Krankmachenden Lebensmitteln auf der Spur

Jahresbilanz 2019 der Abteilungen für Lebensmittelmikrobiologie der Untersuchungsämter

Dr. Dagmar Otto-Kuhn, CVUA Stuttgart

 

Mikrobiologische und molekularbiologische Lebensmitteluntersuchungen

Salmonellen-Untersuchungen

Salmonellen in verzehrfertigen Lebensmitteln

Salmonellose durch rohes Bratwurstbrät

Untersuchungen auf EHEC-Infektionserreger

VTEC in verzehrfertigen Lebensmitteln

Hämorrhagische Enterokolitis nach Rohmilchgenuss

Listerien-Untersuchungen

Listeria monocytogenes im heimischen Kühlschrank – Erreger eingekauft und vermehrt!

Untersuchungen auf Bacillus cereus

Untersuchungen auf Clostridium perfringens

Weihnachtsfeier mit unseligen Folgen

Staphylococcus aureus-Untersuchungen

Kartoffelsalat mit Staphylokokken-Enterotoxin

Campylobacter-Untersuchungen

Untersuchungen auf Viren

Nachweis von Noroviren in Radieschensprossen

Untersuchungen auf Histamin

 

Mikrobiologische und molekularbiologische Lebensmitteluntersuchungen

Die Untersuchung von Lebensmitteln auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit ist eine wichtige Aufgabe der amtlichen Überwachung zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher. In Baden-Württemberg wird diese Aufgabe von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern in Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Stuttgart wahrgenommen. Im Jahr 2019 untersuchten die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter insgesamt 13042 Proben auf mikrobiologische Parameter, davon waren 8583 Planproben und 4459 Anlassproben (Tabelle 1). Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurden 892 Planproben (10,4 %) und 804 Proben, die aus konkretem Anlass, zum Beispiel Verdacht auf Hygienemängel oder als Erkrankungsprobe erhoben worden waren (18,0 %), beanstandet. Bei 736 Proben wurde darüber hinaus auf Mängel hingewiesen. 18 (0,1 %) Proben wurden als gesundheitsschädlich beurteilt. 550 Proben (4,2 %) waren aufgrund des mikrobiologischen Untersuchungsbefundes nicht zum menschlichen Verzehr geeignet. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen wiesen bei 960 Proben auf erhebliche Hygienemängel (7,4 %) hin.

 

Tabelle 1: Anzahl der im Jahr 2019 in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern mikrobiologisch untersuchten und beanstandeten Lebensmittelproben
 
Proben, gesamt
Planproben
Anlassproben
Mikrobiologisch untersuchte Lebensmittel
13042
8583
4459
davon beanstandet
1696 (13,0 %)
892 (10,4 %)
804 (18,0 %)
bemängelt
736 (5,6 %)
525 (6,1 %)
211 (4,7 %)
Beanstandungsgründe:
 
 
 
gesundheitsschädlich
18 (0,1 %)
5 (0,1 %)
13 (0,3 %)
nicht zum Verzehr geeignet
550 (4,2 %)
78 (0,9 %)
472 (10,6 %)
Hygienebeanstandung
960 (7,4  %)
391 (4,6 %)
569 (12,8 %)
Sonstige
744 (5,7 %)
585 (6,8 %)
159 (3,6 %)

 

Krankmachenden Lebensmittelkeimen auf der Spur in Baden-Württemberg

Lebensmittelproben, die aufgrund einer Erkrankung erhoben werden, werden für Baden-Württemberg zentral im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart mikrobiologisch untersucht. Dort wurden im Jahr 2019 in Zusammenhang mit mutmaßlich lebensmittelbedingten Erkrankungen insgesamt 1288 Erkrankungsproben zu 290 Erkrankungsfällen bearbeitet. Einzelerkrankungen traten ebenso auf wie Gruppenerkrankungen mit über 50 Betroffenen. Ein Vergleich der Anzahl der mutmaßlich lebensmittelbedingten Erkrankungsfälle über die letzten neun Jahre deutet auf einen abnehmenden Trend hin (Tabelle 2). Ob diese Entwicklung nicht nur rein zufällig ist, sondern erfreuliches Ergebnis einer verbesserten Lebensmittelhygene, werden erst die kommenden Jahre zeigen.

 

Tabelle 2: Im Zusammenhang mit lebensmittelbedingten Erkrankungen eingesandte Proben
Jahr
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
Zahl der Erkrankungsfälle
429
413
325
353
350
323
367
295
293
290
Zahl der Erkrankungsproben
1561
1694
1327
1563
1339
1261
1446
1437
1228
1288

 

18 Lebensmittelproben (Erkrankungsproben und andere Anlassproben sowie Planproben) wurden von den Untersuchungsämtern aufgrund einer mikrobiellen Kontamination als gesundheitsschädlich beurteilt. In den betreffenden Proben waren die Lebensmittel-Infektionserreger Listeria monocytogenes, verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC) und Noroviren oder die Lebensmittel-Intoxikationserreger Staphylococcus aureus, Bacillus cereus und Clostridium perfringens, deren gesundheitsschädliches Gift (Staphylokokken-Enterotoxin, Cereulid-Toxin) oder durch mikrobiellen Verderb erzeugte toxische Eiweißabbauprodukte (Histamin) in einer gesundheitsschädigenden Keimmenge bzw. Konzentration im verzehrfertigen Lebensmittel nachgewiesen worden.

 

Betroffen waren sehr unterschiedliche Lebensmittel, mehrfach nur die schon aus vorherigen Jahren bekannte Zwiebelmettwurst. Krankheitserreger wurden nicht nur in Lebensmitteln tierischer Herkunft, sondern auch in pflanzlichen Lebensmitteln nachgewiesen. So mussten Radieschensprossen, Gurken- und Kartoffelsalat und Spätzle als gesundheitsschädlich beurteilt werden. Die meisten der Proben waren aus der Gastronomie oder dem Einzelhandel entnommen worden. Einige Lebensmittel, kontaminiert mit dem Lebensmittel-Infektionserreger Listeria monocytogenes in besonders hohen Keimzahlen, stammten direkt aus dem Kühlschrank des Verbraucherhaushaltes.

 

Obwohl sie Krankheitserreger enthielten oder sogar nachweislich bereits Erkrankungen verursacht hatten, konnten rohe, nicht verzehrfertige Lebensmittel hingegen formal nicht als gesundheitsschädlich beurteilt werden. Diese Lebensmittel waren laut Kennzeichnung oder allgemeiner Verkehrsauffassung zum Verzehr in gegartem Zustand bestimmt. In der dargestellten Statistik erscheinen diese Lebensmittel daher nicht, die Fälle werden jedoch in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben.

 

Alle als gesundheitsschädlich beurteilten Lebensmittel sind in Tabelle 3 aufgeführt, die Grafik zeigt die anteilmäßige Bedeutung der Erreger.

 

Tabelle 3: Lebensmittel, die 2019 als gesundheitsschädlich beurteilt wurden
Gesundheitsschädliches Agens Betroffene Lebensmittel
Anzahl Proben
L. monocytogenes Feine Mettwurst
2
L. monocytogenes Zwiebelmettwurst
1
L. monocytogenes Frischwurstaufschnitt
1
L. monocytogenes Schinken-Rotwurst
1
L. monocytogenes Gurkensalat
1
L. monocytogenes Sauermilcherzeugnis
1
VTEC/STEC Rinderhackfleisch
1
VTEC/STEC Zwiebelmettwurst
2
VTEC/STEC Bergkäse
1
Noroviren Radieschensprossen
1
Histamin Thunfischfleisch aus Konserve, offen
2
Histamin Makrelenfilets
1
Clostridium perfringens Rinderbraten mit Soße
1
Staphylokokken-Enterotoxin und
Bacillus cereus
Kartoffelsalat
1
Bacillus cereus und Cereulid Spätzle
1

 

Grafik: Anzahl gesundheitsschädlicher Lebensmittel mit mikrobieller Ursache 2019, aufgeschlüsselt nach Krankheitserregern bzw. gesundheitsschädlichem Agens.

Grafik: Anzahl gesundheitsschädlicher Lebensmittel mit mikrobieller Ursache 2019, aufgeschlüsselt nach Krankheitserregern bzw. gesundheitsschädlichem Agens

 

Salmonellen-Untersuchungen

Eine Lebensmittelinfektion durch Salmonellen führt in der Regel 12 bis 36 Stunden nach dem Verzehr des Lebensmittels zu Krankheitssymptomen wie Kopfschmerzen, Unwohlsein, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber und Durchfall. Die Symptome sind bei Kleinkindern und alten Menschen am schwersten.

 

Salmonellen-Untersuchungen in Baden-Württemberg

7002 Lebensmittelproben wurden von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern 2019 auf Salmonellen untersucht. In 50 Proben (0,7 %) wurden Salmonellen nachgewiesen. Salmonellen wurden am häufigsten in rohem Geflügelfleisch (26 von 370 = 7 % aller Geflügelfleischproben), in rohem Schweinefleisch bzw. Schweine-schlachtkörpern (11 von 487 = 2,3 % der untersuchten Schweinefleisch-proben), in rohem Hackfleisch (5 von 279 = 1,8 % der untersuchten Hackfleischproben) gefunden, nur vereinzelt erfolgten Nachweise in Kalb- und Rindfleisch. Dabei wurden neben den bekannten Salmonella-Serovaren Salmonella Typhimurium (8 Nachweise) und Salmonella Infantis (13 Nachweise), Salmonella Derby (6 Nachweise), Salmonella Enteritidis (1 Nachweis), einige seltenere Serovare (Salmonella Brandenburg, Bredeney, Kentucky, München, Newport, Saintpaul und Paratyphi) nachgewiesen. In Proben von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft wurden Salmonellen im Jahre 2019 nicht nachgewiesen.

Abb. 1: Salmonellen auf Rambach-Nährboden.

Abb. 1: Salmonellen auf Rambach-Nährboden

 

Salmonellen in verzehrfertigen Lebensmitteln

Salmonellen sind Zoonoseerreger, die von Tieren und Menschen ausgeschieden werden, auf Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft gelangen und schwere Lebensmittelinfektionen hervorrufen können. Der Nachweis von Salmonellen in rohem Geflügel- und in rohem Schweinefleisch zeigt, wie wichtig vollständiges Durchgaren vor dem Verzehr und gute Küchenhygiene sind, um Kreuzkontaminationen bei der Zubereitung in der Küche zu vermeiden. Auffällig häufig fanden die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter im vergangenen Jahr Salmonellen in rohem Hähnchenfleisch, das für den Grill oder für sogenannte Dönerspieße gewürzt und grillfertig vorbereitet war. Zwar sind diese Hähnchenfleischzubereitungen dafür bestimmt, erst nach vollständigem Durchgaren verzehrt zu werden. Leider ist leicht vorstellbar, wie schnell sowohl beim gartenfestlichen Grillen als auch in der Schnellgastronomie hier etwas schief gehen und Salmonellen die Feiernden und die Kunden gefährden könnten.

 

Salmonellose durch rohes Bratwurstbrät

Die insgesamt niedrigen Nachweisraten sollten nicht zu leichtsinnigem Umgang mit rohen tierischen Lebensmitteln verführen! Vier Personen erkrankten an Salmonellose mit Fieber und Durchfall, nachdem sie gemeinsam rohes Bratwurstgut, das bestimmungsgemäß hätte gebraten werden sollen, als Mett verzehrt hatten. Zwei Personen mussten stationär behandelt werden.

Das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart wies in den durch die Lebensmittelüberwachung sichergestellten Resten Salmonella Typhimurium nach [1].

 

Abb. 2/1: Anreicherungsmedien zum Nachweis von Salmonellen.

Abb. 2/1: Anreicherungsmedien zum Nachweis von Salmonellen

 

Abb. 2/2: Arbeiten im mikrobiologischen Labor.

Abb. 2/2: Arbeiten im mikrobiologischen Labor

 

Untersuchungen auf EHEC-Infektionserreger

EHEC-Infektionen werden durch Escherichia coli-Bakterien verursacht, welche bestimmte Toxine bilden können. Sie werden als verotoxinbildende E. coli (VTEC) oder auch Shiga-Toxin-bildende E. coli (STEC) bezeichnet. VTEC sind grundsätzlich als potentielle EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) anzusehen, die sehr schwere Humanerkrankungen auslösen können. Mit Keimzahlen von unter 100 ist die Infektionsdosis sehr gering. Manche VTEC-Infektionen verlaufen symptomlos und bleiben daher unerkannt, die Infizierten können aber Keime ausscheiden. Etwa ein Drittel der Erkrankungen manifestiert sich als Durchfall mit Übelkeit, Erbrechen und zunehmenden Bauchschmerzen. Entwickeln können sich daraus schwere Verlaufsformen mit hämorrhagischer Enterokolitis (blutige Darmentzündung), starken Bauchschmerzen, blutigem Stuhl und häufig auch Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und immungeschwächte Personen erkranken besonders schwer. Als schwerwiegendste Komplikation entwickelt sich das lebensgefährliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das irreversibles Nierenversagen zur Folge haben kann. Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer (Rehe und Hirsche) werden als das Hauptreservoir für EHEC angesehen, sie scheiden die verotoxinbildenden E. coli mit dem Kot aus, ohne selbst zu erkranken.

 

VTEC-Untersuchungen in Baden-Württemberg

705 Lebensmittelproben wurden 2019 von den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern auf VTEC untersucht. Der Nachweis von VTEC aus Lebensmitteln umfasst eine aufwändige Kombination von klassisch-kulturellen und molekularbiologischen Untersuchungsverfahren. Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter wiesen im Jahr 2019 VTEC in 45 Proben nach. Dabei handelte es sich ausschließlich um Lebensmittel tierischen Ursprungs, betroffen waren vor allem rohes Rind- Schaf- und Wildfleisch, rohe Fleischzubereitungen und Hackfleisch sowie Rohmilch.

 

Abb. 3: VTEC auf Selektivagar.

Abb. 3: VTEC auf Selektivagar

 

VTEC in verzehrfertigen Lebensmitteln

Rinder-Steaks und Damwildkeule werden vor dem Verzehr in der Pfanne oder im Schmortopf bestimmungsgemäß gut durchgebraten und die VTEC-Keime damit abgetötet und unschädlich gemacht. Hackfleisch dagegen wird regional auch gerne roh verzehrt, appetitlich hergerichtet mit Ei und Zwiebeln! Die vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter wiesen potentiell pathogene VTEC-Keime nicht nur in rohem Fleisch, sondern auch in frischen Zwiebelmettwürsten und Hartkäse aus Rohmilch nach, Lebensmittel, die stets ohne vorherige keimabtötende Erhitzung verzehrt werden. Diese verzehrfertigen Lebensmittel wurden als gesundheitsschädlich beurteilt.

 

Abb. 4: Bakterien-Identifizierung mit MALDI-TOF.

Abb. 4: Bakterien-Identifizierung mit MALDI-TOF

 

Hämorrhagische Enterokolitis nach Rohmilchgenuss

Den geltenden veterinärhygienischen Vorschriften zufolge darf Rohmilch aus gesundheitlichen Gründen grundsätzlich gar nicht an Verbraucher abgegeben werden Zwei Ausnahmen gibt es jedoch: „Vorzugsmilch“ mit besonders strengen Hygieneanforderungen an Gewinnung und Vermarktung und „Milch-ab-Hof“. Landwirte bieten die „Milch-ab-Hof“-Milch immer häufiger in Milchautomaten zur Selbstbedienung an. Bei der Abgabe von Rohmilch ab Hof muss der Milcherzeuger deutlich darauf hinweisen, dass die Rohmilch vor dem Verzehr abzukochen ist. Leider halten sich Milchliebhaber nicht immer an diese Empfehlung. Nach Verzehr von Rohmilch, die aus einem Milchautomaten gezapft worden war, erkrankte ein Rentner an einer blutigen Darmentzündung. In den Rohmilch-Proben wies das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart verotoxinbildende Escherichia coli nach [2].

 

Der Nachweis verotoxinbildender Escherichia coli in Rohmilch vom Bauernhof ist offensichtlich kein Einzelfall, denn die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter fanden im gleichen Jahr in vier weiteren „Milch-ab-Hof“-Proben, in acht weiteren Rohmilchproben, die aus Milchtanks entnommen worden waren, sowie in einer Schafsmilch VTEC.

 

Abb. 5: Arbeiten im S3**-Labor zum Nachweis hochpathogener Erreger.

Abb. 5: Arbeiten im S3**-Labor zum Nachweis hochpathogener Erreger

 

Listerien-Untersuchungen

Listeriose, die durch Listeria monocytogenes verursachte lebensmittelbedingte Erkrankung, ist zwar selten, verläuft jedoch mit sehr schwerer Symptomatik und hoher Letalität. Besonders gefährdet sind Schwangere, Immungeschwächte und ältere Menschen. Listeriose während der Schwangerschaft kann zu Aborten, Früh- oder Totgeburten oder zur Geburt schwerkranker Babys führen. Bei immungeschwächten Patienten kann die Listeriose mit sehr schweren Symptomen wie Sepsis (Blutvergiftung), Meningoenzephalitis (Gehirn- und Gehirnhautentzündung) und Endokarditis (Herzentzündung) einhergehen. Bei immunkompetenten erwachsenen Personen verläuft die Infektion dagegen meist symptomlos oder führt zu einer milderen Magen-Darm-Infektion.

 

Listeriose stellt keine Zoonose im klassischen Sinne dar, obwohl auch Nutztiere erkranken und den Keim ausscheiden können. Eher könnte die Listeriose als „Sapronose“, als „Schmutzkrankheit“ bezeichnet werden. Menschen können sich durch Verzehr kontaminierter Lebensmittel infizieren. Für Lebensmittelbetriebe stellen Listerien eine große Herausforderung dar, in vielen Betriebe existieren zahlreiche geeignete „Biotope“, in denen sich die Keime festsetzen, vermehren, hartnäckige Biofilme bilden und so zur dauerhaften Kontaminationsquelle werden können. So bleibt die ständige Herausforderung der Lebensmittelbetriebe mittels guter Hygienepraxis, optimierter Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren und Eigenkontrollen nach dem Prinzip des HACCP-Konzeptes ausreichende Sicherheitshürden zum Kontaminationsschutz um das Lebensmittel herum zu errichten, aufrecht zu erhalten und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Listerien sind immer als Hygieneindikatoren zu bewerten. Werden Listerien in Lebensmitteln gefunden, müssen daher dringend betriebliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Betriebs- und Produktionshygiene zu verbessern.

 

Listeria monocytogenes‘ Sonderrolle als Lebensmittel-Infektionserreger spiegelt sich im gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerecht deutlich wieder: Listeria monocytogenes ist der einzige Keim, für den die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 [3]. Sicherheitskriterien für sämtliche verzehrfertigen Lebensmittel festlegt. Lebensmittelbetriebe haben nach gemeinschaftlichem Lebensmittelhygienerecht die Einhaltung der Sicherheitskriterien durch Eigenuntersuchungen nachzuweisen; auch sind Umgebungsuntersuchungen vorgeschrieben, um Kontaminationsquellen im Betrieb aufzudecken. Die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 legt bei verzehrfertigen Lebensmittel als Sicherheitskriterium für Listeria monocytogenes  einen oberen Grenzwert von 100 KbE/g fest, Lebensmittel mit Keimgehalten über 100 KbE/g gelten als gesundheitsschädlich.

 

Listerien-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter untersuchten im Berichtsjahr 9236 Lebensmittelproben und 805 Hygienetupfer aus Lebensmittelbetrieben auf Listerien. Listeria monocytogenes wurde in 145 Lebensmittelproben und 22 Hygienetupfern aus Lebensmittelbetrieben qualitativ mittels Anreicherung nachgewiesen. Dazu werden von dem Lebensmittel 25 Gramm entnommen und in speziellen Anreicherungsmedien über mehrere Stufen so inkubiert, dass auch vereinzelte Keime noch gefunden werden. Diese Proben mit geringen Keimzahlen von L. monocytogenes, die sich nur qualitativ nachweisen lassen, gelten zwar noch nicht als gesundheitsschädlich, der Nachweis zeigt jedoch ein erhebliches hygienisches Problem im verantwortlichen Lebensmittelbetrieb auf. Bei einigen Lebensmitteln ist zudem eine Vermehrung von L. monocytogenes innerhalb der Haltbarkeitsfrist in der vorverpackten Ware zu befürchten. In 45 Proben war L. monocytogenes in zählbarer Menge (quantitativ) nachweisbar, die Keimzahl lag bei diesen Proben bei mindestens 10 koloniebildenden Einheiten pro Gramm Lebensmittel (KbE/g). L. monocytogenes wurde in Rohfleisch und Rohfleischerzeugnissen, aber auch in verzehrfertigen Produkten wie Roh- und Brühwürsten (49 Proben mit qualitativem Nachweis, 17 Proben mit Keimzahlen von mindestens 10 KbE/g) und in Fischereierzeugnissen (9 Proben mit qualitativem Nachweis, 2 Proben mit Keimzahlen von mindestens 10 KbE/g) nachgewiesen. Bei diesen handelte es sich um Räucherlachs, geräucherten Saibling und Muscheln.
L. monocytogenes wurde auch in 2 Käseproben, 2 Proben von Teigwaren, 4 Fertiggerichten, 3 Feinkostsalaten und 7 rein pflanzlichen Erzeugnissen nachgewiesen. Eine Gefahr für den Menschen stellen diejenigen mit L. monocytogenes kontaminierten Lebensmittel dar, die vor dem Verzehr üblicherweise nicht durcherhitzt werden. 2019 wurden 7 Lebensmittel als gesundheitsschädlich beurteilt, weil L. monocytogenes in Konzentrationen von über 100 KbE/g im verzehrfertigen Produkt nachgewiesen wurde. Dies waren Mett- und Zwiebelmettwürste, Wurstaufschnitt, Schinken-Rotwurst, Gurkensalat und Sauermilcherzeugnis.

 

Abb. 6: Listeria monocytogenes auf Selektivagar.

Abb. 6: Listeria monocytogenes auf Selektivagar

 

Die Untersuchungsergebnisse der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter mit dem Nachweis von Listeria monocytogenes in 145 Lebensmittelproben und 22 Hygienetupfern im Jahre 2019 zeigen, dass in vielen Betrieben ein erhebliches Hygienerisiko vorhanden ist.

Aber Vorsicht! Gefahren lauern auch im Verbraucherhaushalt: Nach Schätzung der EFSA (European Food Safety Authority) ist ein Drittel der Listeriose-Fälle auf das Wachstum von L. monocytogenes in Lebensmitteln zurückzuführen, die zu Hause zubereitet oder im Kühlschrank aufbewahrt werden (BfR, 2018) [4].

 

Abb. 7: Beimpfen von Nährböden im mikrobiologischen Labor.

Abb. 7: Beimpfen von Nährböden im mikrobiologischen Labor

 

Listeria monocytogenes im heimischen Kühlschrank – Erreger eingekauft und vermehrt!

Listeriose ist überwiegend eine Erkrankung älterer Personen. Das hat vor allem zwei Gründe: Ältere Personen sind häufiger in ihrer Immunabwehr geschwächt und schon daher für die meisten bakteriellen und viralen Infektionen empfänglicher, aufgrund bestehender Vorerkrankungen ist ein ernster Krankheitsverlauf zu befürchten. Viele ältere Personen haben einen geringeren Verzehr, lehnen aber aus ethischen Gründen die Entsorgung lang gelagerter Lebensmittel ab. Mit der Lagerdauer steigt jedoch das Risiko, dass sich vorhandene Erreger bis zu gesundheitsschädlichen Keimmengen vermehren könnten.

 

Eine ältere Dame erkrankte an Listeriose. Das Zentrallabor für lebensmittelbedingte Erkrankungen des CVUA Stuttgart wies in einer geöffneten Packung Blutwurstaufschnitt aus dem Kühlschrank des Patientenhaushaltes Listeria monocytogenes in einer Keimzahl von über 3,0x10KbE/g nach. In der Nachprobe des entsprechenden Erzeugnisses, welche in verpackter Form von der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Einzelhandel entnommen worden war, gelang der qualitative Nachweis von L. monocytogenes mittels Anreicherungsverfahren. Mittels FTIR-Spektroskopie wurde die Übereinstimmung von Patienten- und Lebensmittelisolaten bestätigt.

 

Abb. 8: Feste Nährmedien im Brutschrank.

Abb. 8: Feste Nährmedien im Brutschrank

 

Untersuchungen auf Bacillus cereus

Bacillus cereus ist ein weit verbreiteter Umweltkeim. Die Sporen, sehr stabile Überdauerungsformen dieser Mikroorganismen, finden sich überall im Boden, im Staub, im Darmtrakt von Menschen und Tieren und gelangen durch Umweltkontaminationen in Lebensmittel. B. cereus ist ein potentieller Lebensmittelvergifter, er bildet das sehr hitzestabile emetische Toxin Cereulid, welches Übelkeit und Erbrechen hervorruft, und Enterotoxine, die Durchfall verursachen.

 

Bacillus cereus-Untersuchungen in Baden-Württemberg

2019 wurden 5463 Lebensmittelproben auf Bacillus cereus untersucht, in 261 Proben (4,8 %) wurde dieser Umweltkeim nachgewiesen, in der Regel jedoch in gesundheitlich unbedenklicher Menge. Zur Auslösung einer Lebensmittelvergiftung durch B. cereus sind laut Literaturangaben Mindestkeimgehalte von 105 und 10KbE/g Lebensmittel erforderlich. Von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) wird als B. cereus-Warnwert für viele Lebensmittel eine Menge von 10KbE/g angegeben. Krankheitssymptome, verursacht durch das im Lebensmittel gebildete emetische Toxin, treten üblicherweise 0,5 bis 6 Stunden, verursacht durch die erst im Darm gebildeten Enterotoxine, 6 bis 24 Stunden nach Verzehr des kontaminierten Lebensmittels auf.

Bei durcherhitzten Lebensmitteln ist der mittels LC-MS/MS durchgeführte Nachweis des emetischen B. cereus-Toxins (Cereulid) die einzige Möglichkeit, die Ursache einer Erkrankung aufzuklären. Dieses Toxin ist hitzestabil, während die toxinbildenden B. cereus-Keime durch den Erhitzungsvorgang abgetötet werden und kulturell nicht mehr nachzuweisen sind. 2019 wurden 95 verdächtige Lebensmittel auf Cereulid untersucht. In einer Probe Spätzle wurde dieses Toxin nachgewiesen.

Abb. 9/1: Ausspateln der Verdünnung auf Selektiv-Nährboden.

Abb. 9/1: Ausspateln der Verdünnung auf Selektiv-Nährboden

 

Abb. 9/2: Bacillus cereus auf MYP-Nährboden.

Abb. 9/2: Bacillus cereus auf MYP-Nährboden

 

Untersuchungen auf Clostridium perfringens

Clostridium perfringens ist wie Bacillus cereus ein überall in der Umwelt vorkommender Keim und potentieller Lebensmittelvergifter, im Gegensatz zu den Bacillus spp. wächst C. perfringens allerdings ohne Sauerstoff (anaerob). Seine enorm widerstandsfähigen Sporen finden sich in Fäkalien, Staub, Erdboden, Abwasser und können von dort aus Lebensmittel kontaminieren. Bakteriensporen sind hitzestabil, Kochtemperaturen reichen zur Inaktivierung nicht aus! Das aktive C. perfringens -Enterotoxin entsteht erst im Dünndarm der betroffenen Personen, zu Erkrankungen kommt es nach Aufnahme von106 bis 10Keimen pro Gramm Lebensmittel. Solche Toxiinfektionen ereignen sich immer wieder im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung, bei der große Essensportionen zubereitet und längere Zeit in Thermophoren warmgehalten werden. Ungenügend heißes und zu langes Warmhalten von Speisen fördert das Auskeimen der Sporen und die rasche Vermehrung dieser Toxinbildner. Heißhaltung der Speisen bei über +65 °C gewährleistet die mikrobiologische Sicherheit.

 

Clostridium perfringens-Untersuchungen in Baden-Württemberg

229 Proben wurden im Jahre 2019 gezielt auf Clostridium perfringens untersucht, nachdem in den Lebensmitteln verdächtige Keime gefunden worden waren. Der Krankheitserreger wurde in 17 Lebensmittelproben, verschiedenen Fleischerzeugnissen, Teigwaren und Mehlen, nachgewiesen. In verzehrfertigen Speisen könnten sich die Erreger bei ungenügender Kühlung oder ungenügender Heißhaltung rasch bis zu gesundheitlich bedenklichen Keimzahlen vermehren.

 

Weihnachtsfeier mit unseligen Folgen

Termingerecht und gleichzeitig eine große Zahl von Personen mit einem warmen Menü zu versorgen, stellt gewisse Herausforderungen an küchentechnische Kenntnisse und logistische Fähigkeiten, denn das Zubereiten und Heißhalten größerer Speisenmengen ist mit Risiken verbunden. Diese Aufgabe überforderte offensichtlich die Kenntnisse und Fähigkeiten des Partyservices. Dabei hatte sich der Unternehmer über den lukrativen Auftrag, für eine große Gemeindeweihnachtsfeier die warme Mahlzeit liefern zu dürfen, doch so gefreut. Nach dem Verzehr von Rinderbraten mit Soße, Knödeln und Spätzle litten 50 Personen an kolikartigen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Die Reste der Mahlzeit wurden dem CVUA Stuttgart zur Untersuchung vorgelegt.

 

Im Rinderbraten mit Soße wies das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart Clostridium perfringens in sehr hoher Keimzahl nach. Die molekularbiologische Identifizierung der Keime bewies ihre genetisch fixierten pathogenen Fähigkeiten. Auch in den Knödeln war C. perfringens, wenn auch in geringerer Keimzahl vorhanden. Das Zentrallabor für Erkrankungsproben fand zudem in den Spätzle Bacillus cereus in einer sehr hohen Keimzahl von über 106 KbE/g, obendrein konnte das Toxinlabor des CVUA Stuttgart das Cereulid-Toxin in geringer Menge nachweisen.

 

Die thermoduren Sporen konnten während einer Warmhaltephase mit zu niedrigen Temperaturen auskeimen, die vegetativen Keime sich sodann stark vermehren. Zum Schaden aller Gäste der Weihnachtfeier hatte dieser Partyservice sämtliche Sicherheitsregeln für das Warmhalten von Speisen missachtet.

 

Abb. 10: Identifizierung gefährlicher Pathogener in der Sterilen Werkbank.

Abb. 10: Identifizierung gefährlicher Pathogener in der Sterilen Werkbank

 

Staphylococcus aureus-Untersuchungen

Staphylococcus aureus ist ein potentieller Lebensmittel-Intoxikationserreger. Staphylokokken-Enterotoxine, gesundheitsschädliche Gifte dieses Keimes, können ab einer Keimkonzentration von 105 bis 106 Keimen pro Gramm Lebensmittel krankheitsauslösend wirken. Typisch für eine Staphylokokken-Intoxikation sind mit Erbrechen einhergehende, massive Kreislaufbeschwerden. Diese treten in der Regel etwa eine halbe Stunde bis drei Stunden nach dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel auf.

 

Ein hoher Gehalt an Staphylococcus aureus spricht für Hygienefehler bei der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln. S. aureus kommt beim Menschen im Nasen-Rachen-Raum, auf Haut und Schleimhäuten vor. S. aureus ist auch Erreger eitriger Entzündungen bei Mensch und Tier. Werden Lebensmittel infolge mangelhafter Personalhygiene mit toxinbildenden Staphylokokken kontaminiert und dann auch noch unsachgemäß gelagert, können sich die Staphylokokken massenhaft vermehren und Enterotoxin bilden. Das von Staphylokokken gebildete Toxin ist hitzestabil. Es wird durch das Erhitzen des Lebensmittels daher nicht inaktiviert.

 

Abb. 11: Staphylococcus aureus zeigt auf Blutagar typische Hämolyse, hier wurden Verdünnungsstufen für die Keimzählung aufgetragen.

Abb. 11: Staphylococcus aureus zeigt auf Blutagar typische Hämolyse, hier wurden Verdünnungsstufen für die Keimzählung aufgetragen

 

Staphylococcus aureus-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Im Jahr 2019 wurden 6573 Lebensmittelproben auf Staphylococcus aureus untersucht. In 78 Proben wurde dieser Keim nachgewiesen. Bei 161 Erkrankungs- und Verdachtsproben wurden Untersuchungen zum Nachweis des Staphylokokken-Enterotoxins durchgeführt. Das Enterotoxin wurde in lebensmittelhygienisch relevanter Menge in einer Probe Kartoffelsalat nachgewiesen.

 

Kartoffelsalat mit Staphylokokken-Enterotoxin

Küchenhygiene ist auch im Privathaushalt wichtig, um die eigene Familie und die lieben Gäste vor gefährlichen Lebensmittel-Intoxikationen und Lebensmittel-Infektionen zu schützen. Leider sind „hausgemachte“ Erkrankungen nicht selten. 9 Personen erkrankten wenige Stunden nach Verzehr selbst zubereiteten Kartoffelsalates an einer Staphylokokken-Enterotoxikose. Das Zentrallabor für Erkrankungsproben am CVUA Stuttgart wies im restlichen Kartoffelsalat Staphylococcus aureus in sehr hohen Keimzahlen von 10KbE/g und das von diesem Keim gebildete Enterotoxin nach. Während der Zubereitung waren offensichtlich Keime von Haut und Schleimhaut der Köche in den Salat gelangt, die sich danach ohne Kühlung auf dem Buffet über Stunden ungehemmt vermehren konnten.

 

Campylobacter-Untersuchungen

Die Campylobacter-Enteritis ist nach Angaben des Robert-Koch-Institutes die häufigste bakterielle meldepflichtige Krankheit in Deutschland (RKI, 2018) [5]. Die krankmachenden thermophilen Campylobacter-Keime (C. jejuni, C. coli und C. lari) werden meist mit rohen oder nicht vollständig gegarten Lebensmitteln aufgenommen. Bedeutendste Infektionsquellen sind Geflügelfleisch und Rohmilch. Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 5 Tagen treten Fieber, Schmerzen und Durchfall auf, der bis zu einer Woche anhält. Leider gelingt es nicht immer, den Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines bestimmten Lebensmittels und einer Campylobacter-Erkrankung nachzuweisen. Denn wenn erste Erkrankungssymptome auftreten, erinnert sich ein Patient oft nicht mehr an das vor Tagen verzehrte Lebensmittel, welches für eine Untersuchung auch gar nicht mehr zur Verfügung stünde.

 

Campylobacter-Untersuchungen in Baden-Württemberg

Untersuchungen auf thermophile Campylobacter-Keime wurden an 713 Lebensmitteln durchgeführt, in 80 Proben wurde Campylobacter nachgewiesen. Die Mehrzahl der Campylobacter-Nachweise erfolgte in rohem Geflügelfleisch (69 Proben). Geflügelfleisch, insbesondere von Schlachthähnchen, gilt als wichtigste Eintragsquelle für Campylobacter in die Lebensmittelkette. Diese Untersuchungsbefunde zeigen erneut, wie wichtig das vollständige Garen dieser rohen Lebensmittel und die Einhaltung einer guten Küchenhygiene sind. Bei einer bestimmungsgemäßen Behandlung durch vollständige Durcherhitzung, wie durch Kochen oder Braten vor dem Verzehr der Lebensmittel werden Campylobacter-Keime mit Sicherheit abgetötet. Aus frischem, rohem Fleisch von Hähnchen, Suppenhühnern, Puten und Perlhühnern wurden die pathogenen Spezies Campylobacter jejuni und C. coli isoliert, aus 3 Schweinefleischproben C. coli. C. lari wurde aus 5 Proben von frischen Miesmuscheln isoliert. In einer Rohmilchprobe wurde C. jejuni nachgewiesen.

 

Abb. 12/1: Brutapparat mit spezifischer Atmosphäre für thermophile Campylobacter.

Abb. 12/1: Brutapparat mit spezifischer Atmosphäre für thermophile Campylobacter

 

Abb. 12/2: Selektivnährboden für Campylobacter in Inkubatur.

Abb. 12/2: Selektivnährboden für Campylobacter in Inkubatur

 

Untersuchungen auf Viren

Noroviren sind hochinfektiöse Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen. Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion, über kontaminierte Nahrung oder durch Schmierinfektion übertragen und führen nach einer kurzen Inkubationszeit von ca. 12 bis 48 Stunden zu den typischen Symptomen einer Norovirus-Erkrankung: Übelkeit und massives Erbrechen begleitet von sehr starkem Durchfall und Bauchschmerzen. Infektionen mit Rotaviren verursachen ebenfalls massives Erbrechen und Übelkeit. Während Noroviren bei Menschen jeglichen Alters, besonders jedoch bei älteren Personen, zu schweren Infektionen führen, grassieren Rotavirus-Infektionen typischerweise in Kleinkindergruppen.

 

Abb. 13: Molekularbiologische Untersuchung auf Noroviren.

Abb. 13: Molekularbiologische Untersuchung auf Noroviren

 

Beim schwallartigen Erbrechen werden massenhaft Viruspartikel frei, über Tröpfchen- und Schmierinfektion stecken sich schnell weitere Personen an und erkranken ebenfalls. Noroviren verfügen über eine sehr hohe Infektiosität, schon 10 bis 100 Viruspartikel sind ausreichend, um Erkrankungen auszulösen. In Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Pflegeheimen führen Norovirus-Infektionen daher zu Gruppenerkrankungen mit einer großen Zahl von Erkrankten. Wie die meisten menschenpathogenen Viren werden auch Noroviren primär direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Eine Infektion über kontaminierte Lebensmittel ist ebenfalls möglich, die dafür ausreichende sehr geringe Anzahl an Viruspartikeln kann im Lebensmittel nur schwer detektiert werden. Der Nachweis im Patientenstuhl, in dem die Viren nach erfolgter Infektion massenhaft ausgeschieden werden, gelingt dagegen sehr leicht.

 

Untersuchungen auf Noro- und Rotaviren in Baden-Württemberg

Im Jahr 2019 wurden 618 Lebensmittelproben und Hygienetupferproben, die im Zusammenhang mit Erkrankungsausbrüchen in Betreuungseinrichtungen und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung erhoben worden waren, auf Noroviren untersucht. Noroviren wurden in einer Probe Radieschensprossen und in zwei Hygienetupferproben nachgewiesen. 43 Lebensmittelproben aus Kinderbetreuungseinrichtungen wurden auf Rotaviren untersucht, Rotaviren waren nicht nachweisbar.

 

Nachweis von Noroviren in Radieschensprossen

Ungemütliche Folgen eines gemütlichen Abendessens: Zwei Freundeskreise dinierten in derselben beliebten Gaststätte. Innerhalb der folgenden Stunden erkrankten sechs Personen heftig an Erbrechen, Durchfall und Fieber. Das Zentrallabor für Erkrankungsproben untersuchte mehrere Lebensmittelproben mikrobiologisch und molekularbiologisch auf ursächliche Krankheitserreger und wurde in den Radieschensprossen fündig. In dieser Rohkost konnte das CVUA Stuttgart die RNA von Noroviren mittels PCR nachweisen. Dieselben Gensequenzen wurden durch das Landesgesundheitsamt auch im Stuhl der erkrankten Gäste und sogar von Küchenpersonal nachgewiesen.

 

Abb. 14: Arbeiten im mikrobiologischen Labor.

Abb. 14: Arbeiten im mikrobiologischen Labor

 

Untersuchungen auf Histamin

Verdorbener Thunfisch aus geöffneten Konservendosen ist typischerweise Ursache der lebensmittelhygienisch relevanten Histamin-Intoxikation. Beim Verderb von Thunfischfleisch entstehen bakterielle Stoffwechselprodukte, die für Menschen toxisch sein können. Insbesondere gehört das biogene Amin Histamin dazu, welches durch Decarboxylierung der Aminosäure Histidin entsteht. Der toxische Schwellenwert wird für gesunde Personen im Bereich von 100 mg bei oraler Aufnahme angenommen. Die Symptome einer Histaminvergiftung sind typischerweise Mundbrennen, Hautrötungen und Kreislaufbeschwerden bis hin zum Kreislaufkollaps. Die ersten Symptome treten bereits wenige Minuten nach dem Verzehr des histaminhaltigen Lebensmittels auf.

 

Aufgrund hoher Histamingehalte wurden zwei Proben Thunfisch aus geöffneten Konserven, die in Gastronomiebetrieben entnommen worden waren, und Makrelenfilets aus einer Gemeinschaftsverpflegung als gesundheitsschädlich beurteilt. Bei der mikrobiologischen und toxinanalytischen Untersuchung wurden in Verbindung mit einer jeweils sehr starken Keimbelastung sehr hohe Histamingehalte (bis zu 5130 mg/kg) nachgewiesen. Fischfleisch in Konserven ist aufgrund der Herstellung praktisch steril. Die starken Keimbelastungen und die daraus resultierenden hohen Histamingehalte werden durch mikrobielle Kontamination und rasche Keimvermehrung nach dem Öffnen der Konservendose infolge unsachgemäßer Behandlung und Lagerung verursacht.

 

Literatur

[1]: CVUA Stuttgart: Krank durch rohe Bratwurst – NGS deckt auf

[2]: CVUA Stuttgart: Rohmilchkonsum führt zu schwerer Erkrankung eines 76-Jährigen

[3]: Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel (ABl. L 338/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/1495 vom 23. August 2017 (ABl. L 218/1)

[4]: Bundesinsitut für Risikobewertung (BfR): Listeriose 30/2018

[5]: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2018, RKI, Berlin 2019

 

Bildernachweis

CVUA Freiburg (Abbildungen 2/2, 9/1, 12/2, 14)

CVUA Stuttgart (übrige Abbildungen)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 14.04.2020