Was versteht man unter Radioaktivität?
Martin Metschies (CVUA-Freiburg)
Radioaktivität ist die Eigenschaft von instabilen Atomkernen, sich ohne äußeren Einfluss umzuwandeln und dabei eine bestimmte Strahlung auszusenden. Diese Strahlung wird als ionisierende Strahlung (manchmal unkorrekt auch als radioaktive Strahlung) bezeichnet, weil sie die Bausteine von lebendem Gewebe zu geladenen Bruchstücken (Ionen) spalten kann. Durch ionisierende Strahlung werden in den Zellen chemische Reaktionen ausgelöst, die sich auf die Gesundheit nachteilig auswirken können. Deshalb werden aufgrund der oberirdischen Kernwaffenversuche in den 1950er bis 1960er Jahren und verstärkt seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl in ganz Deutschland alle Arten von Lebensmitteln stichprobenartig auf ihre Radioaktivität, d.h. auf ihren Gehalt an radioaktiven Stoffen untersucht. Der Gehalt an radioaktiven Stoffen wird angegeben in Becquerel pro Kilogramm Lebensmittel (Bq/kg). So besagt z.B. die Angabe "1000 Bq Cs-137/kg", dass sich pro Kilogramm und Sekunde 1000 Atome des Radionuklids Cäsium-137 umwandeln und dabei ihre ionisierende Strahlung aussenden.
Strahlenbelastung, Strahlendosis
Nicht alle Radionuklide wirken gleich stark auf den Organismus. Deshalb ist es nicht möglich,
eine Gefährdungsabschätzung aus dem Gesamtgehalt an Radionukliden zu machen. Multipliziert
man jedoch den jeweiligen Gehalt eines Nuklids mit seinem spezifischen (tabellierten) Wirkungsfaktor,
so erhält man die summierbare Strahlendosis, die beim Verzehr des Lebensmittels verabreicht
wird. Die Strahlendosis wird in Sievert (Sv) bzw. in der tausendfach kleineren Einheit Millisievert
(mSv) angegeben. Die natürliche Strahlendosis summiert sich in Deutschland für jeden
Bürger zu durchschnittlich 2,4 mSv pro Jahr (aus Nahrung, Radon in Wohnräumen, Bodenstrahlung,
kosmischer Strahlung). Sie variiert je nach Wohnort von ca. 1,5 bis 4,5 mSv pro Jahr und liefert,
abgesehen von der medizinischen Diagnostik und Therapie, den größten Dosisbeitrag.
Beispielrechnung: Der tägliche (!) Verzehr von 200 g Wildfleisch mit 4000 Bq Cs-137/kg hätte
eine zusätzliche Strahlendosis von 3,6 mSv pro Jahr zur Folge. Diese zusätzliche Jahresdosis
würde man in etwa auch durch einen Wohnsitzwechsel von Schleswig-Holstein in den Südwesten
Baden-Württembergs erhalten.
Natürliche und künstliche Radioaktivität
Künstliche Radionuklide wie Cäsium-137 und Strontium-90 sind durch kerntechnische Unfälle oder oberirdische Kernwaffenexplosionen in die Umwelt gelangt. Natürliche Radionuklide wie z.B. Radium-226 oder Kalium-40 sind geologischen Ursprungs und finden sich ebenfalls in Lebensmitteln. Die durchschnittliche nahrungsbedingte Strahlenbelastung des Verbrauchers wird gegenwärtig fast ausschließlich von der natürlichen Radioaktivität hervorgerufen.
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