Sarkosporidien in Rehfleisch – Kann der Rehbraten krank machen?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Dagmar Otto-Kuhn, CVUA Stuttgart
Dr. Catharina Pölzelbauer, CVUA Stuttgart
Dr. Matthias Contzen, CVUA Stuttgart
Dr. Ernst Großmann, STUA Aulendorf Diagnostikzentrum
Prof. Dr. Christian Bauer, Institut für Parasitologie der JLU Gießen
Dr. Juan Velez, Institut für Parasitologie der JLU Gießen

 

An Erbrechen und Durchfall erkrankten zwei Ehepaare in der Jagdsaison 2019 nachdem sie gegartes Rehfleisch verzehrt hatten. In den rohen Rehfleischproben wies das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart und das STUA Aulendorf Diagnostikzentrum massiven Befall mit Sarkosporidienzysten nach.

 

Das Rehfleisch stammte in einem Fall aus eigener Jagd und wurde im anderen Fall im Einzelhandel erworben. Beide Ehepaare erkrankten 5–6 Stunden nach Verzehr der gegarten Rehschulter beziehungsweise des gebratenen Filets an Erbrechen und Durchfall; nach weiteren 5–6 Stunden verschwanden die Symptome wieder. Zu beiden Erkrankungsfällen wurden rohe Rehfleischproben dem Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart und dem STUA Aulendorf Diagnostikzentrum zur Untersuchung vorgelegt.

 

Abb. 1: Massiver Befall mit Sarkosporidienzysten (dunkelrotviolett) in der Muskulatur eines Rehs.

Abb. 1: Massiver Befall mit Sarkosporidienzysten (dunkelrotviolett) in der Muskulatur eines Rehs

 

Untersuchungsergebnisse

Die Rehfleischproben wurden im Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart auf alle in Frage kommenden bakteriellen Lebensmittelinfektions- und Intoxikationserreger [1] untersucht, jedoch ohne Erfolg. Die Idee, auf Parasiten zu untersuchen, hatte zuerst das STUA Aulendorf Diagnostikzentrum. Histologisch wurde in beiden Fällen in den Muskelfleischproben ein massiver Befall mit Sarkosporidienzysten nachgewiesen. Diese Parasitenzysten saßen im Gewebe stellenweise so eng, dass kaum mehr Muskelfasern zu sehen waren (Abb. 1). Die Artbestimmung erfolgte mittels PCR. Im ersten Fall wurde vom Institut für Parasitologie der JLU Gießen die Art Sarcocystis oviformis bestimmt, im zweiten Fall konnte das CVUA Stuttgart die Art Sarcocystis silva bestimmen [2].

 

Pathogenese

Wie konnte es zu diesen Erkrankungen kommen? Die Ehepaare hatten doch die Regeln der guten Küchenhygiene eingehalten; das Fleisch gut und vollständig durchgegart sowie unverzüglich nach Zubereitung verzehrt! Für Sarkosporiden des Rehes gilt, anders als etwa für die entsprechenden Muskelparasiten des Schweines, der Mensch als Fehlwirt. Das bedeutet, dass eine Entwicklung im menschlichen Darm nicht erfolgt. Durch vollständiges Garen werden darüber hinaus diese Parasiten sicher abgetötet. In der Fachliteratur deuteten einzelne Fallberichte daraufhin, dass Sarkosporidien in gegartem Rehfleisch beim menschlichen Fehlwirt gastrointestinale Symptome verursachen können [3]. Ursächlich für diese Erkrankung ist wahrscheinlich eine Intoxikation infolge der Aufnahme einer sehr großen Anzahl an Sarkosporidienzysten.

 

Infokasten

Sarkosporidien beim Rehwild

Wildtiere beherbergen immer Parasiten, das ist ganz natürlich! Sarkosporiden sind einzellige zystenbildende Parasiten, welche Wildtiere, aber auch landwirtschaftliche Nutztiere, als Zwischenwirte nutzen. Im Zwischenwirt vermehren sich die Sarkosporiden ungeschlechtlich, sie bilden in der Muskulatur ihres Zwischenwirtes Zysten, die zahlreiche infektiöse Zystozoiten enthalten. Frisst der passende Endwirt, wie zum Beispiel ein Fuchs, das Muskelfleisch, entwickeln sich in seiner Darmwand durch geschlechtliche Vermehrung Oozysten, die mit dem Kot ausgeschieden und wiederum vom Zwischenwirt aufgenommen werden [4]. Bei geringem Befall (Abb. 2) bleibt diese Parasitose sowohl beim End- als auch beim Zwischenwirt klinisch unauffällig.

 

Abb. 2: Einzelne Sarkosporidienzysten (dunkelrotviolett) in der Muskulatur eines Rehs.

Abb. 2: Einzelne Sarkosporidienzysten (dunkelrotviolett) in der Muskulatur eines Rehs

 

Dürfen wir unseren Rehbraten trotzdem genießen?

Die Gefahr, durch den Genuss vollständig gegarten Wildfleisches eine Magendarmerkrankung zu erleiden, ist gering. Dem Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart waren derartige Erkrankungen zuvor nicht bekannt geworden. Eher müssen dagegen Freunde des „Rare“ oder „Medium rare“ gebratenen Fleisches mit, allerdings bakteriell bedingten [1], Erkrankungen rechnen. In den hier vorgestellten besonderen Fällen führte offensichtlich der außergewöhnlich massive Sarkosporidenbefall dieser Rehe zu Erkrankungen der betroffenen Personen.

 

Ausblick

Das CVUA Stuttgart nimmt die Erkrankungsfälle zum Anlass, in den Jahren 2020 bis 2021 ein Projekt zum histologischen Screening von Rehfleischproben durchzuführen.

 

Infokasten

Hygiene bei Wildfleisch!
Was können Jägerinnen und Jäger tun?

Jäger und Jägerinnen müssen nach den Vorschriften der Tier-LMHV [5] beim Erlegen, Aufbrechen und Zerwirken des Wildes auf Merkmale achten, die das Fleisch als gesundheitlich bedenklich erscheinen lassen, zum Beispiel abnorme Verhaltensweisen, Geschwülste oder Abszesse, erhebliche Abweichungen der Muskulatur oder der Organe. Stellt der Jäger solche Merkmale fest, muss er das Wild bei seinem Veterinäramt zur amtlichen Fleischuntersuchung anmelden, unabhängig davon, ob er das Fleisch für seine Familie verwenden oder an andere abgeben will. Die einzelnen Zysten der meisten Sarkosporidienarten sind mit bloßem Auge allerdings nicht zu erkennen, erst bei einem massiven Befall ist mit „erheblichen Abweichungen der Muskulatur“, wie eine abweichende, hellere Farbe, eine weichere Konsistenz, zu rechnen. Die sind dann wirklich gesundheitlich bedenklich! Die Jäger und Jägerinnen sollten sich vorsichtshalber auch in Zweifelsfällen an ihr Veterinäramt wenden!
Obwohl Rehe zu einem hohen Anteil von Sarkosporidien befallen sind, ist ein solch massiver, für den Menschen gesundheitlich bedenklicher Befall bei erlegtem Rehwild vermutlich selten, vergleichbare Erkrankungsfälle sind den Untersuchungsämtern bisher nicht bekannt geworden.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

Quellen

[1] Krankmachenden Lebensmitteln auf der Spur; Jahresbilanz der Abteilungen für Lebensmittelmikrobiologie der Untersuchungsämter 2019.
[2] Gjerde, B.: Phylogenetic relationships among Sarcocystis species in cervids, cattle and sheep inferred from the mitochondrial cytochrome c oxidase subunit I gene. Int J Parasitol. 2013 Jun; 43 (7):579–91.
doi: 10.1016/j.ijpara.2013.02.004.
[3] Schulze, K., Zimmermann, T. (1982): Sarkosporidienbefall beim Rehwild mit lebensmittel- bzw. fleischhygienischer Bedeutung. Fleischwirtschaft 92, 1086–1988
[4] Tenter, A.M. (2006): Protozoeninfektionen der Wiederkäuer. In: Schnieder, T. (Hrsg.): Veterinärmedizinische Parasitologie, Verlag Parey Berlin, 6. Aufl., 138–144
[5] Tier-LMH: Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 2018 (BGBl. I S. 480, 619, 1844), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1480)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 14.12.2020