Natürliche Süße oder Verfälschungen mit Fremdzucker?

Dr. Eva Annweiler, Vanessa Schilling, Marc Ohmenhäuser (CVUA Freiburg), Ursula Blum-Rieck (CVUA Stuttgart), Birgitt Salzmann (CVUA Sigmaringen)

 

Zucker ist aus vielen Lebensmitteln nicht wegzudenken. Doch sein ungesundes Image lässt Verbraucherinnen und Verbraucher zu Alternativen greifen. Honig als natürliches Lebensmittel hat dabei traditionell einen hohen Stellenwert. Auch Kokosblütenzucker als neuer Trendzucker ist ein Naturprodukt mit langer Tradition.

 

Collage: Honig (www.pexels.com), Kokosblütenzucker, Orangensaft (www.pexels.com)

 

Doch viele natürliche Zuckeralternativen und süß schmeckende Lebensmittel sind deutlich teurer als herkömmlicher, raffinierter Haushaltzucker. Der große Preisunterschied zwischen hochwertigen, süßen Lebensmitteln und billigen Zuckeralternativen schafft einen wirtschaftlichen Anreiz für Lebensmittelverfälschungen oder Lebensmittelbetrug (Food Fraud).

 

Insbesondere, wenn die Nachfrage bei gleichzeitig eingeschränkter Verfügbarkeit hoch ist, kann durch die Streckung mit Fremdzuckern, die günstig aus anderen Quellen wie z. B. Zuckerrohr oder Mais gewonnen werden, die Angebotsmenge und die Gewinnmöglichkeiten für ein Erzeugnis erhöht werden. Die Zugabe von Fremdzuckern kann auch der Vortäuschung einer höheren Qualität dienen, da Zucker als Geschmacksverstärker wirkt.

 

So werden Honig wie auch Fruchtsäfte unter den Top 10 der am häufigsten gefälschten Lebensmittel geführt [1].

 

Food Fraud

Die gezielte Verfälschung von Lebensmitteln durch die unzulässige Zugabe von zusätzlichem Zucker fällt unter den Begriff Food Fraud. Darunter versteht man „das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit dem Ziel, durch vorsätzliche Täuschung einen finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Erreicht wird dies zum einen durch unerlaubte Zusätze, die zu einer Änderung der Zusammensetzung des Lebensmittels führen oder durch bewusste Falschdeklaration, d. h. die absichtliche Verwendung falscher oder das Weglassen von Angaben auf dem Etikett“ [2].

Untersuchungsprogramm Fremdzucker

In einem speziellen Untersuchungsprogramm hat das CVUA Freiburg im Jahr 2021 gezielt Honige, Orangensäfte und Kokosblütenzucker auf unzulässige Fremdzucker untersucht, die dem Produkt zusätzlich zu den natürlich vorhandenen Zuckern zugegeben wurden. Zum Einsatz kam dabei die sogenannte Stabilisotopenmassenspektromerie (s. unten).

Welche rechtliche Grundlagen sind zu beachten?

Rechtliche Regelungen zu Verfälschungen und Falschdeklarationen von Lebensmitteln allgemein finden sich insbesondere in der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), die für alle vorverpackten Lebensmittel gilt. Danach dürfen Informationen über Lebensmittel, „insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;“ nicht irreführend sein [3].

 

Kokosblütenzucker wird aus dem Blütennektar der Kokospalme, üblicherweise in kleinbäuerlichen Betrieben in Handarbeit, gewonnen. Für Kokosblütenzucker existiert keine spezielle Produktverordnung. Es gelten die allgemeinen Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung. Wird das Produkt als „Kokosblütenzucker“ bezeichnet und im Zutatenverzeichnis Kokosblütenzucker als einzige Zutat aufgeführt, so wird erwartet, dass es sich um reinen Kokosblütenzucker ohne weitere Zusätze handelt. Werden in solch einem Erzeugnis alternative Zucker nachgewiesen, so ist es geeignet, Verbraucherinnen und Verbraucher über die tatsächliche Beschaffenheit des Produkts zu täuschen. Dies gilt ebenso für Honige oder Fruchtsäfte, denen Fremdzucker zugefügt wurden.

 

Hier regeln zudem spezielle Produktverordnungen besondere Anforderungen an die Authentizität der Erzeugnisse. So schreibt die Honigverordnung [4] vor, dass einem Honig keine anderen Stoffe als Honig zugefügt werden dürfen. Einem Fruchtsaft, d.h. im konkreten Fall z. B. einem Apfelsaft oder Orangensaft, darf gemäß der Fruchtsaft-, Erfrischungsgetränke-und Teeverordnung [5], kein Zucker oder Wasser zugesetzt werden. Dadurch werden die Fruchtsäfte gegenüber Erzeugnissen wie Fruchtsaftgetränken und Fruchtnektaren abgegrenzt, bei denen die Zugabe von Zucker oder Wasser zulässig ist.

Die Nachweismethode: Stabilisotopenmassenspektrometrie

Da die zugefügten Zucker in der Regel bereits als natürliche Bestandteile in den untersuchten Lebensmitteln enthalten sind, ist die Zugabe von Fremdzucker aufgrund der Variationen des natürlichen Zuckergehalts und Zuckerprofils nicht einfach nachzuweisen.

 

Im Rahmen der hier beschriebenen Untersuchungskampagne wurde die Stabilisotopenmassenspektrometrie eingesetzt.

Stabilisotopenmethode

Für die Prüfung auf unzulässige Zuckerung wurde das Stabilisotopenverhältnis des Kohlenstoffs (δ13C) herangezogen, das mittels Stabilisotopenmassenspektrometrie (IRMS) bestimmt wird. Die Fixierung von Kohlendioxid in der Biomasse kann über drei unterschiedliche Photosynthesewege erfolgen, nach denen die Pflanzen in C3-, C4- und CAM-Pflanzen eingeordnet werden. Die unterschiedlichen Photosynthesereaktionen resultieren in charakteristischen δ13C-Werten, die im Labor präzise bestimmt werden können (siehe Tabelle 1). Rohrzucker und Mais, die mengenbezogen bedeutendsten und preisgünstigsten Zuckerquellen, nutzen als C4-Pflanzen einen anderen Photosyntheseweg als die meisten Kulturpflanzen (C3-Pflanzen), so dass diese Zucker anhand ihres δ13C-Werts unterschieden werden können.

Tabelle 1: Übliche Bereiche für δ13C-Werte von Honig sowie von Produkten aus C3- bzw. C4-Pflanzen.
[6, 7, 8, 9, 10]

  Honig Orangensaft
(Zuckerfraktion)
(C3)
Kokosblüten-
zucker
(C3)
Rohrzucker,
Maissirup
(C4)
δ13C [‰] -28 bis -23 -27 bis -24 -26,4 bis -24,8 -14 bis -9

 

Die Zugabe von C4-Zucker zu Lebensmitteln wie Honig, Orangensaft oder Kokosblütenzucker erhöht, abhängig von der zugegebenen Menge, den δ13C-Wert des untersuchten Lebensmittels.

 

Um den Einfluss der natürlichen Schwankungen des δ13C-Werts auf den Nachweis einer möglichen Verfälschung mit C4-Zucker zu verringern, werden zur Beurteilung interne Referenzen herangezogen. Dabei wird eine natürliche Komponente, die durch eine Zuckerzugabe nicht verfälscht wird, als interne Referenz verwendet. Wird eine Abweichung nur für den Zucker, nicht aber für die Referenz beobachtet, kann auf eine Verfälschung geschlossen werden.

 

Für Honig und Fruchtsaft existieren hierzu internationale Standardmethoden und Beurteilungskriterien. Bei Honig wird die Proteinfraktion, bei Fruchtsäften werden die Säuren oder die Pulpe als interne Referenz herangezogen [7, 8]. In eigenen Untersuchungen von Kokosblütenzucker diente, entsprechend der Pulpe von Fruchtsäften, der in Wasser und Aceton unlösliche Rückstand als interne Referenz.

Die Ergebnisse im Einzelnen

HonigHonig

Insgesamt wurden 76 Honigproben untersucht. Zwanzig Proben wurden im Rahmen der OPSON X – Operation überprüft, bei der u.a. die Zugabe von Fremdzucker zu Honig im Fokus stand [11]. Dabei wurde bei zwei aus Russland importierten Blütenhonigen die Zugabe von erheblichen Mengen an C4-Zucker nachgewiesen. 

Für alle weiteren in 2021 untersuchten Honige waren die Ergebnisse der Stabilisotopenanalyse unauffällig.

Orangensaft (stevepb, www.pixabay.de)Orangensaft

Acht Orangendirektsäfte hat das CVUA Freiburg auf Verfälschungen mit C4-Zuckern untersucht. Erfreulicherweise waren sämtliche untersuchten Proben hinsichtlich des Untersuchungsziels der unzulässigen Zugabe von C4-Zuckern als unauffällig zu bewerten.

 

KokosblütenzuckerKokosblütenzucker

Insgesamt 14 Kokosblütenzucker, bei denen es sich ausschließlich um Bio-Produkte mit der überwiegenden Herkunft Indonesien handelte, wurden mit der beschriebenen Methode untersucht. Dabei wurde in einer Probe ein erheblicher Anteil an C4-Zucker nachgewiesen.

 

 

Anzahl der mittels Stabilisotopenmassenspektrometrie untersuchten Proben 2021

Anzahl der mittels Stabilisotopenmassenspektrometrie untersuchten Proben 2021

Fazit

Die Naturbelassenheit von Lebensmitteln spielt für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine große Rolle. Die hier beschriebenen Produkte sind typische Beispiele für hochwertige, naturbelassene Lebensmittel, für die wiederholt über eine Verfälschung beziehungsweise Streckung mit Fremdzucker, d. h. eine unzulässige Zugabe von produktfremdem Zucker zu den bereits natürlich im Lebensmittel enthaltenen Zuckern, berichtet wurde.

 

Bei den im Jahr 2021 untersuchten Honigen, Orangensäften und Kokosblütenzuckern wurde nur bei zwei Honigen und einem Kokosblütenzucker die Zugabe erheblicher Mengen C4-Zucker nachgewiesen. Die unzulässige Zuckerzugabe oder unvollständige Angaben zur Zusammensetzung eines Produkts sind irreführend und wettbewerbsverzerrend. In diesem Jahr werden die Überprüfungen auf Fremdzucker fortgesetzt.

 

 

Weitere Informationen

Untersuchungsämter BW: Untersuchungen auf Herkunft und Echtheit

 

Literatur

[1] BERICHT, 04.12.2013, PE 519.759v03-00, A7-0434/2013 über die Nahrungsmittelkrise, Betrug in der Nahrungskette und die entsprechende Kontrolle (2013/2091(INI)) https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-7-2013-0434_DE.html?redirect#_part2_

[2] https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-lebensmittelbetrug-und-authentizitaetspruefung.pdf, download 02.03.2022, FAQ des BfR vom 22. Februar 2016

[3] Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) - Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel

[4] Honigverordnung (HonigV) vom 16.Januar 2004 (BGBl. I S. 92)

[5] Verordnung über Fruchtsaft, Fruchtnektar, koffeinhaltige Erfrischungsgetränke und Kräuter- und Früchtetee für Säuglinge oder Kleinkinder (Fruchtsaft-, Erfrischungsgetränke- und Teeverordnung) vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1016), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 18. Mai 2020 (BGBl. I S. 1075)

[6] Peck WH und Tubman SC. 2010. Changing Carbon Isotope Ratio of atmospheric carbon dioxide: Implications for food authentication. J. Agric. Food Chem. 58, 2364-2367.

[7] White & Winters. 1989. Honey Protein as Internal Standard for Stable Carbon Isotope Ratio Detection of adulteration of Honey. 72, 907-911.

[8] AIJN - European Fruit Juice Association/Code of Practice. 6.1 Reference Guideline Orange - Revision September 2019.

[9] Rogers et al. 2021. Authentication of Indonesian Coconut Sugar using Stable Carbon isotopes. Food Analytical Methods. https: //doi.org/10.1007/s12161-021-01967-9.

[10] AOAC method 998.12: C-4 plant sugars in honey, in: P. Cunniff (ed), Official Methods of Analysis of AOAC International, 16th AOAC International, Gaithersburg. MD, USA, 1999. Vol. 2, 27-30.

[11] OPSON X (2020/2021) – Verfälschungen bei Honig europaweit im Fokus, Fleischerzeugnisse als zusätzliches nationales Untersuchungsziel https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/16_Food_Fraud/06_OPSON_Operationen/OPSON-X/OPSON_Operationen_node.html

 

 

Bildnachweis

www.pexels.com ( Honig, Orangensaft)

www.pixabay.de (Orangensaft)

CVUA Freiburg (Honigglas, Kokosblütenzucker)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 28.04.2022