Verbraucherschutz bei Fisch, Krebs- und Weichtieren – stimmt die angegebene Tierart?

Dr. Stephanie Krüger, Dr. Elke Müller-Hohe, Dr. Klaus Pietsch, Kerstin Wahl, Hans-Ulrich Waiblinger, Dr. Christine Wind (CVUA Freiburg), Claudia Andlauer, Dr. Manfred Möllers, Stephanie Pfalzgraf, Anke Rullmann (CVUA Karlsruhe)

 

Collage: Fisch, Krebs, Muscheln

 

Durchschnittlich 14 Kilogramm Seafood und Co. werden jährlich pro Kopf in Deutschland verzehrt. Zwar zählt das küstenferne Baden-Württemberg in dieser Statistik eher zu den Schlusslichtern unter den Bundesländern, aber auch hier werden Fisch, Krebs- und Weichtiere als leckere und gesunde Bereicherung des Speiseplans geschätzt.

 

Seafood wird weltweit gehandelt. In Deutschland werden 89 % der Fischereierzeugnisse (Fisch, Fischerzeugnisse, Krebs- und Weichtiere) aus EU- und Nicht-EU-Ländern importiert. Entsprechend ist eine immer größere Artenvielfalt unterschiedlichster Herkunft in Handel und Gastronomie anzutreffen. Durch die weitverzweigten Handelswege besteht jedoch die Gefahr von Verwechslungen und gezieltem Austausch hochpreisiger Arten durch preisgünstigere Sorten.

 

Vor allem bei bereits zubereiteten Speisen und Erzeugnissen wie Fischfilets, Weichtier- oder Garnelenfleisch ist dabei eine Identifizierung der Tierart aufgrund äußerer Merkmale häufig nicht mehr möglich.

 

Zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung untersuchen daher die Schwerpunktlabore für Fischereierzeugnisse der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Karlsruhe und Freiburg regelmäßig, ob die deklarierte Tierart zutreffend ist.

 

Untersuchungen im Jahr 2021

Die CVUAs Karlsruhe und Freiburg haben im Jahr 2021 insgesamt 230 Proben von Fisch, Fischerzeugnissen, Krebstieren und Weichtieren auf „Echtheit“ (d.h. korrekt deklarierte Tierart) untersucht. Die Proben wurden sowohl bei Herstellern, im Groß- und Einzelhandel als auch in der Gastronomie erhoben.

 

Ergebnisse insgesamt

Echtheitsbestimmung (Spezies) bei Fischereierzeignissen 2021 Bei insgesamt 23 von 230 Proben (entspricht 10 %) war die deklarierte Tierart (Tierart = Spezies) nicht korrekt. Von den Proben mit auffälligem Ergebnis stammten mehr als die Hälfte aus dem Handel (14 von 23 Proben, entspricht 61 %); siehe Diagramm.

 

Im folgenden Diagramm wird die Verteilung der Beanstandungen auf die Warengruppen dargestellt:

 

Diagramm: Verteilung der Beanstandungen auf die Warengruppen

 

Handelsbezeichnungen - Fischetikettierung

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ist gemäß der Fischetikettierungsverordnung für die Erstellung, Pflege und Aktualisierung eines Verzeichnisses der Handelsbezeichnungen für Erzeugnisse der Fischerei und Aquakultur zuständig. Die in diesem Verzeichnis veröffentlichten Bezeichnungen (deutsch und lateinisch) gelten für alle in Deutschland vermarkteten Arten. Die Bezeichnungen gelten auch für Erzeugnisse und zubereitete Speisen.

 

Die korrekte Verwendung dieser Bezeichnungen ist wichtig, weil sich in vielen Fällen hinter vermeintlich ähnlichen Bezeichnungen ganz unterschiedliche Fischarten mit sehr großen Differenzen in Preis und Genusswert verbergen.

 

So ist bei „Scholle Finkenwerder Art“ wirklich „Scholle“ (wissenschaftlich: Pleuronectes platessa) zu verwenden und nicht eine andere mehr oder weniger verwandte Plattfischart (z.B. pazifische Scholle, Lepidopsetta bilineata).

 

Die Bezeichnungen dürfen nur ganz exakt so verwendet werden, wie sie im offiziellen Verzeichnis stehen. Farbangaben wie „rot“, oder „silbern“, Herkunftsangaben wie „pazifisch“ oder „Alaska“ oder Größenangaben wie „groß“ oder „zwerg“ dienen dort zur Unterscheidung unterschiedlicher Arten.

 

Beanstandungen im Einzelnen

Tabelle: Proben mit auffälligem Befund bei der Bestimmung der Tierart
Kennzeichnung

Was liest der Verbraucher?
Untersuchungsergebnis

Was ist es tatsächlich?
Bezeichnung Zugehörige oder deklarierte Tierart Richtige Bezeichnung Analytisch nachgewiesene Tierart N
Ährenfisch „Stint" Atherina boyeri Ährenfisch, Meerschaum Atherina boyeri 1
Mangrove Snapper Micropogonias furnieri Weißmaul-Umberfisch Micropogonias furnieri 1
Schnapper Lutjanus vitta Schnapper, Snapper 5 x Lutjanus vitta,
2 x Lutjanus russellii.
1
Dorade -
Seebrasse
Sparus aurata Dorade Sparus aurata 1
Seezunge
(Speisekarte)
Solea solea Tropenzunge,
Rotzunge
Cynoglossus spp. 3
Roter Tilapia Tilapia sp. Tilapia, Buntbarsch Oreochromis spp. 1
Pazifische Scholle, Scholle Lepidopsetta bilineata Pazifische Scholle Lepidopsetta spp. 1
Rohu Labeo rohita Fischart ohne Handelsbezeichnung Labeo sp. 1
Wittling Merlangius merlangus Blauer Wittling Micromesistius poutassou 1
Blauer Wittling (Speisekarte) Micromesistius poutassou oder Micromesistus australis Wittling Merlangius merlangus 1
Heilbutt Reinhardtius hippoglossoides Schwarzer Heilbutt Reinhardtius hippoglossoides 4
Goldforelle Oncorhynchus aguabonita Regenbogenforelle (Farbform) Oncorhlnchus mykiss 1
Scampi
(Speisekarte)
Nephrops norvegicus,
Metanephrops spp.
Garnele, Shrimp, Black Tiger Shrimp Penaeus monodon 2
Braune Venusmuschel Meretrix lyrata Venusmuschel Meretrix lyrata 1
Pfeilkalmar
Kalmar
(Zutatenliste)
Nototodarus sloani Pfeilkalmar Nototodarus sloani 1
Tintenfisch Todarodes pacificus Pazifischer Kalmar Todarodes pacificus 1
Tintenfisch Illex argentinus Pazifischer Kalmar Todarodes pacificus 1

N = Zahl der aufälligen Proben
Die jeweils nicht zutreffende Information an der Probe ist rot hervorgehoben.

 

Erläuterungen zu den auffälligen Proben des Jahres 2021

Im Berichtsjahr wurden Untersuchungen an unterschiedlichsten Fischereierzeugnissen durchgeführt und die Probenahme erfolgte auf allen Stufen der Lebenmittelkette (Hersteller, Großhandel, Einzelhandel, Gastronomie). Bei den Ergebnissen lassen sich wieder die Beanstandungsschwerpunkte erkennen, die bereits in der Vergangenheit regelmäßig aufgefallen waren.

 

Hier ist als größter Block die falsche Angabe von besonders geschätzten Tierarten in Speisekarten der Gastronomie zu nennen. Beispielsweise wurden bei in der Speisekarte als „Seezunge“ bezeichneten Fischen im Rahmen der Untersuchungen wesentlich preiswertere Fischarten wie Tropenzunge bzw. Rotzunge - „Cynoglossus spp.“ nachgewiesen, anstatt der eigentlichen Seezunge – „Solea solea“. Vergleichbar fand sich unter der Bezeichnung „Scampi“, die eigentlich für die Krebsarten „Nephrops norvegicus“ und „Metanephrops spp.“ festgelegt ist, die preiswertere Garnelenart „Penaeus monodon“ (Garnele, Shrimp, Black Tiger Shrimp). In solchen Fällen ist die Tierart in aller Regel auf den Originalverpackungen oder Lieferpapieren noch korrekt angegeben.

 

Bild: Seezunge (Solea solea), Quelle: Stadt Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung

Bild: Seezunge (Solea solea), Quelle: Stadt Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung

 

Beim Verkauf in Fischtheken wurde regelmäßig auch wieder „geräucherter Heilbutt“ vorgefunden, der statt aus „Heilbutt“ („Hippoglossus hippoglossus“) aus „Schwarzem Heilbutt“ („Reinhardtius hippoglossoides“) hergestellt wurde. Es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Fischarten, wobei der „Schwarze Heilbutt“ wesentlich preiswerter gehandelt wird als der „Heilbutt“. Während hier die deutsche Bezeichnung „Heilbutt“ nicht korrekt war, wurde die erforderliche wissenschaftliche Bezeichnung „Reinhardtius hippoglossoides“ in der Regel zutreffend angegeben.

 

Bisweilen waren auch unterschiedliche Bezeichnungen auf ein und derselben Verpackung angebracht, z.B. „Pazifische Scholle – Scholle“, „Ährenfisch - Stint“ oder „Dorade - Seebrasse“. Hierdurch ergeben sich widersprüchliche Angaben zur Tierart.

 

Eine weitere Fehlermöglichkeit bei der Bezeichnung von Fischarten, die auch in diesem Jahr wieder auftauchte, ist die Erweiterung von gültigen Handelsbezeichnungen durch zusätzliche (Farb-)angaben. Auf besonders gefärbte Zuchtformen wiesen die Angaben „Roter Tilapia“ und „Goldforelle“ hin. Bei „Roter Tilapia“ ist nur eine der zulässigen Bezeichnungen „Buntbarsch“ oder „Tilapia“ zu verwenden.

 

Goldfarbene Regenbogenforellen dürfen nicht als „Goldforelle“ bezeichnet werden. Diese Bezeichnung darf nur für die in bestimmten Flüssen in Kalifornien vorkommende Tierart Oncorhynchus aguabonita verwendet werden.

 

Auffälligkeiten bei der Kennzeichnung von Weichtieren

Tuben (Körper) von Pazifischem Kalmar (Todarodes pacificus)

Bild: Tuben (Körper) von Pazifischem Kalmar (Todarodes pacificus)

Eine Besonderheit fiel im Berichtsjahr erstmals bei den Bezeichnungen von Weichtieren, speziell bei den Tintenfischen auf. Tintenfische sind eine zoologische Unterklasse der Weichtiere, die unter anderem die bekannten Ordnungen: Sepien (Sepiida), Kalmare (Teuthida) und Kraken (Octopoda) enthält.

 

In der Liste der Handelsbezeichnungen dürfen zahlreiche Arten mit der Bezeichnung „Tintenfisch“ versehen werden. Ebenso dürfen zahlreiche Vertreter aus der Ordnung der Kalmare als „Kalmar“ benannt werden. Für einige Arten ist in der Liste der Handelsbezeichnungen jedoch keine dieser beiden Möglichkeiten angegeben, sondern es ist nur eine einzige Bezeichnung zulässig.

 

Im Allgemeinen handelt es sich bei den Proben ausschließlich um die Tuben dieser Weichtiere, also um küchenfertig ausgenomme Körper ohne Kopf, Tentakel und Haut.

 

Kalmar (Ilex argentinus)

Bild: Kalmar (Ilex argentinus)

Bei einer Probe, die als Tintenfisch und mit der Artbezeichnung Illex argentinus sowie dem Fanggebiet Südwestatlantik gekennzeichnet war, wurde jedoch stattdessen die Art Todarodes pacificus festgestellt, die als Pazifischer Kalmar zu bezeichnen ist und die nicht im Atlantik vorkommt. Hier war dann auch das zur falschen Tierart passende (falsche) Fanggebiet deklariert.


 

Zu guter Letzt wurde 2021 erstmals mit Rohu eine Fischart als Probe vorgelegt, für die keine gültige Handelsbezeichnung durch die BLE festgelegt wurde. Diese Fischart kann somit nicht mit den erforderlichen Angaben zur Fischetikettierung angeboten werden.

 

Bestimmung der Spezies bei Fischen, Krebstieren und Co

Die Arten werden bei Fisch, Krebs- und Weichtieren v.a. mit molekularbiologischen Methoden und DNA-Sequenzierung bestimmt. Dazu wird aus den Proben zunächst die DNA extrahiert. Aus der DNA werden dann Abschnitte mitochondrialer Gene oder von 16S rRNA-Genen mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) vervielfältigt und diese anschließend sequenziert. Die erhaltenen Sequenzen werden mit Sequenz-Datenbanken verglichen und bewertet.

Als weitere Analysemethode hat sich die MALDI-TOF-Massenspektrometrie bewährt. Mit dieser Technik werden Proteinmuster gemessen, die spezifisch für die einzelnen Arten sind - vergleichbar mit einem Fingerabdruck. Die Proteinmuster der Proben werden mit einer eigens erstellten Datenbank, in der Referenzmuster zahlreicher Fisch, Krebs- und Weichtierarten hinterlegt sind, verglichen. Weitere Informationen rund um unsere Aktivitäten zum Thema MALDI-TOF finden sich unter MALDI-UP.

 

Weitere Informationen

CVUAs BW: Fische und Krebstiere auf der Speisekarte - Erhält der Gast, was ihm versprochen wurde?

Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Verzeichnis der Handelsbezeichnungen für Erzeugnisse der Fischerei und Aquakultur

CVUAs BW: Untersuchungen auf Herkunft und Echtheit

Dyk M, Wenninger O, Guckert C, Fuchs J, Wind C, Hiller E, Schreiter P, Rau J (2020) Collection of Sample Preparation Protocols for MALDI-TOF MS-Based Identification of Meat, Dairy Products, Fish and Insects. Aspects of Food Control and Animal Health. 13: 1-13. https://ejournal.cvuas.de/issue202013.asp

Bildnachweis

Seezunge: Stadt Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung

alle weiteren Fotos: CVUAs BW

 

 

Artikel erstmals erschienen am 12.04.2022