die Oberfläche dagegen stumpf, trübe-strukturlos (siehe Abbildung 1; links oben).

 

Zu sehen ist eine Gegenüberstellung von auffälligen zu unauffälligen Pangasienfilets. Auf der linken Bildseite sind gegarte Pangasienfilets auf Tellern angerichtet und auf der rechten sind Pangasienfilets im rohen Zustand auf Tellern präpariert. Die auffälligen Proben, die oben dar-gestellt sind, weisen eine untypische aufgequollene, strukturlose Oberfläche auf. Die unten abgebildeten Proben weisen eine typische Fischstruktur auf.

Abb.2: Gegenüberstellung auffälliger zu unauffälligen Pangasien-Proben. Links im gegarten Zustand, Rechts im rohen Zustand.

 

Die gegarten Erzeugnisse zeigen bei der Verkostung eine wenig ansprechend, sehr weiche, geleeartige Konsistenz, wodurch sie sich sensorisch erheblich von üblichen Fischfilets unterscheiden.

Auch chemisch fielen die Produkte negativ auf, da sich ein deutlich erhöhter pH-Wert, ein erhöhter Wassergehalt und ein verminderter Eiweißgehalt gegenüber unbehandeltem Fischfleisch nachweisen ließ. Dadurch wurde das Wasser-Eiweiß-Verhältnis in auffälligen Proben sichtlich erhöht. Als Ursache hierfür wurde damals relativ schnell die Verwendung von Natriumcarbonat vermutet. Natriumcarbonat ist wesentlich alkalischer als die bekannten Phosphate und Citrate. Der pH-Wert der Fischmuskulatur, der normalerweise bei Pangasius um 6,7 also unter 7 liegt, lässt sich damit weiter ins Alkalische bis über einen pH-Wert von mehr als 8,5 verschieben. Zusätzlich ist die Menge des aufgenommenen Wassers erheblich größer, als bei den bis dahin üblichen Zusatzstoffen. Dies führt zu den oben beschriebenen geschmacklichen und äußerlichen Abweichungen.

 

Der Einsatz von wasserbindenden Zusatzstoffen wie Natriumcarbonat ist innerhalb der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 1333/2008 geregelt. Nach Anhang II Teil E dieser Verordnung ist der Einsatz von Natriumcarbonat sowie anderen Carbonaten (Kalium-, Magnesium-, Calcium-, Ammoniumcarbonat) in nicht verarbeiteten Fischprodukten nicht zulässig. Für Fischerzeugnisse ist die Verwendung von Carbonaten zulässig. Gesetzlich vorgeschriebene Höchstmengen für verarbeitete Erzeugnisse bestehen nicht. Der Zusatz von Natriumcarbonat muss bei Fischerzeugnissen entsprechend den Vorgaben der Verordnung der Europäischen Union Nr. 1169/2011 im Zutatenverzeichnis gekennzeichnet sein.

 

Der nicht gekennzeichnete Zusatz von Natriumcarbonat ist als Verbrauchertäuschung anzusehen, weil das jeweilige Fischprodukt durch die Wasseraufnahme weniger von dem eigentlich zu erwartenden Produkt enthält, als die Verbraucher/-innen laut der Bezeichnung annehmen können. Je nach zugesetzter Wassermenge kann sich auch der sensorische Eindruck des Produktes im Sinne eines Qualitätsmangels erheblich verschlechtern.

 

Etablierung einer neuen Nachweismethode für Carbonate in Fischerzeugnissen

Bis 2012 stand keine Nachweismethode für die Bestimmung von Natriumcarbonat in Fischerzeugnissen zur Verfügung. Nach Einschätzung des CVUA Karlsruhe steigerte dies die Verwendung von Natriumcarbonat bei einigen Produzenten, da sie annahmen, dass die gewinnbringende Behandlung seitens der Lebensmittelüberwachung nicht verfolgt werden konnte.

Beschreibung der Messmethode

Am CVUA Karlsruhe wurde 2012 für die quantitative Bestimmung von Carbonaten eine Headspace-GC-MS-Methode etabliert (Möllers, et al., 2014). Die homogenisierten Fischproben werden dabei zunächst mit Wasser versetzt und mit Citronensäure angesäuert. Die Säurezugabe führt dazu, dass das Kohlendioxid aus den gelösten Carbonaten (Carbonat-Ion und Hydrogencarbonat-Ion) freigesetzt wird. Die Quantifizierung erfolgt mittels Headspace-GC-MS mit Sauerstoff aus der Luft als internem Standard. Der Gehalt an Carbonaten wird als Natriumcarbonat berechnet, das zugehörige Natrium mittels AAS (Atomabsorbtionsspektrometrie) bestimmt. Mittlerweile wenden auch andere amtliche Untersuchungseinrichtungen dieses Verfahren an.

 

Zu Beginn wurden fast ausschließlich Pangasiusfilets untersucht. Proben mit auffälligen Carbonat-Befunden zeigten regelmäßig auch ein erhöhtes Wasser-Eiweiß-Verhältnis, anhand dessen sich dann teilweise erhebliche Mengen Wasser nachweisen ließen, die das Fischfleisch aufgenommen hatte. Der Wassereintrag in das Fischfleisch erfolgt durch die Anwendung von Zusatzstoffen und ist von der seit langem üblichen Praxis des Glasierens von Lebensmittel zu unterscheiden. Später wurden die Untersuchungen auf andere Fischarten und auch auf Krebs- und Weichtiere ausgedehnt.

Glasieren von Lebensmitteln

Um die Qualität von gefrorenem Fisch, Krebs- und Weichtiererzeugnissen bis zu den Endverbrauchern/-innen zu sichern, werden die Produkte unmittelbar nach dem Einfrieren mit einer dünnen Eisschicht überzogen, um ein Austrocknen, den sogenannten Gefrierbrand, zu verhindern. Auf den Verpackungen ist diese Behandlung dann jedoch durch eine Kenntlichmachung mit „glasiert“ oder „mit Wassereisglasur überzogen“ in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung anzugeben. Gleichzeitig ist als Füllmenge ein Abtropfgewicht anzubringen, das die Verbraucher/-innen über das Gewicht des aufgetauten und abgetropften Produktes informiert.

 

Ergebnisse der Untersuchungen von Fischereizeugnissen am CVUA Karlsruhe

Insgesamt wurden in den vergangenen 10 Jahren am CVUA Karlsruhe 743 Proben roher Fischereierzeugnisse mit der oben beschriebenen Methode auf eine Behandlung mit Natriumcarbonat untersucht. Insgesamt wurden 118 Proben (16 %) wegen der nicht korrekt gekennzeichneten Anwendung von Natriumcarbonat meist mit zusätzlich aufgenommenem Wasser beanstandet. Die häufigsten Auffälligkeiten waren bei den tiefgefrorenen Pangasiusfilets und Tintenfisch Tuben unterschiedlicher Kalmar-Arten festzustellen.

Zwischen 2012 und 2022 waren von insgesamt 150 untersuchten Pangasien 67 Proben zu beanstanden (45 %). Dabei wurde 2017 mit 845 mg/100 g der höchste am CVUA Karlsruhe bestimmte Gehalt in einer Pangasiusprobe gefunden.

Der Tintenfisch (Kalmar) ist ein eher weniger nachgefragtes Lebensmittel in Deutschland. Die Tuben der Tintenfische werden hierzulande als Ganzes oder zu Ringen geschnitten im Handel angeboten. Seit 2014 wurden am CVUA Karlsruhe 103 Proben untersucht, 31 davon wurden wegen der Anwendung von Natriumcarbonat beanstandet (30 %). Der Höchstwert stammt aus dem Jahr 2017 und betrug 988 mg/100 g. Eine Übersicht mit weiteren untersuchten Fischen und Fischereierzeugnissen ist in Tabelle 1 dargestellt.

 

Tabelle 1: Übersicht Carbonatzusatz in Fisch und Fischerzeugnissen von 2012 bis 2021

 

Tierart

 

Probenanzahl   

Davon wegen

Carbonat-Zusatz

beanstandete Proben  

Beanstandungs

quote

(%)

Alaska Seelachs 112 3 2,7
Garnelen 69 5 7,2
Kammmuschel 9 3 33,3
Pangasius 150 67 44,7
Seeteufel 27 3 11,1
Tintenfisch (Kalmare) 111 31 27,9
sonstige 265 6 2,3

 

In Abbildung 3 ist das Probenaufkommen und der Anteil der jeweils wegen Carbonat beanstandeten Proben für die Pangasien und die Kalmare für die Jahre bis 2021 aufgetragen.

Abgebildet ist ein Säulendiagramm. Es ist ersichtlich, dass die Beanstandungsquote mit den Jahren sowohl bei Pangasien wie auch Kalamare abgenommen hat.

Abb.3: Graphen mit der Gesamtprobenanzahl des jeweiligen Jahres und der Probenanzahl der vom CVUA Karlsruhe beanstandeten Proben. Pangasien (links) und Kalamare (rechts)

 

Zu Beginn des Zeitraums wurde Natriumcarbonat von vielen Herstellern noch ohne Deklaration verwendet. Daher wurden in diesem Zeitraum einerseits relativ viele Proben angefordert und andererseits wurden von den zuständigen Behörden und Staatsanwaltschaften auch zahlreiche Verfolgs- und Verdachtsproben erhoben. In den Folgejahren wurden dann weniger Proben untersucht. Hier zeigte sich, dass manche Unternehmen nach den Beanstandungen auf den Handel bzw. den Verkauf mit solchen mit Natriumcarbonat behandelten Produkten verzichten. Einige Hersteller reagierten mit einer geänderten Bezeichnung und Kennzeichnung der unveränderten Produkte, so dass die Verbraucher/-innen die Behandlung mit Natriumcarbonat und die Wasseraufnahme bei diesen korrekt gegenzeichneten Produkten erkennen können.

 

Gerichtsverfahren zur Verbrauchertäuschung

Im Nachgang zu den Gutachten des CVUA Karlsruhe und anderer Untersuchungsämter kam es 2016 und 2019 zu zwei Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht und dem Landgericht Stuttgart.

Im Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart vom Februar 2019 wurde dem Lebensmittelunternehmen vorgeworfen zwischen 2013 und 2015 als „Pangasius-Filet“ gekennzeichnete Produkte in den Verkauf gebracht zu haben, deren Wassergehalt mit Hilfe von Zusatzstoffen um 24 bis 43,7 % erhöht wurde. Die Verbraucher/-innen wurden entsprechend ihrer Erwartung Fischfilets zu erhalten irregeführt, da es sich beim erworbenen Produkt um ein verarbeitetes Erzeugnis aus Pangasius-Filet handelte. Lebensmittelrechtlich ist es verboten, irreführend bezeichnete Lebensmittel in den Verkehr zu bringen. Der Importeur wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, da er wissentlich qualitativ minderwertige Produkte in erheblichem Umfang in den Verkehr gebracht hatte.

In einem weiteren Fall wurde im Jahre 2016 ein Importeur vom Amtsgericht Stuttgart zu einer Geld- und Bewährungsstrafe verurteilt. Auch hier wurden mit Carbonaten und zugesetztem Wasser behandelte Erzeugnisse mit einer falschen Kennzeichnung in den Verkehr gebracht.

Bemerkenswert war in beiden Fällen, dass zusätzlich zu den verhängten Strafen auch eine Einziehung der erzielten Taterträge von mehreren hunderttausend Euro (2016) und 1,3 Millionen Euro (2019) angeordnet wurde, also von Summen, die die verhängten Geldstrafen deutlich überschreiten.

 

Fazit

Viele Hersteller nutzten die gewinnbringende Behandlung von Fischereierzeugnissen mit Natriumcarbonat insbesondere bei den Arten Pangasien und Tintenfisch aus, um mehr Produkt zu verkaufen als tatsächlich in der Packung enthalten war. Nach der Etablierung einer Nachweismethode für Carbonate und dem Eingreifen der Lebensmittelüberwachung sind die hohen Beanstandungsquoten aus den Jahren 2012 bis 2015 von teilweise 30 %, ab dem Jahr 2016 in Baden-Württemberg kontinuierlich gesunken. Ein Großteil der Proben wurde überwiegend im Zuge einer Verbrauchertäuschung beanstandet, die aus dem nicht gekennzeichneten Zusatz von Natriumcarbonat und Wasser resultierte. Im Kalenderjahr 2021 sank die Beanstandungsquote auf ca. 12 %.

Da Natriumcarbonat in Fischereierzeugnissen jedoch weiter eingesetzt und nachgewiesen wird, ist es erforderlich, solche Produkte auch in Zukunft routinemäßig zu überwachen, um Verbrauchertäuschungen rechtzeitig aufzudecken.

 

Literatur

  • Bayer, J. et al., 2015. Fisch - 7 Dinge, auf die Sie achten sollten!. 16 06.
  • Bund, 2022. Leitsätze für Fisch und Fischerzeugnisse vom 14. Januar 2021.
  • CVUA Karlsruhe, 2013. Bericht Schwerpunkt und Innovation 2012 - Pangasius: Der beliebte Speisefisch – nicht selten mit viel zugesetztem Wasser, Karlsruhe: CVUA Karlsruhe.
  • CVUA Karlsruhe, 2017. Bericht Schwerpunkte Innovation Management 2016 - Tintenfischtuben – fast immer mit Natriumcarbonat (Soda) behandelt und mit viel zugesetztem Wasser, Karlsruhe: CVUA Karlsruhe.
  • Fischinformationszentrum (FIZ) e.V., 2022. Die beliebtesten Fischprodukte (Stand 2020).
  • Möllers, M. et al., 2016. Nachweis einer Carbonat-Behandlung und eines Wasserzusatzes bei Pangasiusfilets, Karlsruhe: CVUA Karlsruhe.
  • Möllers, M., Ilse, M. & Schöberl, K., 2014. Nachweis einer Carbonat-Behandlung in Pangasiusfilets. Lebensmittelchemie, 68, pp. 59-62.
  • Möllers, M. & Müller-Hohe, E., 2017. Wasserzsuatz bei Fischfilets - ein Dauerthema.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 11.01.2023