Alle Jahre wieder – Weihnachtsgebäck unter der Lupe

Dorothee Doludda, Dr. Rüdiger Weißhaar

 

Wie schon in den Vorjahren, wurde auch in der Vorweihnachtszeit 2017 am CVUA Stuttgart Weihnachtsgebäck auf Acrylamid und Cumarin untersucht. Das Ergebnis der Acrylamiduntersuchung von 46 Stichproben: Es gibt weiterhin große Schwankungen im Acrylamidgehalt. Die meisten Proben wiesen erfreulich niedrige Gehalte auf, der EU-Richtwert für Acrylamid wurde lediglich bei einer Lebkuchenprobe überschritten. Ebenfalls erfreulich sind die Ergebnisse der Cumarinuntersuchungen in Zimtsternen. 15 Stichproben wurden untersucht. Höchstmengenüberschreitung gab es keine.

 

Foto: Spekulatius.

 

Acrylamid in Lebkuchen und Spekulatius

Lebkuchen stehen schon seit Jahren weit oben auf der Hitliste der Acrylamid verdächtigen Lebensmittel. Sie enthalten reichliche Mengen an reduzierenden Zuckern (z.B. Glucose und Fructose aus Honig) und werden oft bei recht hohen Temperaturen gebacken, um den gewünschten Bräunungsgrad und das typische Aroma zu erhalten. Ein wichtiger Grund für die hohen Gehalte an Acrylamid lag in der Vergangenheit auch in der Verwendung von Ammoniumsalzen (Hirschhornsalz, ABC-Trieb) als Backtriebmittel. Seitdem Industrie und das Bäckerhandwerk auf diese Stoffe weitgehend verzichten, findet man nur noch selten extrem hohe Acrylamidgehalte im Weihnachtsgebäck.

 

Dies belegen auch die neuesten Untersuchungen des CVUA Stuttgart. In der aktuellen Weihnachtssaison wurden insgesamt 46 Proben Lebkuchen, Spekulatius und lebkuchenähnliche Erzeugnisse auf Acrylamid untersucht. Nur in einer Lebkuchenprobe wurde der aktuelle und künftige EU-Richtwert für Acrylamid überschritten, er liegt derzeit bei 1000 µg/kg, ab Frühjahr 2018 bei 800 µg/kg.

 

In 27 Proben lag der Gehalt an Acrylamid unter 100 µg/kg, einem Zehntel des derzeit gültigen Richtwertes für Lebkuchen. Drei der untersuchten Lebkuchen wiesen Gehalte über 500 µg/kg auf, d.h. über 50 % des Richtwertes. Davon sind zwei Produkte Spezialitäten aus traditioneller handwerklicher Fertigung. Wenn man bedenkt, dass in dieser Produktgruppe noch vor einigen Jahren Acrylamidgehalte über 5000 µg/kg auftraten, sieht man, dass auch hier deutliche Fortschritte erreicht worden sind. In den letzten Jahren werden zudem auch vermehrt die weicheren, feuchteren Lebkuchensorten angeboten, die herstellungs- und rezepturbedingt deutlich niedrigere Acrylamidgehalte aufweisen, als trockenere, relativ harte Erzeugnisse.

Der höchste Gehalt an Acrylamid wurde in einer Probe Elisenlebkuchen festgestellt, er betrug 1370 µg/kg. Dieser Lebkuchen wurde mit Ammoniumbicarbonat (Hirschhornsalz) als Triebmittel hergestellt.

 

Beständig niedrig liegen die Gehalte dagegen bei gefüllten Erzeugnissen, da diese in der Regel besonders schonend gebacken werden.

Bei den Spekulatiuserzeugnissen wies die helle Sorte Butterspekulatius erwartungsgemäß deutlich niedrigere Werte auf, als die wesentlich dunklere Sorte Gewürzspekulatius. Der Richtwert von 500 µg/kg wurde in keinem Fall überschritten.

 

Die Untersuchungen bleiben nicht ohne Konsequenzen. Zwar werden hohe Acrylamidgehalte nicht als Rechtsverstoß geahndet. Die betroffenen Herstellerbetriebe werden aber von der Lebensmittelüberwachung über die hohen Gehalte informiert und gleichzeitig kompetent beraten, wie in Zukunft die Belastung mit Acrylamid deutlich gesenkt werden kann.

 

Auch in der privaten Weihnachtsbäckerei kann man eine übermäßige Bildung von Acrylamid vermeiden, wenn man einige einfache Regeln einhält: Tipps zur Vermeidung von Acrylamid beim Backen von Lebkuchen.

 

Infokasten

Acrylamid

Acrylamid bildet sich beim Erhitzen aus der Aminosäure Asparagin und reduzierenden Zuckern, wie Glucose oder Fructose, insbesondere an der (wasserarmen) Oberfläche von frittierten, gebackenen oder gerösteten Lebensmitteln wie Pommes frites, Kaffee, verschiedenen Backwaren und Kartoffelchips.

Auch 15 Jahre nach dem ersten Nachweis von Acrylamid in Lebensmitteln ist man sich über die toxikologische Bewertung dieser Kontaminationen immer noch nicht einig: Einerseits gilt Acrylamid nach wie vor als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen", andererseits haben epidemiologische Untersuchungen noch keinen Zusammenhang zwischen Acrylamid in unserer Nahrung und dem Auftreten verschiedener Krebsarten nachweisen können.

Solange das Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln nicht abschließend geklärt ist, gilt das "ALARA"-Prinzip (as low as reasonably achievable): Lebensmittel sollten so hergestellt werden, dass der Gehalt an Acrylamid so niedrig wie möglich ist. Zu diesem Zweck gibt es in Deutschland seit 2002 das Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen "Signalwerten". Signalwerte sind keine rechtlich verbindlichen Höchstwerte, sondern Orientierungswerte, bei deren Überschreitung Lebensmittelüberwachung und Lebensmittelproduzenten gemeinsam nach den Ursachen und nach Strategien zur künftigen Verminderung der Acrylamidgehalte suchen.
Dieses Konzept wurde 2011 auch von der EU übernommen. Inzwischen existieren auf EU-Ebene neue Richtwerte („Benchmarks“) und Herstellungsempfehlungen zur Vermeidung überhöhter Acrylamidgehalte für die meisten betroffenen Lebensmittelgruppen. Sie treten im Frühjahr 2018 in Kraft, der Richtwert für Lebkuchen wird dann z.B. von 1000 µg/kg auf 800 µg/kg abgesenkt.

Weiterführende Informationen zum Thema Acrylamid finden sie hier.

 

Cumarin in Zimtsternen

Cumarin kommt als natürlicher Duft- und Aromastoff v.a. in Cassia-Zimt vor. Es wirkt bei einem kleinen Anteil der Bevölkerung lebertoxisch. Die EU hat daher im Rahmen der Verordnung (EG) 1334/2008 Grenzwerte für Cumarin in zimthaltigen Lebensmitteln festgelegt. Für traditionelle und/oder saisonale Backwaren mit der Bezeichnung Zimt, also z.B. Zimtsterne, ist hier ein maximaler Höchstgehalt von 50 mg Cumarin pro kg Backware erlaubt.

 

Am CVUA Stuttgart wurden in der Adventszeit 2017 insgesamt 15 Proben Zimtsterne auf ihren Cumaringehalt untersucht. Eine Überschreitung der Höchstmenge konnte in keinem Fall festgestellt werden. Der höchste ermittelte Cumaringehalt lag bei 38 mg/kg und damit deutlich unter der gesetzlich festgelegten Höchstmenge von 50 mg/kg. Insgesamt wiesen drei Proben (20 %) Cumaringehalte über 30 mg/kg auf. Zwei Proben zeigten Cumaringehalte zwischen 12 und 16 mg/kg. Eine Probe wies einen Cumaringehalt von ca. 1 mg/kg auf. Bei den restlichen 9 Proben (60 %), konnte kein Cumarin ermittelt werden.

Durchschnittlich lag der ermittelte Cumaringehalt der 15 untersuchten Proben bei ca. 9 mg/kg und damit leicht höher als im Vorjahr (ca. 8 mg).

 

Für Cumarin hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine tolerierbare tägliche Aufnahme von 0,1 mg/kg Körpergewicht festgelegt (siehe Infokasten). Ein 70 kg schwerer Erwachsener könnte täglich über ein dreiviertel Kilo Zimtsterne mit einem Cumaringehalt von 9 mg/kg verzehren ohne diese tolerierbare Aufnahmemenge zu überscheiten.

 

Wie der Acrylamidgehalt kann auch der Cumaringehalt in der privaten Weihnachtsbäckerei reduziert werden. Hierzu einfach anstatt Cassia-Zimt den weitaus weniger cumarinhaltigen Ceylon-Zimt verwenden.

 

Infokasten

Cumarin

Cumarin ist ein natürlicher Aroma- und Duftstoff, den einige Pflanzen, z.B. Waldmeister, Tonkabohnen und die Zimtkassie enthalten. Cumarin und verwandte Stoffe sind z.B. für den typischen Heugeruch beim Trocknen von Gras verantwortlich. Cumarin wird als Duftstoff in der Kosmetik, aber auch in der Medizin, z.B. zur Behandlung von Ödemen, eingesetzt. Lebensmitteln darf es als solches nicht zugesetzt werden, gelangt aber über verwendete Pflanzenteile in Lebensmittel. In Zimt kommt Cumarin vor allem in Cassia-Zimt vor, während Ceylon-Zimt viel weniger Cumarin enthält [1,2].

Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist empfindlich für die lebertoxische Wirkung von Cumarin. In Tierversuchen konnte, bei Gaben von hohen Mengen über lange Zeiträume, eine kanzerogene Wirkung nachgewiesen werden. Für den Menschen gibt es derzeit jedoch keine Hinweise auf eine cumarinbedingte Tumorbildung [1]. Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) haben für Cumarin einen TDI (tolerable daily intake = tolerierbare tägliche Aufnahme) von 0,1 mg/kg Körpergewicht abgeleitet [1,2,3].

Die EFSA kommt in ihrer Stellungnahme vom 8. Juli 2008 außerdem zu der Auffassung, dass eine kurzfristige Überschreitung dieses TDI keine Auswirkungen auf die Gesundheit hat [3].

 

Quellen

[1] Fragen und Antworten zu Cumarin in Zimt und anderen Lebensmitteln, Aktualisierte FAQ vom 27. September 2012

[2] Neue Erkenntnisse zu Cumarin in Zimt, Stellungnahme Nr. 036/2012 des BfR vom 27. September 2012

[3] Coumarin in flavourings and other food ingredients with flavouring properties, Scientific Opinion of the Panel on Food Additives, Flavourings, Processing Aids and Materials in Contact with Food (AFC), Adopted on 8 July 2008, The EFSA Journal (2008) 793, 1–15

 

 

Artikel erstmals erschienen am 18.12.2017