Lebensmittelinfektionserreger gehen nicht in den Lockdown!

Jahresbilanz 2020 der Abteilungen für Lebensmittelmikrobiologie der Untersuchungsämter

Dr. Dagmar Otto-Kuhn, CVUA Stuttgart

 

Mikrobiologische und molekularbiologische Lebensmitteluntersuchungen

Salmonellen-Untersuchungen

Untersuchungen auf EHEC-Infektionserreger

Listerien-Untersuchungen

Untersuchungen auf Bacillus cereus

Untersuchungen auf Clostridium perfringens

Untersuchungen auf koagulase-positive Staphylokokken

Campylobacter-Untersuchungen

Untersuchungen auf Viren

Untersuchungen auf Histamin

 

Mikrobiologische und molekularbiologische Lebensmitteluntersuchungen

Die Untersuchung von Lebensmitteln auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit ist eine wichtige Aufgabe der amtlichen Überwachung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher. In Baden-Württemberg wird diese Aufgabe von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern in Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Stuttgart wahrgenommen. Im Jahr 2020 konnten pandemiebedingt viele geplante Probenerhebungen und Kontrollen in Lebensmittelbetrieben nicht durchgeführt werden. Dennoch untersuchten die lebensmittelmikrobiologischen Laboratorien der vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter auch in diesem Kalenderjahr mit insgesamt 9717 Proben rund ¾ des Probenaufkommens der vorausgegangenen Jahre. 6881 Planproben und 2836 Anlassproben wurden auf mikrobiologische Parameter untersucht (Tab. 1). Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurden 730 Planproben (10,6 %) und 489 Proben (17,2 %), die aus konkretem Anlass, zum Beispiel Verdacht auf Hygienemängel, oder als Erkrankungsprobe erhoben worden waren, beanstandet. Bei 650 Proben (6,7 %) wurde darüber hinaus auf Mängel hingewiesen. 22 Proben (0,2 %) wurden als gesundheitsschädlich beurteilt. 312 Proben (3,2 %) waren aufgrund des mikrobiologischen Untersuchungsbefundes nicht zum menschlichen Verzehr geeignet. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen wiesen bei 579 Proben (6,0 %) auf erhebliche Hygienemängel hin.

 

Tabelle 1: Anzahl der im Jahr 2020 in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern mikrobiologisch untersuchten und beanstandeten Lebensmittelproben
 
Proben, gesamt
Planproben
Anlassproben
Mikrobiologisch untersuchte Lebensmittel
9717
6881
2836
davon beanstandet
1219 (12,5%)
730 (10,6%)
489 (17,2%)
bemängelt
650 (6,7%)
504 (7,3%)
146 (5,1%)
Beanstandungsgründe:
 
 
 
gesundheitsschädlich
22 (0,2%)
6 (0,1%)
16 (0,6%)
nicht zum Verzehr geeignet
312 (3,2%)
65 (0,9%)
247 (8,7%)
Hygienemängel
579 (6,0%)
283 (4,1%)
296 (10,4%)
Sonstige
656 (6,8%)
545 (7,9%)
111 (3,9%)

 

Krankmachenden Lebensmittelkeimen auf der Spur in Baden-Württemberg

Lebensmittelproben, die aufgrund einer Erkrankung erhoben wurden, werden für Baden-Württemberg zentral im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart mikrobiologisch untersucht. Im Jahr 2020 wurden in Zusammenhang mit mutmaßlich lebensmittelbedingten Erkrankungen insgesamt 693 Erkrankungsproben zu 204 Erkrankungsfällen bearbeitet. Einzel- und Gruppenerkrankungen wurden gemeldet. Ein Vergleich der Anzahl der mutmaßlich lebensmittel-bedingten Erkrankungsfälle über die Jahre 2011 bis 2019 deutet auf einen abnehmenden Trend hin (Tab. 2). Im Pandemiejahr 2020 wurden deutlich weniger mutmaßlich lebensmittelbedingte Erkrankungen bekannt und folglich deutlich weniger Erkrankungsproben erhoben als in den vorausgegangenen Jahren. Da die amtliche Lebensmittelüberwachung grundsätzlich jeden gemeldeten Verdachtsfall nachverfolgt, ist die Ursache des zahlenmäßigen Einbruchs in einer geringeren Zahl der Meldungen zu suchen. Dies ist zum einen auf die monatelange Schließung sämtlicher Gastronomiebetriebe und in Teilen auch der Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung mit in der Folge zu seltenerem Außerhausverzehr zurückzuführen und zum anderen möglicherweise auch darauf, dass erkrankte Personen den Gang zur hausärztlichen Praxis wegen der Ansteckungsgefahr scheuten. Beides führte zu seltener dokumentierten Erkrankungen und Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte berichteten über deutlich geringeres Patientenaufkommen. Auch die Anzahl meldepflichtiger gastrointestinaler Infektionen ist laut aktueller Statistik des Robert-Koch-Institutes [1] 2020 bundesweit deutlich geringer als im Jahr davor.

 

Tabelle 2: Im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen eingesandte Proben
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
Zahl der Erkrankungsfälle
413
325
353
350
323
367
295
293
290
204
Zahl der Erkrankungsproben
1694
1327
1563
1339
1261
1446
1437
1228
1288
693

 

22 Lebensmittelproben (16 Erkrankungsproben und andere Anlassproben, 6 Planproben) wurden von den Untersuchungsämtern aufgrund mikrobieller Kontamination als gesundheitsschädlich beurteilt. In den betreffenden Proben verzehrfertiger Lebensmittel waren die Lebensmittel-Infektionserreger Salmonellen, Listeria monocytogenes und verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC) nachgewiesen worden. In vier Proben wurden im verzehrfertigen Lebensmittel durch mikrobiellen Verderb erzeugte toxische Eiweißabbauprodukte (Histamin) in einer gesundheitsschädigenden Konzentration nachgewiesen. Lebensmittel-Intoxikationserreger und ihre gesundheitsschädlichen Gifte waren auffälligerweise im Jahr 2020 in keiner Probe in gesundheitsschädigender Keimzahl bzw. Konzentration nachweisbar.

 

Als gesundheitsschädlich beurteilt wurden sehr unterschiedliche Lebensmittel. Krankheitserreger wurden nicht nur in Lebensmitteln tierischer Herkunft, sondern auch in pflanzlichen Lebensmitteln nachgewiesen. So mussten Mungobohnensprossen, Blattsalat und getrocknete Kokosstücke als gesundheitsschädlich beurteilt werden.

Rohe, nicht verzehrfertige Lebensmittel konnten hingegen formal nicht als gesundheitsschädlich beurteilt werden, obwohl sie Krankheitserreger enthielten. Diese Lebensmittel waren laut Kennzeichnung oder nach allgemeiner Verkehrsauffassung zum Verzehr in gegartem Zustand bestimmt. In der dargestellten Statistik erscheinen diese Lebensmittel daher nicht, die Fälle werden jedoch in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben. Alle als gesundheitsschädlich beurteilten Lebensmittel sind in Tabelle 3 aufgeführt, die Grafik zeigt das anteilmäßige Vorkommen der Erreger.

 

Tabelle 3: Lebensmittel, die 2020 als gesundheitsschädlich beurteilt wurden
Gesundheitsschädliches Agens Betroffene Lebensmittel
Anzahl Proben
L. monocytogenes Ziegenkäse
2
VTEC/STEC Hackfleisch
3
VTEC/STEC Kalbstarar
1
VTEC/STEC Rohwürste
2
VTEC/STEC Blattsalatmischung
1
Histamin Thunfischfleisch aus Konserve, offen
3
Salmonellen Hühnereier
1
Salmonellen Mungobohnensprossen
1
Salmonellen Bandnudeln
1
Salmonellen getrocknete Kokosstücke
2
Salmonellen Importproben (trockene pflanzliche Erzeugnisse)
4

 

Grafik: Anzahl gesundheitsschädlicher Lebensmittel mit mikrobieller Ursache 2020, aufgeschlüsselt nach Krankheitserregern bzw. gesundheitsschädlichem Agens.

Grafik: Anzahl gesundheitsschädlicher Lebensmittel mit mikrobieller Ursache 2020, aufgeschlüsselt nach Krankheitserregern bzw. gesundheitsschädlichem Agens

 

Salmonellen-Untersuchungen

Eine Lebensmittelinfektion durch Salmonellen führt in der Regel 12 bis 36 Stunden nach dem Verzehr des Lebensmittels zu Krankheitssymptomen wie Kopfschmerzen, Unwohlsein, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber und Durchfall. Bei Kleinkindern und alten Menschen ist der Krankheitsverlauf am schwersten.

 

Salmonellen-Untersuchungen in Baden-Württemberg

5771 Lebensmittelproben wurden im Jahr 2020 von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern auf Salmonellen untersucht. In 50 Proben (0,9 %) wurden Salmonellen nachgewiesen. Darüber hinaus wurden 30 Isolate, die bei Eigenkontrollen verantwortlicher Unternehmen aus Lebensmitteln isoliert worden waren, serologisch typisiert. Salmonellen wurden am häufigsten in rohem Geflügelfleisch (34 von 388 = 8,8 % aller Geflügelfleischproben) nachgewiesen, auch die eingesandten Eigenkontrollisolate stammten überwiegend aus rohen Gefügelfleischerzeugnissen. Salmonellen wurden in 3 Schweinefleisch- und 2 Kalbfleischproben und in einem Fall auf der Schale von Hühnereiern aus Bodenhaltung nachgewiesen. Auch Lebensmittel pflanzlicher Herkunft enthielten Salmonellen. In getrockneten Kokosstücken, in 4 trockenen pflanzlichen Erzeugnissen, die aufgrund einer Importkontrolle beprobt worden waren, und in einer Packung Bandnudeln wurden Salmonellen nachgewiesen. Die nachgewiesenen Salmonellen wurden serologisch differenziert. Dabei war das Salmonella-Serovar Salmonella Infantis (29 Nachweise) vorherrschend, deutlich weniger Nachweise erfolgten für die bekannten Serovare Salmonella Enteritidis (7 Nachweise) und Salmonella Typhimurium (4 Nachweise). Auffallend ist die Vielzahl unterschiedlicher Serovare, die jeweils nur ein oder wenige Male auftraten: Salmonella Agona, Amsterdam, Anatum, Brandenburg, Bredeney, Cerro, Chester, Dahlem, Dublin, Derby, Hadar, Hull, Falkensee, Kentucky, München, Newport, Paratyphi, Saintpaul. Und die Nomenklatur ist noch nicht abgeschlossen. In einer der pflanzlichen Importproben wurde ein bislang unbekanntes Serovar nachgewiesen, das nationale Referenzlabor beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) leitete das Isolat an das europäische Referenzlabor, am Institut Pasteur in Paris, weiter.

Abb. 1: Arbeiten im mikrobiologischen Labor.

Abb. 1: Arbeiten im mikrobiologischen Labor

 

Salmonellen in verzehrfertigen Lebensmitteln

Salmonellen sind Zoonoseerreger, die von Tieren und Menschen ausgeschieden werden, auf Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft gelangen und schwere Lebensmittelinfektionen hervorrufen können. Der Nachweis von Salmonellen in rohem Geflügel-, rohem Schweine- und in rohem Kalbfleisch zeigt, wie wichtig vollständiges Durchgaren vor dem Verzehr und gute Küchenhygiene sind, um Kreuzkontaminationen bei der Zubereitung in der Küche zu vermeiden. Während bei rohem Fleisch durch Braten die Salmonellengefahr gebannt werden kann, fehlt ein solcher Zubereitungsschritt bei verzehrfertigen Lebensmitteln. In 2 Packungen mit getrockneten Kokosstücken, die zum Knabbern bestimmt waren, wurde Salmonella München nachgewiesen. Diese verzehrfertigen Lebensmittel wurden als gesundheitsschädlich beurteilt. Nachdem auch in den im Handel verbliebenen Rückstellproben Salmonellen nachgewiesen worden waren, erfolgte ein Rückruf der Ware.

Der Nachweis von Salmonella Enteritidis in Bandnudeln stellt einen Sonderfall dar. Zwar sind trockene Teigwaren dafür bestimmt, nach dem Kochen in reichlich gesalzenem Wasser verzehrt zu werden, doch knabbern vor allem Kinder nicht selten gerne die harten, trockenen Nudelstückchen. Sofern ein Verzehr in ungegartem Zustand üblich ist und nicht ausgeschlossen werden kann, sind auch diese Lebensmittel bei dem Nachweis von Salmonellen als gesundheitsschädlich zu beurteilen.

 

Abb. 2: Teigwaren im Anreicherungsmedium zum Nachweis von Salmonellen.

Abb. 2: Teigwaren im Anreicherungsmedium zum Nachweis von Salmonellen

 

Abb. 3: Arbeiten im mikrobiologischen Labor.

Abb. 3: Arbeiten im mikrobiologischen Labor

 

Untersuchungen auf EHEC-Infektionserreger

EHEC-Infektionen werden durch Escherichia coli-Bakterien verursacht, welche bestimmte Toxine bilden können. Sie werden als verotoxinbildende E. coli (VTEC) oder auch Shiga-Toxin-bildende E. coli (STEC) bezeichnet. VTEC sind grundsätzlich als potentielle EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) anzusehen, die sehr schwere Humanerkrankungen auslösen können. Mit Keimzahlen von unter 100 ist die Infektionsdosis sehr gering. Manche VTEC-Infektionen verlaufen symptomlos und bleiben daher unerkannt, die Infizierten können aber Keime ausscheiden. Etwa ein Drittel der Erkrankungen manifestiert sich als Durchfall mit Übelkeit, Erbrechen und zunehmenden Bauchschmerzen. Entwickeln können sich daraus schwere Verlaufsformen mit hämorrhagischer Enterokolitis (blutige Darmentzündung), starken Bauchschmerzen, blutigem Stuhl und häufig auch Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und immungeschwächte Personen erkranken besonders schwer. Als schwerwiegendste Komplikation entwickelt sich das lebensgefährliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das irreversibles Nierenversagen zur Folge haben kann. Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer (Rehe und Hirsche) werden als das Hauptreservoir für EHEC angesehen, sie scheiden die verotoxinbildenden E. coli mit dem Kot aus, ohne selbst zu erkranken.

 

VTEC-Untersuchungen in Baden-Württemberg

593 Lebensmittelproben wurden 2020 von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern auf VTEC untersucht. Der Nachweis von VTEC aus Lebensmitteln umfasst eine aufwändige Kombination von klassisch-kulturellen und molekularbiologischen Untersuchungsverfahren. Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter wiesen im Jahr 2020 VTEC in 34 Proben nach. Dabei handelte es sich überwiegend um Lebensmittel tierischen Ursprungs, betroffen waren vor allem rohes Rind- und Lammfleisch sowie Hackfleisch.

 

Abb. 4: VTEC auf Selektivagar.

Abb. 4: VTEC auf Selektivagar

 

VTEC in verzehrfertigen Lebensmitteln

Rinderbraten und Lammkeule werden vor dem Verzehr in der Pfanne oder im Schmortopf bestimmungsgemäß gut durchgebraten und die VTEC-Keime damit abgetötet und unschädlich gemacht. Hackfleisch dagegen wird regional auch gerne roh verzehrt, appetitlich hergerichtet mit Ei und Zwiebeln! 3 Hackfleischproben und eine Probe Kalbstartar mit VTEC-Nachweis waren auch für den Rohverzehr bestimmt und wurden daher als gesundheitsschädlich beurteilt. Die vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter wiesen potentiell pathogene VTEC-Keime allerdings nicht nur in rohem Fleisch, sondern auch in Rohwürsten und in einer Packung „frische Blattsalatmischung“ nach, Lebensmittel, die stets ohne vorherige keimabtötende Erhitzung verzehrt werden. Diese verzehrfertigen Lebensmittel sind somit für die menschliche Gesundheit gefährlich.

 

Abb. 5: Arbeiten im S3**-Labor zum Nachweis hochpathogener Erreger.

Abb. 5: Arbeiten im S3**-Labor zum Nachweis hochpathogener Erreger

 

Rohmilch vor Verzehr abkochen!

Den geltenden veterinärhygienischen Vorschriften zufolge darf Rohmilch aus gesundheitlichen Gründen grundsätzlich gar nicht an Verbraucher abgegeben werden. Zwei Ausnahmen gibt es jedoch: „Vorzugsmilch“ mit besonders strengen Hygieneanforderungen an Gewinnung und Vermarktung und „Milch-ab-Hof“. Landwirte bieten Rohmilch als „Milch-ab-Hof“ immer häufiger in Milchautomaten zur Selbstbedienung an. Bei der Abgabe von Rohmilch ab Hof muss der Milcherzeuger allerdings deutlich darauf hinweisen, dass die Rohmilch vor dem Verzehr abzukochen ist. Milchliebhaber sollten sich unbedingt an diese Empfehlung halten! Die vier CVUA wiesen in 11 von 63 untersuchten Rohmilchproben, davon 8 aus „Milch-ab-Hof“-Abgabe, pathogene verotoxinbildende Escherichia coli nach. Ein Verzehr ohne vorheriges Abkochen kann vor allem für Kinder sehr gefährlich werden. In den 53 untersuchten Vorzugsmilchproben waren verotoxinbildende Escherichia coli nicht nachweisbar.

 

Abb. 6: Bakterien-Identifizierung mit MALDI-TOF.

Abb. 6: Bakterien-Identifizierung mit MALDI-TOF

 

Listerien-Untersuchungen

Listeriose, die durch Listeria monocytogenes verursachte lebensmittelbedingte Erkrankung, ist zwar selten, verläuft jedoch mit sehr schwerer Symptomatik und hoher Letalität. Besonders gefährdet sind Schwangere, Immungeschwächte und ältere Menschen. Listeriose während der Schwangerschaft kann zu Aborten, Früh- oder Totgeburten oder zur Geburt schwerkranker Babys führen. Bei immungeschwächten Patienten kann die Listeriose mit sehr schweren Symptomen wie Sepsis (Blutvergiftung), Meningoenzephalitis (Gehirn- und Gehirnhautentzündung) und Endokarditis (Herzentzündung) einhergehen. Bei immunkompetenten erwachsenen Personen verläuft die Infektion dagegen meist symptomlos oder führt zu einer milderen Magen-Darm-Infektion.

 

Listeriose stellt keine Zoonose im klassischen Sinne dar, obwohl auch Nutztiere erkranken und den Keim ausscheiden können. Eher könnte die Listeriose als „Sapronose“, als „Schmutzkrankheit“ bezeichnet werden. Menschen infizieren sich durch Verzehr kontaminierter Lebensmittel.

Listeria monocytogenes sind hinsichtlich ihrer Nährstoffansprüche äußerst genügsam, anpassungsfähig an vielfältige Umweltbedingungen und besitzen eine erstaunliche Resistenz gegenüber unterschiedlichsten Stressfaktoren. Ausgestattet mit diesen Fähigkeiten finden Listeria monocytogenes samt ihrer Gattungsverwandten überall in der Umwelt Lebens- und Überlebensmöglichkeiten. Für Lebensmittelbetriebe stellen Listerien eine große Herausforderung dar, in vielen Betriebe existieren zahlreiche geeignete „Biotope“, in denen sich die Keime festsetzen, vermehren, hartnäckig Reinigungsmaßnahmen widerstehen und so zur dauerhaften Kontaminationsquelle werden können.

 

Das gemeinschaftliche Lebensmittelhygienerecht gibt für diesen Lebensmittel-Infektionserreger detaillierte Sicherheitsvorschriften vor. Lebensmittelbetriebe haben die Einhaltung dieser Sicherheitskriterien durch Eigenuntersuchungen nachzuweisen; Umgebungsuntersuchungen sind durchzuführen, um Kontaminationsquellen im Betrieb aufzudecken. Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 [2] legt bei verzehrfertigen Lebensmitteln als Sicherheitskriterium für Listeria monocytogenes einen oberen Grenzwert von 100 koloniebildende Einheiten pro Gramm Lebensmittel (KbE/g) fest, Lebensmittel mit Keimgehalten über 100 KbE/g gelten als gesundheitsschädlich. Für verzehrfertige Lebensmittel, die die Vermehrung des Erregers begünstigen, gilt die Nulltoleranz: Kein Nachweis in 25 g vor Verlassen des Herstellerbetriebes. Der Hersteller kann alternativ, zum Beispiel durch sogenannte Challengetests, beweisen, dass die Sicherheit während der Haltbarkeitsdauer gewährleistet ist.

 

Listerien-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter untersuchten im Berichtsjahr 6751 Lebensmittelproben und 565 Hygienetupfer aus Lebensmittelbetrieben auf Listerien. Listeria monocytogenes wurde in 151 Lebensmittelproben und 81 Hygienetupfern aus Lebensmittelbetrieben qualitativ mittels Anreicherung nachgewiesen. Dazu werden von dem Lebensmittel 25 Gramm entnommen und in speziellen Anreicherungsmedien über mehrere Stufen so inkubiert, dass auch vereinzelte Keime noch gefunden werden. Hygienetupfer werden gänzlich in das Anreicherungsmedium überführt. Diese Proben mit geringen Keimzahlen von L. monocytogenes, die sich nur qualitativ nachweisen lassen, gelten zwar noch nicht als gesundheitsschädlich, der Nachweis zeigt jedoch ein erhebliches hygienisches Problem im verantwortlichen Lebensmittelbetrieb auf. Bei einigen Lebensmitteln ist zudem eine Vermehrung von L. monocytogenes innerhalb der Haltbarkeitsfrist in der vorverpackten Ware zu befürchten. In 32 Proben war L. monocytogenes in zählbarer Menge (quantitativ) nachweisbar, die Keimzahl lag bei diesen Proben bei mindestens 10 KbE/g. L. monocytogenes wurde in rohem Fleisch und Fisch, aber auch in verzehrfertigen Roh- und Brühwürsten (45 Proben mit qualitativem Nachweis, 6 Proben mit Keimzahlen von mindestens 10 KbE/g) und in verzehrfertigen Fischereierzeugnissen (27 Proben mit qualitativem Nachweis, 5 Proben mit Keimzahlen von mindestens 10 KbE/g) nachgewiesen.
L. monocytogenes wurde auch in 3 Käseproben, 2 Proben von Teigwaren, 5 Fertiggerichten, 5 Feinkostsalaten und 8 pflanzlichen Erzeugnissen nachgewiesen. Eine Gefahr für den Menschen stellen diejenigen mit L. monocytogenes kontaminierten Lebensmittel dar, die vor dem Verzehr üblicherweise nicht durcherhitzt werden. Ziegenkäse wurde als gesundheitsschädlich beurteilt, weil L. monocytogenes in einer Konzentration von über 100 KbE/g im verzehrfertigen Produkt nachgewiesen wurde. In 2 Fleischsalaten, 6 Rohwürsten, in 3 Proben von Räucherfisch und je einer von Graved Lachs und gebackenen Garnelen wurde L. monocytogenes quantitativ zwar nur in Konzentrationen unter 100 KbE/g nachgewiesen. Untersuchungen des Zentrallabors für Erkrankungsproben deuten jedoch darauf hin, dass Listeriose bei abwehrgeschwächten Personen durch Lebensmittel mit Keimzahlen auch unter 100 KbE/g verursacht werden kann [3].

 

Abb. 7: Listeria monocytogenes auf Selektivagar.

Abb. 7: Listeria monocytogenes auf Selektivagar

 

Die Untersuchungsergebnisse der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter mit dem Nachweis von Listeria monocytogenes in 151 Lebensmittelproben und 81 Hygienetupfern im Jahre 2020 zeigen, dass in vielen Betrieben ein erhebliches Hygienerisiko vorhanden ist.

Aber Vorsicht, auch im Verbraucherhaushalt lauern Gefahren für die Lebensmittelsicherheit! Zum Schutz vor Listeriose gilt: Lebensmittel nicht überlagern! Den Inhalt geöffneter Packungen zügig aufbrauchen. Speisen frisch zubereiten und gleich verzehren! Besonders empfindliche Personen sollten auf bestimmte Lebensmittel besser verzichten (BfR, 2020) [4]. Oder diese vor Verzehr gut durchgaren!

 

Abb. 8: Beimpfen von Nährböden im mikrobiologischen Labor.

Abb. 8: Beimpfen von Nährböden im mikrobiologischen Labor

 

Schwangerschafts-Listeriose und Frühgeburt

Infektionen mit Listeria monocytogenes manifestieren sich nach dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Bei einer Infektion während der Schwangerschaft wird der Erreger diaplazentar auf das Ungeborene übertragen. Die tragischen Folgen einer Infektion mit Listeria monocytogenes illustriert ein aktueller Fall aus Baden-Württemberg. Eine junge Mutter erlitt infolge einer Schwangerschafts-Listeriose eine Frühgeburt. Kinderärzte kämpften um das Leben des viel zu früh und viel zu klein geborenen Kindes. Das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart untersuchte zahlreiche Verdachtsproben aus dem Haushalt der betroffenen Familie. Listeria monocytogenes wurde aus zwei Fleischerzeugnissen isoliert. Das für diese Infektion ursächliche Lebensmittel konnte allerdings nicht mehr ermittelt werden, mittels FTIR-Spektroskopie und Gesamtgenomsequenzierung (New Generation Sequencing = NGS) wurde keine Übereinstimmung der Patienten- und Lebensmittelisolate ermittelt.

Für die Aufklärung der epidemiologischen Fragestellungen kam erschwerend hinzu, dass die erkrankte Mutter auch bei einem länger zurückliegenden Aufenthalt auf dem weit entfernten elterlichen Bauernhof mit ihrer Familie verschiedene Speisen verzehrt hatte. Die möglicherweise lange Inkubationszeit von 2 bis 3 Wochen, sogar bis zu 3 Monaten, erschwert die Aufklärung der schwerwiegenden Listeriose-Erkrankungen.

 

Abb. 9: flüssige Nährmedien im Schüttelbrutschrank.

Abb. 9: flüssige Nährmedien im Schüttelbrutschrank

 

Untersuchungen auf Bacillus cereus

Bacillus cereus ist ein weit verbreiteter Umweltkeim. Die Sporen, sehr stabile Überdauerungsformen dieser Mikroorganismen, finden sich überall im Boden, im Staub, im Darmtrakt von Menschen und Tieren und gelangen durch Umweltkontaminationen in Lebensmittel. B. cereus ist ein potentieller Lebensmittelvergifter, er bildet das sehr hitzestabile emetische Toxin Cereulid, welches Übelkeit und Erbrechen hervorruft, und Enterotoxine, die Durchfall verursachen.

 

Abb. 10: Bacillus cereus auf MYP-Nährboden.

Abb. 10: Bacillus cereus auf MYP-Nährboden

 

Bacillus cereus-Untersuchungen in Baden-Württemberg

2020 wurden 3815 Lebensmittelproben auf Bacillus cereus untersucht, in 206 Proben (5,4 %) wurde dieser Umweltkeim nachgewiesen, in der Regel jedoch in gesundheitlich unbedenklicher Menge. Zur Auslösung einer Lebensmittelvergiftung durch B. cereus sind laut Literaturangaben Mindestkeimgehalte von 105 und 10KbE/g Lebensmittel erforderlich. Von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) wird als B. cereus-Warnwert für viele Lebensmittel eine Menge von 10KbE/g angegeben. Krankheitssymptome, verursacht durch das im Lebensmittel gebildete emetische Toxin, treten üblicherweise 0,5 bis 6 Stunden, verursacht durch die erst im Darm gebildeten Enterotoxine, 6 bis 24 Stunden nach Verzehr des kontaminierten Lebensmittels auf.

Bei durcherhitzten Lebensmitteln ist der mittels LC-MS/MS durchgeführte Nachweis des emetischen B. cereus-Toxins (Cereulid) die einzige Möglichkeit, die Ursache einer Erkrankung aufzuklären. Dieses Toxin ist hitzestabil, während die toxinbildenden B. cereus-Keime durch den Erhitzungsvorgang abgetötet werden und kulturell nicht mehr nachzuweisen sind. 2020 wurden 43 verdächtige Lebensmittel auf Cereulid untersucht. In einer Probe Spätzle wurde dieses Toxin nachgewiesen.

 

Abb. 11: Arbeiten im mikrobiologischen Labor.

Abb. 11: Arbeiten im mikrobiologischen Labor

 

Untersuchungen auf Clostridium perfringens

Clostridium perfringens ist wie Bacillus cereus ein überall in der Umwelt vorkommender Keim und potentieller Lebensmittelvergifter, im Gegensatz zu den Bacillus spp. wächst C. perfringens allerdings ohne Sauerstoff (anaerob). Seine enorm widerstandsfähigen Sporen finden sich in Fäkalien, Staub, Erdboden, Abwasser und können von dort aus Lebensmittel kontaminieren. Bakteriensporen sind hitzestabil, Kochtemperaturen reichen zur Inaktivierung nicht aus! Das aktive C. perfringens -Enterotoxin entsteht erst im Dünndarm der betroffenen Personen, zu Erkrankungen kommt es nach Aufnahme von106 bis 10Keimen pro Gramm Lebensmittel. Solche Toxiinfektionen ereignen sich immer wieder im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung, bei der große Essensportionen zubereitet und längere Zeit in Thermophoren warmgehalten werden. Ungenügend heißes und zu langes Warmhalten von Speisen fördert das Auskeimen der Sporen und die rasche Vermehrung dieser Toxinbildner. Heißhaltung der Speisen bei über +65 °C gewährleistet die mikrobiologische Sicherheit.

 

Clostridium perfringens-Untersuchungen in Baden-Württemberg

3322 Proben wurden im Jahr 2020 auf Clostridium perfringens untersucht. Der Krankheitserreger wurde in 24 Lebensmittelproben, verschiedenen Fleischerzeugnissen, Gewürzen und Mehlen, in geringer Konzentration nachgewiesen. In verzehrfertigen Speisen könnten sich die Erreger bei ungenügender Kühlung oder ungenügender Heißhaltung rasch bis zu gesundheitlich bedenklichen Keimzahlen vermehren.

 

Abb. 12: Tupfer mit Mikroorganismen zur Identifizierung in der Sterilen Werkbank.

Abb. 12: Tupfer mit Mikroorganismen zur Identifizierung in der Sterilen Werkbank

 

Untersuchungen auf koagulase-positive Staphylokokken

Staphylococcus aureus, der bedeutenste Vertreter koagulase-positiver Staphylokokken, ist ein potentieller Lebensmittel-Intoxikationserreger. Staphylokokken-Enterotoxine, gesundheitsschädliche Gifte dieses Keimes, können ab einer Keimkonzentration von 105 bis 10KbE/g Lebensmittel krankheitsauslösend wirken. Typisch für eine Staphylokokken-Intoxikation sind mit Erbrechen einhergehende, massive Kreislaufbeschwerden. Diese treten in der Regel etwa eine halbe Stunde bis drei Stunden nach dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel auf.

 

Ein hoher Gehalt an Staphylococcus aureus spricht für Hygienefehler bei der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln. S. aureus kommt beim Menschen im Nasen-Rachen-Raum, auf Haut und Schleimhäuten vor. S. aureus ist auch Erreger eitriger Entzündungen bei Mensch und Tier. Werden Lebensmittel infolge mangelhafter Personalhygiene mit toxinbildenden Staphylokokken kontaminiert und dann auch noch unsachgemäß gelagert, können sich die Staphylokokken massenhaft vermehren und Enterotoxin bilden. Das von Staphylokokken gebildete Toxin ist hitzestabil. Es wird durch das Erhitzen des Lebensmittels daher nicht inaktiviert.

 

Abb. 13: Kreisförmiges Aufbringen der Verdünnungslösung einer Lebensmittelprobe mit dem Spiralplater für die Keimzählung.

Abb. 13: Kreisförmiges Aufbringen der Verdünnungslösung einer Lebensmittelprobe mit dem Spiralplater für die Keimzählung

 

Staphylococcus aureus-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Im Jahr 2020 wurden 5000 Lebensmittelproben auf Staphylococcus aureus untersucht. In 68 Proben wurde dieser Keim nachgewiesen. Bei 98 Erkrankungs- und Verdachtsproben wurden zudem Untersuchungen zum Nachweis der Staphylokokken-Enterotoxine durchgeführt. Dabei handelte es sich überwiegend um Reste der von erkrankten Personen verzehrten Speisen. Das Toxin war in diesen Proben nicht nachweisbar. Auch bei Planproben erfolgten Untersuchungen zum Nachweis des Staphylokokken-Enterotoxins. Im Jahr 2020 wurde am CVUA Freiburg der Schwerpunkt auf die Produktgruppe „Schinken“ gelegt, dabei waren in 14 im Rahmen dieses Projektes untersuchten Planproben keine Staphylokokken-Enterotoxine nachweisbar.

 

Keine Staphylokokken-Enterotoxikose im Coronajahr

Das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart wies im Jahr 2020 in keiner Erkrankungsprobe Staphylococcus aureus in sehr hohen Keimzahlen oder die von diesen Keimen gebildeten Enterotoxine nach. Gruppenerkrankungen durch Staphylokokken-Enterotoxine blieben offensichtlich aus. Möglicherweise erfreuliche Folge des betrüblichen Verbotes aller gemeinsamen Feste und Feiern.

 

Campylobacter-Untersuchungen

Die Campylobacter-Enteritis ist nach Angaben des Robert-Koch-Institutes die häufigste bakterielle meldepflichtige Krankheit in Deutschland (RKI, 2020) [5]. Die krankmachenden thermophilen Campylobacter-Keime (C. jejuni, C. coli und C. lari) werden meist mit rohen oder nicht vollständig gegarten Lebensmitteln aufgenommen. Bedeutendste Infektionsquellen sind Geflügelfleisch und Rohmilch. Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 5 Tagen treten Fieber, Schmerzen und Durchfall auf, der bis zu einer Woche anhält. Leider gelingt es nicht immer, den Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels und einer Campylobacter-Erkrankung nachzuweisen. Denn wenn erste Erkrankungssymptome auftreten, erinnert sich ein Patient oft nicht mehr an das vor Tagen verzehrte Lebensmittel, welches für eine Untersuchung auch gar nicht mehr zur Verfügung stünde.

 

Campylobacter-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Untersuchungen auf thermophile Campylobacter-Keime wurden im Jahr 2020 an 608 Lebensmitteln durchgeführt, in 68 Proben wurde Campylobacter spp. nachgewiesen. Die Mehrzahl der Campylobacter-Nachweise erfolgte in rohem Hähnchenfleisch (57 Proben). Außerdem wurde Campylobacter in 6 Proben jeweils rohem Putenfleisch, 3 Proben Entenfleisch und einer Probe Gänsefleisch nachgewiesen. Geflügelfleisch, insbesondere von Schlachthähnchen, gilt als wichtigste Eintragsquelle für Campylobacter in die Lebensmittelkette. Diese Untersuchungsbefunde zeigen erneut, wie wichtig das vollständige Garen dieser Lebensmittel und die Einhaltung einer guten Küchenhygiene sind. Bei einer bestimmungsgemäßen Behandlung durch vollständige Durcherhitzung, wie durch Kochen oder Braten vor dem Verzehr der Lebensmittel werden Campylobacter-Keime mit Sicherheit abgetötet. Aus frischem, rohem Fleisch von Hähnchen, Puten, Enten und Gänsen wurden die pathogenen Spezies Campylobacter jejuni und C. coli isoliert, ebenso aus 3 rohen Schweinefleischproben und Lammleber. In einer Probe ökologisch erzeugter Rohmilch wurde C. jejuni nachgewiesen.

 

Abb. 14: Inkubator mit spezifischer Atmosphäre für die Anzucht thermophiler Campylobacter spp.

Abb. 14: Inkubator mit spezifischer Atmosphäre für die Anzucht thermophiler Campylobacter spp.

 

Untersuchungen auf Viren

Noroviren sind hochinfektiöse Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen. Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion, über kontaminierte Nahrung oder durch Schmierinfektion übertragen und führen nach einer kurzen Inkubationszeit von ca. 12 bis 48 Stunden zu den typischen Symptomen einer Norovirus-Erkrankung: Übelkeit und massives Erbrechen begleitet von sehr starkem Durchfall und Bauchschmerzen. Infektionen mit Rotaviren verursachen ebenfalls massives Erbrechen und Übelkeit. Während Noroviren bei Menschen jeglichen Alters, besonders jedoch bei älteren Personen, zu schweren Infektionen führen, grassieren Rotavirus-Infektionen typischerweise in Kleinkindergruppen. Viren vermehren sich in Lebensmitteln nicht. Kontaminierte Speisen werden von ihnen als Vehikel genutzt, um in den menschlichen Körper zu gelangen, wo sie sich dann massiv vermehren können.

 

Abb. 15: Molekularbiologische Untersuchung auf Noroviren.

Abb. 15: Molekularbiologische Untersuchung auf Noroviren

 

Beim schwallartigen Erbrechen werden massenhaft Viruspartikel frei, über Tröpfchen- und Schmierinfektion stecken sich schnell weitere Personen an und erkranken ebenfalls. Noroviren verfügen über eine sehr hohe Infektiosität, schon 10 bis 100 Viruspartikel sind ausreichend, um Erkrankungen auszulösen. In Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Pflegeheimen führen Norovirus-Infektionen daher zu Gruppenerkrankungen mit einer großen Zahl von Erkrankten. Wie die meisten menschenpathogenen Viren werden auch Noroviren primär direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Eine Infektion über kontaminierte Lebensmittel ist ebenfalls möglich. Dafür ist eine sehr geringe Anzahl an Viruspartikeln ausreichend, die im Lebensmittel nur schwer detektiert werden kann. Der Nachweis im Patientenstuhl, in dem die Viren nach erfolgter Infektion massenhaft ausgeschieden werden, gelingt dagegen sehr leicht.

 

Untersuchungen auf Noro- und Rotaviren in Baden-Württemberg

Im Jahr 2020 wurden 293 Lebensmittelproben und Hygienetupferproben, die im Zusammenhang mit Erkrankungsausbrüchen in Betreuungseinrichtungen und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung erhoben worden waren, auf Noroviren untersucht. Noroviren wurden in einem Hygienetupfer nachgewiesen, der vom Türgriff der Personaltoilette einer Gaststätte genommen worden war.
23 Lebensmittel- und Hygienetupferproben aus Kinderbetreuungseinrichtungen wurden auf Rotaviren untersucht, Rotaviren waren nicht nachweisbar.

 

Nachweis von Noroviren – nicht im Lebensmittel, aber in der Umgebungsprobe

Gefürchtet sind Virusinfektionen im Pflegeheim: Genauso wie Coronaviren im Jahr 2020 verbreiteten sich in den Jahren zuvor Noroviren innerhalb weniger Tage unter den pflegebedürftigen Bewohnern [6]. Massives Erbrechen und Durchfall infolge einer Norovirus-Infektion erleiden jedoch auch zuvor Gesunde mittleren Alters! Fünf Gäste erkrankten nach dem Besuch eines Restaurants. Da verzehrte Speisen nicht mehr vorhanden waren, entnahm die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde Hygienetupferproben im Küchen- und Sanitärbereich. Das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart wies die RNA der Noroviren am Türgriff der Personaltoilette nach. Möglicherweise hatte das Infektionsgeschehen auch das Küchen- oder Servicepersonal erfasst. Infektionen mit Noroviren sind sehr leicht übertragbar, sowohl direkt von Mensch zu Mensch als auch indirekt über Lebensmittel und Gegenstände.

 

 

Abb. 16: Thermocycler zum Nachweis von Viren mittels real-time-PCR.

Abb. 16: Thermocycler zum Nachweis von Viren mittels real-time-PCR

 

Untersuchungen auf Histamin

Verdorbener Thunfisch aus geöffneten Konservendosen ist typischerweise Ursache der lebensmittelhygienisch relevanten Histamin-Intoxikation. Beim Verderb von Thunfischfleisch entstehen bakterielle Stoffwechselprodukte, die für Menschen toxisch sein können. Insbesondere gehört das biogene Amin Histamin dazu, welches durch Decarboxylierung der Aminosäure Histidin entsteht. Biogene Amine sind sehr hitzestabil und deren Toxizität bleibt auch nach dem Erhitzungsvorgang verunreinigter Lebensmittel erhalten. Der toxische Schwellenwert wird für gesunde Personen im Bereich von 100 mg angenommen. Die Symptome einer Histaminvergiftung sind typischerweise Mundbrennen, Hautrötungen und Kreislaufbeschwerden bis hin zum Kreislaufkollaps. Die ersten Symptome treten bereits wenige Minuten nach dem Verzehr des histaminhaltigen Lebensmittels auf.

 

Aufgrund hoher Histamingehalte wurden vier Proben Thunfisch aus geöffneten Konserven, die in Gastronomiebetrieben entnommen worden waren, als gesundheitsschädlich beurteilt. Bei der mikrobiologischen und toxinanalytischen Untersuchung wurden in Verbindung mit einer jeweils sehr starken Keimbelastung sehr hohe Histamingehalte (bis zu 7500 mg/kg) nachgewiesen. Fischfleisch in Konserven ist aufgrund der Herstellung praktisch steril. Die starken Keimbelastungen und die daraus resultierenden hohen Histamingehalte werden nach dem Öffnen der Konservendose durch mikrobielle Kontamination des Thunfischfleischs und rasche Keimvermehrung infolge unsachgemäßer Behandlung und Lagerung verursacht.

 

Literatur

[1] Epidemiologisches Bulletin 1/2021, RKI, Berlin, 07.01.2021

[2] Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel (ABl. L 338/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/1495 vom 23. August 2017 (ABl. L 218/1)

[3] Listeria monocytogenes im Erkrankungszusammenhang in Baden-Württemberg: Rückblick auf die Jahre 2010–2019

[4] BfR: Sicher verpflegt – Besonders empfindliche Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen

[5] Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019, RKI, Berlin, 01.03 2020

[6] Jahresbilanz der Abteilungen für Lebensmittelmikrobiologie der Untersuchungsämter 2018

 

Bildernachweis

CVUA Freiburg (Abbildungen 3, 11)

CVUA Stuttgart (übrige Abbildungen)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 08.04.2021