Dinkel oder Weizen?

Hans-Ulrich Waiblinger (CVUA Freiburg)

 

Ob Brot, Kekse oder Pasta - Dinkelprodukte sind beim Verbraucher sehr beliebt. Dinkel gilt als ursprünglich und natürlich, zudem wird ihm wird gegenüber herkömmlichem Weizen eine bessere Verträglichkeit des Weizeneiweißes nachgesagt - auch wenn wissenschaftliche Belege hierzu bislang nur spärlich sind. Da auch Verbraucher bereit sind, für Dinkelprodukte einen höheren Preis zu bezahlen, dient die Überprüfung auf Beimengungen durch herkömmlichen Weizen dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung.

 

Mit einer neu entwickelten Methode (siehe unten), die im Jahr 2021 auch akkreditiert wurde, hat das CVUA Freiburg insgesamt 133 Proben von Lebensmitteln auf Basis von Dinkel sowie den Urweizenarten Emmer und Einkorn auf Verfälschungen durch „Weizen“, also herkömmlichen Weichweizen untersucht.

 

Dinkel (links) und Weizen (rechts)

Dinkelkörner (links) sind meist etwas länglicher und schmaler als Körner von herkömmlichem Weizen (rechts)

 

Weichweizen in Lebensmitteln aus Dinkel, Emmer und Einkorn

 

Die Hälfte der Proben enthielt nur geringe Verunreinigungen durch Weichweizen von 5 % und weniger. In weiteren 28 % der Proben lagen die Verunreinigungen noch im Toleranzbereich (bis zu 10%). Allerdings wiesen 29 von 133 Proben (= 22%) deutliche Verunreinigungen durch Weichweizen von 10 bis 20 % auf. Besonders bei Anteilen von mehr als 20 % und alleiniger Verwendung von Dinkel als Weizenart wurde die Bezeichnung „Dinkel“ als irreführend beurteilt.

Herkömmlicher Weizen in Dinkel-, Emmer und Einkorn-Produkten

Infokasten

Dinkel (botanisch Triticum spelta) ist mit herkömmlichem Weichweizen oder Brotweizen (Triticum aestivum) sehr eng verwandt. Als robuste Getreideart, die nur geringe Ansprüche an Böden und Düngung stellt, gilt Dinkel als ursprünglich und natürlich. Zwei Drittel der Dinkelanbauflächen Deutschlands befinden sich in Baden-Württemberg und Bayern. Aufgrund des geringeren Ertrags und der aufwändigeren Gewinnung des Korns sind die Erzeugerpreise von Dinkel etwa 25 % höher als bei herkömmlichem Weizen; im Handel ist dieser Unterschied oft noch deutlich größer. Einträge durch herkömmlichen Weizen lassen sich bei Dinkelmehlen aus Mühlenbetrieben nicht ganz vermeiden. Allerdings zeigen die Untersuchungen, dass bei Dinkelmehlen Weichweizen-Anteile von weniger als 5 % technisch machbar sind.

 

Lebensmittelrechtlich verankerte Grenzwerte für einen tolerierbaren Gehalt von Weichweizen in Dinkel existieren nicht; aus dem Bereich des Marktinterventionsrechts können Akzeptanzwerte zur Orientierung herangezogen werden, wie etwa der Akzeptanzwert von 3 % Fremdgetreide in Hartweizen. Betrachtet man Backwaren auf Dinkelbasis, geben in Deutschland die Leitsätze der Lebensmittelbuchkommission für Brot und Kleingebäck eine Handreichung: So werden Dinkelbrot und –brötchen zu mindestens 90 % aus der Getreideart Dinkel (bezogen auf den Anteil an Getreideerzeugnissen) hergestellt.

Produktgruppen separat betrachtet

Weichweizen in Lebensmitteln aus Dinkel, Emmer und Einkorn nach Erzeugnissen

 

Anteile von Weichweizen sind bei ganzen, ungemahlenen Körnern eher selten. So waren bei allen 11 Proben von Emmer und Einkorn sowie bei 21 von 22 Proben von Dinkelkörnern die Ergebnisse unauffällig bzw. noch im Toleranzbereich. Höhere Weichweizenanteile wurden dagegen häufiger angetroffen bei Dinkelmahlerzeugnissen (4 von 18 = 22%), Broten (6 von 24 = 25%), Keksen und sonstigem Gebäck (6 von 16 = 38%) sowie bei Teigwaren (11 von 32 = 34%).

 

In einigen Fällen wurden zur Ursachenforschung weitere Proben der verwendeten Mehle gezogen. Dies war beispielsweise auch bei manchen Broten erforderlich, die aus verschiedenen Weizenarten, wie Dinkel, Emmer und Einkorn gleichzeitig hergestellt waren.

 

Aufgrund der vielen auffälligen Ergebnisse werden die Untersuchungen auch 2022 fortgesetzt.

Neue Methode erlaubt eindeutige Differenzierung

Zusammen mit dem Kantonalen Labor Zürich und dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wurde eine neue molekularbiologische Methode vorgestellt, die eine eindeutige Differenzierung aller geprüften Dinkelsorten von Weichweizen und zusätzlich eine zuverlässige Quantifizierung von Verunreinigungen durch Weichweizen erlaubt. Auch bei Emmer- und Einkornprodukten können Verunreinigungen duch Weichweizen erkannt werden.

 

Die Methode wurde in der Zeitschrift Food Control [1] veröffentlicht, zudem erschien kürzlich eine gekürzte deutschsprachige Version in der Zeitschrift Lebensmittelchemie [2].

 

Untersuchungsprinzip ist die droplet digital polymerase chain reaction (ddPCR). Die DNA der Probe wird in dem PCR-Reaktionsmix auf einzelne Kompartimente in Form kleinster Tröpfchen aufgeteilt. Der Reaktionsmix (und damit auch die DNA) verteilen sich dabei zufällig auf die Tröpfchen. War die Ziel-DNA in einem Tröpfchen vorhanden, kann die PCR in diesem Tröpfchen erfolgreich ablaufen und es kommt dort zu einem Fluoreszenzanstieg, der vom Detektor gemessen wird. Fehlt die Ziel-DNA in einem Tröpfchen, kann die PCR in diesem Tröpfchen nicht ablaufen und der Fluoreszenzanstieg entfällt. Die Tröpfchen werden dann entsprechend unterteilt in „1“: Fluoreszenzanstieg detektiert, oder „0“: Fluoreszenzanstieg nicht detektiert. Diese 0-1-Antwort gab der Methode die Bezeichnung „digitale PCR“ (sieheAbbildung 1).

Abbildung 1 Funktionsprinzip der droplet digital PCR (Quelle Lebensmittelchemie 75 (2021)

Abbildung 1: Funktionsprinzip der droplet digital PCR (Quelle Lebensmittelchemie 75 (2021)

 

Über das Verhältnis von positiven (1) zu negativen (0) Tröpfchen lässt sich die Ausgangskonzentration einer Probe berechnen. Für die Quantifizierung des Weichweizenanteils in Dinkelprodukten wurden zwei Nachweissysteme entwickelt, die in einer Duplex-ddPCR durchgeführt werden. Das erste Nachweissystem zielt auf eine Punktmutation im Q-Locus des Dinkelgenoms. Im Q-Locus unterscheiden sich Dinkel und Weichweizen nur an sehr wenigen Punkten durch einzelne Basenaustausche (single nucleotide polymorphisms, SNPs) voneinander. Das PCR-Nachweissystem wurde so erstellt, dass die Punktmutation genügt, um klar unterscheidbare Fluoreszenzsignale für Weichweizen und Dinkel zu erhalten. In einem zweiten Fluoreszenzkanal wird eine Sequenz aus dem γ-Gliadin gemessen, die ebenfalls eine Unterscheidung zwischen Weichweizen und Dinkel erlaubt. Der bisher verwendete PCR-basierte Test beruhte lediglich auf den Unterschieden der beiden Weizenarten im γ-Gliadin und konnte eine Reihe neuerer Dinkelsorten nicht von Weichweizen differenzieren.

 

Abbildung 2: Schematisches Ergebnis einer ddPCR zur Differenzierung und Quantifizierung von Weizen in Dinkel (Quelle Lebensmittelchemie 75 (2021))

Abbildung 2: Schematisches Ergebnis einer ddPCR zur Differenzierung und Quantifizierung von Weizen in Dinkel (Quelle Lebensmittelchemie 75 (2021))

 

 

Weitere Informationen

CVUAs BW: Alles echt bei Wild, Fischgerichten, Basmati, Dinkel und Co.? (Beitrag vom 24.03.2021)

CVUAs BW: Untersuchungen auf Herkunft und Echtheit

 

Literatur

[1] Koeppel R, Guertler P, Waiblinger HU (2021) Duplex droplet digital PCR (ddPCR) method for the quantification of common wheat (Triticum aestivum) in spelt (Triticum spelta). Food Control 130: 108382

[2] Gürtler P, Waiblinger HU, Köppel R (2021) Quantitative Bestimmung des Weichweizenanteils in Dinkelprodukten. Lebensmittelchemie 75, 206-209

 

Bildnachweis

Foto und Diagramme: CVUA Freiburg
Abbildung 1 und 2: Zeitschrift Lebensmittelchemie 75 (2021)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 18.02.2022