Gesundheitsversprechen für Nahrungsergänzungsmittel auf Instagram – häufig abseits der Legalität

Eine Analyse bzgl. der Einhaltung der VO (EG) Nr. 1924/2006

Matthieu Schätzle, Dr. Christiane Lerch

 

Es ist Allgemeinwissen, dass bestimmte Nährstoffe wichtige Funktionen im menschlichen Körper erfüllen. Beispielsweise ist für Calcium bekannt, dass eine ausreichende Versorgung mit diesem Mineralstoff für die Knochengesundheit wichtig ist. Auf Lebensmittelverpackungen, insbesondere bei Nahrungsergänzungsmitteln, wird damit auch verkaufsfördernd geworben. Für „gesundheitsbezogene Werbung“ bei Lebensmitteln gibt es in der EU klare Regeln, die in der VO (EG) Nr. 1924/2006, der Health-Claims-Verordnung (HCV), festgelegt sind. Sätze wie "Calcium wird für die Erhaltung gesunder Knochen benötigt" sind zulässig – übertriebene Wirkungsversprechen wie z. B. „Calcium sorgt für bruchfeste Knochen“ jedoch nicht.

 

Archivbild: Icons auf einem Display; Foto: LoboStudioHamburg/Pixabay, CC0 Public Domain.

Archivbild: Icons auf einem Display. Foto: LoboStudioHamburg/Pixabay, CC0 Public Domain.

 

Die Vorgaben der HCV sind zu befolgen, unabhängig davon, ob die Produkte vom herstellenden Betrieb selbst vermarktet werden oder ob z. B. kommerziell agierende Influencer/-innen zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens und dessen Produkte mit der Werbung beauftragt werden. Für das Einhalten dieser Regeln auf den Social-Media-Kanälen gibt es allerdings nur wenig Daten, weshalb das CVUA Stuttgart eine größere Stichprobe auf der Plattform Instagram durchgeführt hat. Dabei wurde die Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln betrachtet, wobei der Schwerpunkt auf baden-württembergischen Betrieben aus den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen sowie auf ausgewählten Influencer/-innen lag.

 

Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass die Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln auf Instagram für die Betriebe von Bedeutung ist – möglichweise sogar wichtiger als entsprechende Angaben im eigenen Onlineshop! Wir sehen die Ergebnisse der Stichprobe als Signal für die Amtliche Lebensmittelüberwachung, auch gesundheitsbezogene Werbung auf Instagram bei der Beurteilung von Proben verstärkt zu berücksichtigen.

 

Instagram – mehr als nur Social-Media

Die Plattform Instagram hatte in den letzten Jahren mit das höchste Nutzerwachstum im Social-Media-Bereich. Allein in Deutschland nutzten 2021 etwa 28 Millionen Menschen und somit etwa jede/-r Dritte diese Plattform [1]. Die hohe Nutzerzahl, aber auch Umfrageergebnisse, wonach mehr als die Hälfte der Befragten bereits ein Produkt gekauft haben, nachdem sie es auf Instagram entdeckt hatten [1], zeigt das große Marketingpotential der Plattform. Der Trend, auf Instagram absatzfördernd zu werben, macht auch vor Lebensmitteln, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, nicht Halt. Die großzügige Verwendung gesundheitsbezogener Angaben ist hier Mittel zum Zweck der Umsatzsteigerung.

 

Das rechtliche Fundament

Die gesundheitsbezogene Bewerbung von Lebensmitteln wird in der EU durch die HCV geregelt. Nur die Claims, die eine strenge wissenschaftliche Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestanden haben und von der EU Kommission zugelassen wurden, dürfen verwendet werden. Die Regelungen der HCV gelten dabei „für alle kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die an den Endverbraucher abgegeben werden sollen sowie für deren Bewerbung“. Demnach sind die Vorgaben auch im Internet (in Onlineshops, auf Plattformen wie Amazon, in Social-Media-Kanälen wie Instagram etc.) einzuhalten.

 

Was wurde untersucht?

Um aktuelle Daten zu Unternehmenstätigkeiten bezüglich gesundheitsbezogener Werbeaussagen zu erhalten, wurden die „Posts“ (dauerhafte Bilder oder Videos, oft mit Beschreibungstext, auf dem jeweiligen Instagramprofil) von 38 Lebensmittelunternehmen im Jahr 2021 analysiert. Zusätzlich wurden die „Stories“ (24 h sichtbare Veröffentlichungen, i. d. R. Videos) von 68 Influencer/-innen aus den Themengebieten Fitness, Beauty, Yoga, alternative Medizin und Ernährungsberatung über 2 Wochen untersucht, da häufig Influencer/-innen aufgrund ihrer großen Reichweite mit der Produktwerbung beauftragt werden.

 

Die ersten Ergebnisse

Die 38 Unternehmen veröffentlichten im ausgewählten Zeitraum insgesamt 4951 Posts, in denen 965 gesundheitsbezogene Angaben identifiziert wurden. Insgesamt wurden etwa 39 % der gesundheitsbezogenen Angaben als nicht zulässig eingestuft. Die Regelungen der HCV wurden dabei von den Unternehmen sehr unterschiedlich befolgt. So gab es 4 Unternehmen, die die Vorgaben fast vollständig einhielten (< 10 % unzulässige Angaben) und ebenso 4 Unternehmen, die überwiegend nicht zugelassene Health Claims (> 80 % unzulässige Angaben) nutzten.

 

Offensichtlich ist bei der Einschätzung, ob Werbeangaben auf Instagram glaubhaft sind, eine kritische Herangehensweise und gesunder Menschenverstand gefragt (s. Punkt „Was können die Verbraucher/-innen tun?").

 

Infokasten

Gesundheitsbezogene Bewerbung – wann erlaubt und wann nicht?

Erlaubt sind für Lebensmittel

  • Angaben, die in der VO (EU) Nr. 432/2012 aufgeführt sind,
  • Claims mit dem Status „authorised“ im Unionsregister der Kommission, darunter auch Angaben zur Verringerung bestimmter Krankheitsrisiken und Angaben zur Wirkung auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern,
  • Angaben für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse, über deren Zulassung die EU-Kommission noch nicht entschieden hat (sog. „Claims on hold“ – hier obliegt dem Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Aussagen).
  •  

Nicht erlaubt sind z. B.:

  • Angaben, für die keine Zulassung beantragt wurde,
  • Angaben, die von der EFSA negativ begutachtet wurden und
  • Angaben, die so formuliert sind, dass ihr Sinn über die Bedeutung der zugelassenen Aussage hinausgeht (zum Beispiel ist die Angabe „Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haare bei" zulässig, die Angabe „Biotin schützt vor Haarverlust“ jedoch nicht)

 

Von den als unzulässig betrachteten Angaben dieser Untersuchung waren ca. 75 % nicht zugelassen bzw. waren gar nicht zur Prüfung eingereicht worden. Etwa 20 % der unzulässigen Angaben gingen dem Sinn nach über die Bedeutung der zugelassenen Formulierung hinaus. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 graphisch dargestellt.

 

Abb. 1: Prozentualer Anteil an zulässigen und nicht zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben mit Begründung.

Abb. 1: Prozentualer Anteil an zulässigen und nicht zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben mit Begründung

 

Instagram als Marketingplattform um gezielt unzulässige Werbeaussagen zu verwenden?

Für eine höhere Aussagekraft über Instagram als Werbeplattform wurde jede getätigte gesundheitsbezogene Angabe mit dem Onlineshop des jeweiligen Unternehmens verglichen. Dabei zeigte sich (siehe Tabelle 1), dass die zulässigen Angaben überwiegend auch im Onlineshop auf der jeweiligen Produktseite zu finden waren (84 %). Mit unzulässigen Angaben wurde dagegen deutlich seltener ebenfalls im Onlineshop geworben (29 %). Etwa 4 % der unzulässigen Angaben waren in „abgemilderter“ Weise im Onlineshop zu finden, mehrheitlich (67 %) waren diese dagegen nur auf Instagram nicht jedoch im Onlineshop vorhanden.

 

Tabelle 1: Vergleich der zulässigen und nicht zulässigen Angaben und ihrer Anwesenheit im jeweiligen Onlineshop des Unternehmens
 
Ebenfalls im Onlineshop
Abgemildert im Onlineshop
Nicht im Onlineshop
Zulässige Angaben
84,20 %
0,40 %
15,40 %
Nicht zulässige Angaben
28,70 %
3,80 %
67,40 %

 

Instagram scheint daher eine Plattform zu sein, die besonders anfällig für das Werben mit unzulässigen gesundheitsbezogenen Werbeangaben ist. Von einer bewussten Verwendung ist insgesamt auszugehen. Besonders deutlich wurde dies bei einigen Fällen, bei denen im Onlineshop auf eine „nicht mögliche Bewerbung aufgrund der HCV“ hingewiesen wurde und eine Eigenrecherche über „unzensierte Quellen im Internet" empfohlen wurde. Auf dem entsprechenden Instagramprofil des Unternehmens wurden die Produkte dagegen mit einer Reihe unzulässiger Aussagen beworben.

 

Influencer/-innen der GAU für die Einhaltung der Regeln der HCV

Im Vergleich zu Unternehmensprofilen fanden sich in Stories von Influencer/-innen seltener gesundheitsbezogene Werbeaussagen. Bei insgesamt 565 Stories wurden 44 gesundheitsbezogene Angaben identifiziert, bei denen Influencer/-innen für ein Lebensmittel eines Unternehmens warben. Allerdings wurden von diesen Angaben etwa 90 % als nicht zulässig eingestuft! Influencer/-innen hielten sich somit kaum an die Vorschriften der HCV. Der höchste Anteil an betroffenen Influencer/-innen fand sich dabei im Beauty-Bereich wieder, gefolgt von Fitness Influencer/-innen.

 

Insbesondere aufgrund der teilweise enormen Reichweite der Influencer/-innen stellt der hohe Anteil an unzulässigen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen eine erhebliche Problematik dar, die von der Amtlichen Lebensmittelüberwachung künftig stärker beachtet werden muss. Während die betrachteten Unternehmensprofile hinsichtlich der Zahl der Nutzer/-innen meist nur eine Reichweite im drei- oder geringen vierstelligen Bereich haben, folgen den für das Projekt ausgewählten und mit unzulässigen Angaben aufgefallenen Influencer/-innen in der Spitze bis zu 600.000 Nutzer/-innen. Die Anzahl der Follower/-innen ist dabei ein gutes Maß für die Anzahl der mit der Werbung erreichten Personen.

 

Fazit

Insbesondere das Werben über Influencer/-innen, aber auch die direkte Werbung eines Unternehmens auf dem eigenen Instagramprofil hat sich in unserer Stichprobe als sehr kritisch bezüglich der Einhaltung der HCV herausgestellt. Eine risikoorientiert ausgerichtete Lebensmittelüberwachung sollte daher diese Bereiche der Werbung in Zukunft genauer unter die Lupe nehmen. Diese zusätzliche Recherche und sachverständige Beurteilung der entsprechenden Internetauftritte erfordert jedoch entsprechende Personalressourcen!

 

Was können die Verbraucher/-innen tun?

Für die Verbraucher/-innen ist es oft schwierig, gesundheitsbezogene Informationen richtig einzuordnen. Wie unsere Analyse gezeigt hat, kann die Wahl des Mediums helfen. Da unzulässige Angaben auf Instagram im Vergleich zu Onlineshops deutlich häufiger sind, ist hier besondere Vorsicht geboten. Besonders bei „starken“ Gesundheitsversprechen, wie sie für Nahrungsergänzungsmittel oft getätigt werden, sollte nicht alles für bare Münze genommen werden.

 

Das Wichtigste zum Schluss: Verbraucher/-innen sollten wissen, dass Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel sind und nicht dazu konzipiert, Krankheiten zu heilen oder zu lindern!

 

Zur allgemeinen Information über Nahrungsergänzungsmittel empfehlen wir insbesondere folgende Webseiten:

 

Quellen

[1] Shopify Blog: Instagram Statistik: 9 Insights zur Verbesserung deiner Social-Media-Strategie 2022

 

 

Artikel erstmals erschienen am 25.04.2022