Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe

Schmallenberg-Virus in einem Ziegenbestand

Dr. K. Saenger und Dr. J. Lanbertz

 

Anfang Februar 2012 erfolgte in Nordbaden erstmals ein Nachweis des Schmallenberg-Virus aus geburtsreifen Ziegen.

In einem Ziegenbestand traten vermehrt Aborte auf. Zur Abklärung der Abortursache sendete das zuständige Veterinäramt vier Feten an das CVUA Karlsruhe. Die pathologisch-anatomischen Untersuchungen ergaben verschiedene Missbildungen des Bewegungsapparates: Skoliosen (Lateralverkrümmungen der Wirbelsäule) von Hals- und/oder Brustwirbelsäulen in unterschiedlicher Ausprägung, Brustbeindeformationen, Arthrogryposen (angeborene Gelenksverkrümmungen im Bereich der Extremitäten, (siehe Abb. 1) der Vorder- und/oder Hintergliedmaßen und eine seitliche Verdrehung des Kopfes fanden sich bei den Tieren. An den inneren Organen lag bei einem Tier beidseits eine hochgradige Erweiterung der Nierenbecken einhergehend mit einer Atrophie von Nierenrinden und -mark (siehe Abb.2) vor, auch die Harnleiter waren hochgradig dilatiert. Das zentrale Nervensystem wies bei einem Tier eine Kleinhirnhypoplasie auf.

 

Abb.1 Skoliose der BrustwirbelsäuleAbb. 2 Hochgradig dilatiertes Nierenbecken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.1 Skoliose der Brustwirbelsäule Abb. 2 Hochgradig dilatiertes Nierenbecken

 

 

In der histologischen Untersuchung waren ergänzend u.a. eine geringgradige meist perivaskulär assoziierte Enzephalitis bei drei Feten und eine geringgradige lymphozytäre Myokarditis bei einem Tier darstellbar.
Spezifische bakterielle Krankheitserreger wurden in der mikrobiologischen Untersuchung der Parenchyme nicht isoliert.


Die molekularbiologischen Untersuchungen auf Chlamydia sp. (qPCR), Coxiella burnetii (qPCR), und BTV (Virus der Blauzungenerkrankung) (RT qPCR), häufige Aborterreger der kleinen Wiederkäuer, verliefen mit negativem Ergebnis. Hingegen wurde bei zwei Feten im Großhirn mittels molekularbiologischer Untersuchungen Schmallenberg-Virus (L1 RT qPCR) nachgewiesen. Zur Abklärung und Bestätigung gingen Gewebeproben an das Nationale Referenzlabor für die Blauzungenerkrankung an das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Insel Riems. Dessen Untersuchungen bestätigten die Befunde des CVUA Karlsruhe. Zudem erfolgte der Nachweis einer Schmallenberg-Virusinfektion für ein weiteren Fetus (S3 RT qPCR).

 

Dieses neue Virus fanden Wissenschaftler des FLI der Insel Riems erstmals im November 2011 in Proben von Rindern aus Nordrhein-Westfalen. Diese Milchrinder zeigten in den vorhergehenden Sommermonaten einen Rückgang der Milchleistung, eine erhöhte innere Körpertemperatur und ein reduziertes Allgemeinbefinden (siehe auch1). Die Untersuchungen weiterer Virusinfektionen der Rinder (Virus der Blauzungenkrankheit, der Epizootischen Hämorrhagie der Hirsche (EHD), der Maul- und Klauenseuche, der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) und andere Pestiviren, Bovines Herpesvirus Typ 1 und anderer Herpesviren sowie Rift-Valley-Fieber-Virus und bovines Ephemeralfieber) verliefen mit negativem Ergebnis (siehe unten 3). Neuere wissenschaftliche Methoden erbrachten einen Nachweis sogenannter Orthobunyaviren. Wahrscheinlich eine neue oder bislang in Deutschland unbekannte viral bedingte Erkrankung, die wie die Blauzungenerkrankung durch Gnitzen übertragen wird (siehe auch 1). Ein zoonotisches Potential, dass heißt eine Erregerübertragung zwischen Tier und Mensch, ist nach bisherigem Kenntnisstand nicht möglich (siehe auch 2)

 

Deutschlandweit sollen auf Landes- und Bundesebene in naher Zukunft Wiederkäuer auf dieses neue Virus, das sogenannte Schmallenberg-Virus untersucht werden. Da mittlerweile vielfach Erkrankungen bei kleinen Wiederkäuern aufgetreten sind, werden Schafe und Ziegen entsprechend untersucht. Die derzeit vorliegenden Ergebnisse lassen einen Zusammenhang zwischen einer Schmallenberg-Virusinfektion und einer erhöhten Rate bei Aborten und/oder Missbildungen bei Wiederkäuern vermuten. Um mehr über dieses neu aufgetretene Virus und die durch dieses Virus ausgelösten Erkrankungen zu erfahren ist es wichtig, dass alle an der Diagnostik Beteiligten eng zusammenarbeiten. Dies schließt Tierbesitzer, Tierärzte in der Praxis und den Tiergesundheitsdiensten ebenso ein, wie die Tierärzte der Veterinärämter und Untersuchungsämter.


Die Untersuchung von Tieren /Aborten auf das Schmallenberg-Virus ist in den staatlichen Untersuchungsämtern kostenfrei !

 

Bei Fragen stehen wir Ihnen als Ansprechpartner gern zur Verfügung.

 

 

Literatur:
1. www.fli.bund.de/
2. http://www.mlr.baden-wuerttemberg.de/
3. Hoffmann B, Höper D, Schleuch M, Jungblut R, Holsteg M, Schirrmeier H, Eschbaumer M, Goller K, Wernike K, Fischer M, Beer M: „Schmallenberg Virus" - ein neues Orthobunyavirus in Deutschland. 5. Riemser Diagnostiktage, 8. und 9. Dezember 2011

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 09.02.2012 08:12:20

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