Martin Rupp, Dr. Martin Metschies (CVUA Freiburg)
Knallende Korken auch zum Jahresauftakt 2013: In Deutschland ist es eine liebgewonnene Tradition, das neue Jahr mit einem guten Glas Sekt zu begrüßen.
Bei Schaumwein bzw. Sekt (= Qualitätsschaumwein) handelt es sich um das Erzeugnis, das üblicherweise durch eine zweite alkoholische Gärung von Wein gewonnen wird. Das ausschließlich aus der Gärung stammende Kohlendioxid (CO2) ist für das charakteristische Schäumen verantwortlich und muss bei 20°C einen Überdruck von mind. 3 (Schaumwein, Aromatischer Qualitätsschaumwein) bzw. 3,5 bar (Qualitätsschaumwein) in der Flasche erzeugen. [1]
Zu einem festlichen Anlass darf es ruhig etwas Hochwertigeres sein, deshalb wird gerne auch mal ein Glas Champagner, Crémant oder Winzersekt gereicht. Diesen Qualitätsstufen gemeinsam ist die sogenannte traditionelle Flaschengärung, auch „klassische Flaschengärung" oder „méthode traditionelle" genannt. Da das im Enderzeugnis enthaltene Kohlendioxid (CO2) bei diesem Herstellungsverfahren ausschließlich aus der Vergärung des Ausgangsweines stammt und ein Zusatz gärungsfremder Kohlensäure nicht zulässig ist, enthält Sekt aus traditioneller Flaschengärung üblicherweise keine technisch erzeugte Kohlensäure.
Bei den ebenfalls weit verbreiteten Herstellungsverfahren Transvasier- und Tankgärmethode dagegen ist die Verwendung von technischer Kohlensäure zum Vorspannen von Behältnissen (Umfüllung durch Gegendruck) zulässig, sofern dadurch der Druck im Schaumwein nicht ansteigt. [2]
Ein gewisser Austausch von Gärungskohlensäure durch technische Kohlensäure ist dabei jedoch unvermeidbar.
Zur Überprüfung der Kohlensäureherkunft und damit verbundener Werbeaussagen wurden am CVUA Freiburg 56 Sekte bzw. Schaumweine unterschiedlicher Gärverfahren und Herkunft mittels Flüssig-Szintillationsspektrometrie (LSC) untersucht. Die Proben wurden in den Regierungsbezirken Freiburg und Tübingen erhoben.
a) Schaumwein: das Erzeugnis,
b) Qualitätsschaumwein (Sekt): siehe Schaumwein, jedoch beträgt der Überdruck mindestens 3,5 bar und einen Gesamtalkoholgehalt von mindestens 9 % vol.
c) traditionelle Flaschengärung
Die Ausdrücke
dürfen nur verwendet werden, wenn das Erzeugnis
Dies gilt analog für die entsprechenden Begriffe der EU-Mitgliedstaaten, wie z. B. „método tradicional" oder „méthode classique". Für einige Sekte, darunter so namhafte Erzeugnisse wie „Champagner", „Crémant", „Winzersekt" oder „Cava" ist diese aufwändigere traditionelle Herstellungsmethode obligatorisch. [1], [4], [5]
d) Flaschengärung
Die Bezeichnung „Flaschengärung" darf nur verwendet werden, wenn
Um zu überprüfen, ob verwendete Bezeichnungen wie „Cava" oder „Winzersekt" bzw. Auslobungen wie „klassische Flaschengärung" zutreffend sind, wurden 56 Schaumweine unterschiedlicher Herkunft und Herstellungsverfahren auf ihren Gehalt an exogenem Kohlendioxid untersucht. Die Probenverteilung ist den beiden Grafiken zu entnehmen:
Das Messprinzip beruht darauf, dass gärungseigene (endogene) Kohlensäure einen hohen natürlichen 14C-Gehalt aufweist, während dieser in technischer (exogener = gärungsfremder) Kohlensäure bereits abgeklungen ist.
Daraus leitet sich folgende Faustformel ab:
Je niedriger die 14C-Aktivität, desto höher der Anteil an technischem CO2!
Hintergrund: Landwirtschaftlich produzierte Kohlenhydrate, wie z. B. Zucker in Weintrauben, enthalten natürlicherweise radioaktives 14C in einem Anteil, der für das jeweilige Erntejahr typisch ist. Auch in den Hauptprodukten der alkoholischen Gärung, insbesondere Ethanol und CO2, findet sich dieser Anteil wieder.
Für die 14C-Bestimmung wird das CO2 aus dem Schaumwein ausgetrieben und bis zur Sättigung in einer alkalischen Absorptionslösung aufgefangen. Anschließend wird dessen 14C -Aktivität mit Hilfe eines Flüssig-Szintillationsspektrometers (LSC) gemessen. Daraus errechnet sich der prozentuale Anteil an exogener Kohlensäure.
a) Erzeugnisse aus klassischer Flaschengärung
Insgesamt wurden 28 Proben aus dem traditionellen Flaschengärverfahren untersucht. In 27 der 28 Proben (96 %) war keine technische (exogene) Kohlensäure nachweisbar, wie es für dieses Gärverfahren auch charakteristisch ist. Lediglich eine Probe enthielt mit 2 % einen im Rahmen der Messunsicherheit noch zu tolerierenden Gehalt an technischer Kohlensäure.
b) Erzeugnisse aus weiteren Gärverfahren
Es wurden 28 Erzeugnisse untersucht, die nicht mittels traditioneller Flaschengärung hergestellt wurden. Auch hier war bei der überwiegenden Anzahl an Proben (20 = 71 %) kein technisches CO2 nachweisbar. Eine Probe mit 5 % und zwei Proben mit jeweils 13 % exogenem CO2 stammten aus dem Transvasierverfahren („Flaschengärung") und waren als unauffällig zu beurteilen; ebenso zwei Proben mit 37 bzw. 23 % technischer Kohlensäure, die dem Tankgärverfahren entstammten und den industrieeigenen Richtwert unterschritten. Zwei Proben aus dem Tankgärverfahren wiesen mit 80 bzw. 71% exogenem CO2 auffällig hohe Gehalte auf, wobei sich eines dieser Erzeugnisse noch nicht in Verkehr befand.
Die Zusammenstellung der Daten macht zum einen deutlich, dass bei Sekt aus klassischer Flaschengärung bzw. mit entsprechenden Begriffen Ausreißer sicher erkannt werden können. Zum anderen kann belegt werden, dass mittlerweile auch in Erzeugnissen des Einzelhandels aus dem unteren Preissegment nur noch vereinzelt technisches CO2 bei der Herstellung (Lagerung, Abfüllung) verwendet wird. Dieser Befund lässt den Schluss zu, dass in den Herstellerbetrieben entweder Anlagen zur Rückgewinnung von Gärungskohlensäure im Einsatz sind und effektiv funktionieren oder dass Alternativen für den Einsatz von technischem CO2 bei der Sektbereitung gefunden wurden. Denkbar wäre hierbei die Verwendung von Gärungskohlensäure aus der sonstigen Nahrungsmittelproduktion. Nähere Erkenntnisse hierzu lassen sich im Rahmen der amtlichen Weinüberwachung vor Ort erhalten.
Insgesamt korrelieren die Messergebnisse sehr gut mit den angegebenen Herstellungsmethoden bzw. Produktbezeichnungen, so dass den Herstellern ein weit überwiegend rechtskonformes Handeln bzgl. Herstellung und Kennzeichnung bescheinigt werden kann.
Lediglich folgende Abweichungen wurden festgestellt:
[1] Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 299/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1028/2012 vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 316/41), Anhang XIb Nr. 4 und 5.
[2] Verordnung (EG) Nr. 606/2009 der Kommission vom 10. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der Weinbauerzeugniskategorien, der önologischen Verfahren und der diesbezüglichen Einschränkungen (ABl. L 193/1), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 315/2012 vom 12. April 2012 (ABl. L 103/38), Anhang II Abschnitt A und B
[3] Sekt, Schaumwein, Perlwein, Bach H. P., Troost G., Rhein O. H., 3. Auflage, 2010, Eugen Ulmer Verlag
[4] Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse (ABl. L 193/60), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 579/2012 vom 29. Juni 2012 (ABl. L 171/4), Art. 66
[5] Weinverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 827), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 29. September 2011 (BGBl. I S. 1996), § 34a
[6] Weingesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2011 (BGBl. I S. 66), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044), § 25
ulikat, www.pixelio.de, Image-ID: 129561 (Champagnerflasche)
Rainer Sturm, www.pixelio.de, Image-ID: 450782 (Sektgläser)
Lumu, GNU-Lizenz (Rüttelpulte)