Antibiotika-Resistenzen bei der Behandlung von Euterentzündungen - Untersuchungen im Mastitislabor des CVUA Stuttgart

Dr. Alfred Friedrich, CVUA Stuttgart

 

Euterentzündungen sind in der Milchwirtschaft ein großes Problem und verursachen große wirtschaftliche Schäden. Sie führen bei den betroffenen Tieren zu einer verringerten Milchleistung, zu hohen Behandlungskosten und zu vorzeitigen Abgängen an den Schlachthof.

 Verursacht werden Euterentzündungen durch eine Reihe von Mikroorganismen, meist Bakterien. Stresssituationen, denen die Tiere ausgesetzt sind, begünstigen das Entstehen von Euterentzündungen. Solche Stressfaktoren können nicht tiergerechte Stallungen, mangelhaftes Stallklima, mangelhafte Futterqualität und Futterzusammensetzung, hohe Milchleistung, Hygienemängel beim Melken sowie eine schlechte Melktechnik sein. Der Landwirt erkennt Euterentzündungen oft erst an den durch sie hervorgerufenen klinischen Symptomen (Schwellung, Rötung, Schmerzreaktion bei Berührung), meist einhergehend mit einer verminderten Milchleistung. Nicht selten geht eine Euterentzündung auch einher mit massiven Störungen des Allgemeinbefindens und hohem Fieber.

 

Bild einer Fleckvieh-Milchkuh auf der Weide.

Abb. 1: Fleckvieh-Milchkuh.


Auf der anderen Seite gibt es aber auch Verlaufsformen ohne äußerlich erkennbare klinische Symptome, sog. subklinische Mastitiden. Diese Verlaufsform bleibt oft über längere Zeit unerkannt und kann sich schleichend im Bestand ausbreiten. Erkannt wird diese oft erst, wenn der Milchprüfring bei der abgelieferten Milch einen erhöhten Milchzellgehalt feststellt.

 

Um den wirtschaftlichen Schaden durch eine Euterentzündung so gering wie möglich zu halten, aber auch aus Gründen des Tierschutzes, ist eine rasche Identifizierung der ursächlichen Mastitiserreger und eine auf den Einzelfall angepasste Therapie notwendig. In vielen Fällen, vor allem wenn es sich um in einem Bestand gehäuft auftretende Mastitiden handelt, wird der Eutergesundheitsdienst der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg eingeschaltet. Die Mitarbeiter des Eutergesundheitsdienstes gehen in den betroffenen Betrieb und nehmen das Betriebsmanagement und die örtlichen Begebenheiten unter die Lupe: Stallhygiene, Stallklima, Futterqualität, Melkhygiene, Melktechnik. Darüber hinaus entnehmen sie Gemelksproben zur Untersuchung auf Mastitiserreger.

 

Laboruntersuchungen im CVUA Stuttgart

Die Untersuchungen von Gemelksproben aus dem Regierungsbezirk Stuttgart erfolgen im Mastitislabor des CVUA Stuttgart. Bei den Proben handelt es sich um Viertelgemelksproben aus klinisch erkrankten Eutervierteln. Solche Einzelproben werden i.d.R. vom behandelnden Tierarzt oder vom Landwirt selbst eingesandt. Bei größeren Bestandsproblemen werden vom Eutergesundheitsdienst meist Viertelgemelksproben von allen Milchkühen des Bestandes eingeschickt. In den Jahren 2010 und 2011 wurden 22512 Gemelksproben im CVUA Stuttgart untersucht.

 

Zellzahlbestimmung

Um festzustellen, ob ein Mastitisgeschehen vorliegt, wird bei allen Proben zunächst die Zellzahl bestimmt. Der Milchzellgehalt ist ein wichtiger Parameter für die Eutergesundheit. Ein Zellgehalt von unter 100.000 Zellen pro ml Herdenmilch weist auf eine sehr gute Eutergesundheit in der Herde hin. Liegt eine Reizung oder Erkrankung des Euters vor, so steigt der Zellgehalt in der Milch, weil Leukozyten in die gereizte oder infizierte Milchdrüse einwandern. Wenn der Zellgehalt bei einer einzelnen Kuh über 500.000 Zellen/ml liegt, muss von einer Mastitis ausgegangen werden.

 

Grafik: Milchzellgehalte bei Euterentzündungen.

Abb. 2: Milchzellgehalte bei Euterentzündungen.

Abbildung 2 zeigt die Milchzellgehalte, die in den Jahren 2010 und 2011 bei Viertelgemelksproben von Kühen gemessen wurden, welche an den zwei häufigsten Mastitisarten erkrankt waren. Bei einer durch koagulase-negative Staphylokokken verursachten Euterentzündung überwiegen niedrigere Zellgehalte (<2 Mio.), während bei einer durch Äskulin-positive Streptokokken verursachten Mastitis höhere Zellgehalte (>2 Mio.) überwiegen. Dies zeigt, dass bei letzterem Erreger die entzündliche Reaktion deutlich stärker ausfällt.

Bei einem nicht unerheblichen Teil der Gemelksproben erübrigt sich eine Zellzahlmessung bzw. sie ist gänzlich unmöglich, weil es bereits zu einer makroskopisch sichtbaren Veränderung der Milch gekommen ist. Dabei können die Veränderungen von Flocken in der Milch bis hin zu einer eitrig-pastösen Masse reichen.

 

 

Foto Gemelksproben.

Abb 3: 3 Gemelksproben;
Links: unverändert
Mitte: mit Flocken
Rechts: eitrig verändert.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schaubild: Gemelk makroskopisch verändert.

Abb. 4:

Für Abbildung 4 wurden alle Gemelk-Einsendungen aus den Jahren 2010 und 2011 ausgewertet. Sie zeigt den Einfluss der verschiedenen Mastitis-Erreger auf die Beschaffenheit des Eutersekrets. Am häufigsten führen Euterinfektionen mit Arcanobacter pyogenes, Coliforme Keimen und Hefen zu makroskopisch sichtbaren Sekretveränderungen.

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 5: Blut-, Sabouraud- und Gassner-Agar, jeweils bewachsen mit Mastitis-Erregern.

Bild: 3 Agarplatten bewachsen mit Mastitis-Erregern.

 

Mikrobiologische Untersuchung

Alle Gemelksproben werden auf das Vorhandensein von Mastitis-Erregern untersucht. Dazu werden diese auf drei unterschiedlichen Nährböden (Blutagar, Sabouraud-Agar und Gassner-Agar) ausgestrichen und nach 1- bis 2-tägiger Bebrütung ausgewertet. Die meisten Mastitis-Erreger lassen sich auf diesen 3 Nährmedien direkt bestimmen, bisweilen erfolgt eine zusätzliche Identifizierung durch biochemische Reaktionen (z.B. API), chromogene Nährmedien, PCR oder Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie (FTIR).

 

Abb. 6:Diagramm: Mastitis-Erreger 2010/2011.

 

Abbildung 6 zeigt alle Mastitis-Erreger, die in den Jahren 2010 und 2011 aus den Gemelksproben isoliert wurden. Die am häufigsten vorkommenden Mastitiserreger sind äskulin-positive Streptokokken, koagulase-negative Staphylokokken, Staphylococcus aureus und Coliforme Keime.
Oftmals können keine Mastitis-Erreger nachgewiesen werden, obwohl erhöhte Zellzahlen für das Vorliegen einer Mastitis sprechen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn bereits vor der Entnahme der Gemelksprobe mit einer antibiotischen Therapie begonnen wurde.
Wenn nicht-mikrobielle Reize wie beispielsweise mechanische Reizungen oder Verletzungen eine entzündliche Reaktion des Eutergewebes hervorrufen, die zu einer leicht erhöhten Zellzahl ohne Nachweis von Mastitis-Erregern führt, wird in Verbindung mit der Euterdiagnose von einer „Sekretionsstörung“ gesprochen.
Wenn hingegen Mastitiserreger in einem Gemelk mit normal niedrigem Zellgehalt aus einem klinisch unauffälligen Euterviertel nachgewiesen werden, wird von einer „Besiedelung“ gesprochen. Bei einer Besiedelung ist immer zu befürchten, dass sich aus dieser im Laufe der Zeit eine Mastitis entwickelt.


 

Grafik: Verteilungshäufigkeit Gemelksdiagnosen 2010/2011.

 

Abb 7: Diese Graphik gibt einen Überblick über die Verteilungshäufigkeit der Euterdiagnosen.

 

Der hohe Anteil der Mastitis-Diagnosen von 55,6 % aller eingeschickten Gemelksproben ist darauf zurückzuführen, dass vom einsendenden Tierarzt in der Regel nur Gemelksproben aus klinisch auffälligen Eutervierteln bzw. vom Eutergesundheitsdienst nur Proben aus Problembetrieben zur Untersuchung eingeschickt werden.

 

Antibiogramm (Resistenztest)

Nicht alle Mastitis-Erreger sind einer antibiotischen Therapie zugänglich. So macht es keinen Sinn, eine Hefen-Mastitis antibiotisch zu behandeln. Für die Therapie der am häufigsten vorkommenden Mastitiden sind Antibiotika jedoch das Mittel der Wahl. Allerdings ist es sehr wichtig, das richtige Antibiotikum einzusetzen. Nicht jedes Antibiotikum schlägt bei einem bestimmten Mastitis-Erreger gleich gut an. Manche Mastitiserreger sind gegenüber bestimmten Antibiotika von Natur aus resistent, wie z.B. Coliforme gegenüber Penicillin. Darüber hinaus sind in den vergangenen Jahren viele ehemals empfindliche Erreger gegenüber bestimmten Antibiotika resistent geworden.

 

Abb. 8: Resistenztests mit antibiotika-empfindlichenen und antibiotika-resistenten Staphylokokken Foto: antibiotika-empfindliche und -resistente Staphylokokken.

Mit Hilfe des Resistenztestes wird ausgetestet, welche Antibiotika bei dem im konkreten Fall nachgewiesenen Mastitis-Erreger wirksam sind. Dem Tierarzt wird dadurch die Möglichkeit an die Hand gegeben, das richtige, wirksame Antibiotikum zur Mastitis-Therapie einzusetzen. In den Jahren 2010 und 2011 wurden im Mastitislabor des CVUA Stuttgart 6443 Resistenztests durchgeführt.

 

Antibiotika-Resistenzen bei Mastitis-Erregern

Die nachfolgenden Abbildungen 9-16 spiegeln die derzeitige Resistenzsituation für die wichtigsten Mastitis-Erreger wider, wie sie sich nach der Auswertung der Resistenztests aus den Jahren 2010 und 2011 darstellt.

 

Abb. 9:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Äskulin-positiven Streptokokken.

 

Abb. 10:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Äskulin-negativen Streptokokken.

 

Abb. 11:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Streptococcus agalactiae.

 

Abb. 12:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei koagulase-negativen Staphylokokken.

 

Abb. 13:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Staphylococcus aureus.

 

Abb. 14:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei MRSA.

 

Abb. 15:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Arcanobacter pyogenes.

 

Abb. 16:Diagramm: Antibiotikaresistenzen bei Coliformen Keimen.

 

Nach den Ergebnissen unserer Resistenz-Untersuchungen gibt es praktisch kein Antibiotikum, das gegenüber einer bestimmten Erregerart zu 100 % wirksam ist. Der Tierarzt muss immer, auch wenn die Diagnose aufgrund der klinischen Symptome eindeutig ist, damit rechnen, dass das von ihm für geeignet erachtete Antibiotikum unwirksam ist.
Mittel der Wahl zur Behandlung der Pyogenes-Mastitis (Erreger: Arcanobacter pyogenes) ist Penicillin. Aber auch Penicillin versagt in 11,2 % der Fälle (Abb. 15).
Etwa 52,3 % aller koagulase-negativen Staphylokokken sowie 37,5 % aller Staphylococcus aureus sind Penicillin-resistent (Abb. 12+13). Dramatisch ist die Situation bei den sog. Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), bei welchen die meisten Antibiotika keine oder nur noch eine geringe Wirksamkeit besitzen (Abb. 14).

 

Fazit

Die Untersuchungen zeigen, dass der Tierarzt bei der antibiotischen Behandlung von Euterentzündungen mit vielfältigen Antibiotika-Resistenzen rechnen muss. Da Mastitiden oft perakut verlaufen, sehr schmerzhaft sind und irreversible Schäden am Euter verursachen können, wird er in der Regel aus medizinischen und den Tierschutz betreffenden Gründen, aber auch aus wirtschaftlichen Aspekten, sofort mit einer Notfalltherapie beginnen und unter Berücksichtigung der klinischen Symptome das nach seiner Erfahrung wirksamste Antibiotikum auswählen. Die oben aufgeführten Abbildungen 9-16 können ihm bei der Auswahl des voraussichtlich wirksamsten  Antibiotikums hilfreich sein. Er ist jedoch gut beraten, noch vor Beginn der Notfalltherapie vom erkrankten Euterviertel eine Gemelksprobe zu entnehmen und zur Erregerbestimmung mit Resistenztestung einzusenden. Diese Untersuchungen dauern 2-3 Tage. Wenn sich bei den Tests herausstellt, dass der Mastitiserreger gegenüber dem als Sofortmaßnahme eingesetzten Antibiotikum resistent ist, kann der Tierarzt auf ein im konkreten Fall nachweislich wirksames Antibiotikum ausweichen.
Werden Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) nachgewiesen, so bleibt beim Fehlen effektiver Antibiotika unter Umständen nur das Aussondern und Töten der Tiere als einzige Möglichkeit der MRSA-Bekämpfing in einem betroffenen Milchviehbetrieb.

 

Die Untersuchung von Gemelksproben ist für die Tierbesitzer kostenlos. In Baden-Württemberg sind alle Besitzer von Milchkühen über die Tierseuchenkasse versichert. Im Falle von Euterentzündungen werden die Kosten für Erregerbestimmung und Resistenztestung von der Tierseuchenkasse übernommen.

 

Das CVUA Stuttgart wird weiterhin die Resistenzsituation bei den Mastitis-Erregern im Auge behalten und insbesondere beobachten, ob sich im Laufe der Zeit bei einzelnen Antibiotika und bestimmten Mastitis-Erregern tendenziell eine Änderung der Resistenzsituation abzeichnet.

 

Bildernachweis:

Dr. Martin Spohr, EGD Stuttgart (Abbildung 1).

Dr. Alfred Friedrich, CVUA Stuttgart (sonstige Abbildungen).

 

 

Artikel erstmals erschienen am 06.06.2012