Dr. Andreas Hänel
Fall 1: Der Nymphensittich (männlich, Alter unbekannt) war aus dem Bestand eines Zoogeschäftes zugekauft worden, in dem die Psittakose amtlich festgestellt, aber mittlerweile erfolgreich behandelt worden war. Nach seinem plötzlichen Tod wurde er über das zuständige Veterinäramt zur Abklärung der Todesursache eingeschickt. Primär sollte Psittakose ausgeschlossen werden.
Der Tierkörper war stark abgemagert, Kropf und Magen waren futterleer. Im Kropf befand sich ein ca. 4 x 3 x 2 cm großer weicher, unregelmäßig geformter schwammartiger Fremdkörper. Weitere Befunde waren eine geringgradige Darmentzündung, Blutstau in der
Leber und Lungenödem. Aus Lungen und Darm wurden durch bakteriologische Untersuchung Streptokokken isoliert. Die PCR zum Nachweis des Psittakose-Erregers war negativ.
Fall 2: Ein weiblicher, nach Angaben der Besitzerin 2 ½ Jahre alter, Nymphensittich wurde zur Feststellung der Todesursache eingeliefert. Weitere vorberichtliche Angaben waren nicht vorhanden.
Bei der Sektion fiel zunächst die starke Abmagerung des Tierkörpers auf. Kropf und Magen waren futterleer. Der Drüsenmagen war durch einen Fremdkörper aus grobmaschigem textilen Material von ca. 4 x 1 cm Größe verstopft und stark ausgeweitet. Auch hier wurden eine geringgradige Darmentzündung und Lungenödem festgestellt. Aus Darm und Lungen wurden zudem Staphylokokken isoliert. In einem Abstrich der Drüsenmagenschleimhaut wurden durch Gram-Färbung Megabakterien (Rhabdomyces ornithogaster) nachgewiesen.
Kropf-Fremdkörper aus Fall 1
Das pathologisch-anatomische Bild war bei beiden Nymphensittichen nahezu identisch. Durch die in Kropf bzw. Drüsenmagen sitzenden, oral aufgenommenen Fremdkörper wurde eine weitere Nahrungsaufnahme über längere Zeit verhindert. Dies führte zu starker Abmagerung und Schwächung, was wiederum die sekundäre Ansiedelung von Keimen begünstigte. Unbehandelt endete die Erkrankung mit dem Tod der Tiere.
Es ist wichtig zu beachten, dass insbesondere Sittiche und Papageien, die ein starkes Nagebedürfnis haben, in menschlicher Obhut nicht nur durch giftige Zimmerpflanzen oder bleihaltige Gardinenschnüre gefährdet sind, sondern auch durch das spielerische Beknabbern und Zerlegen von allerlei Gegenständen und die Aufnahme von an sich ungiftigen Fremdkörpern (Holzteile, Plastik- oder Metallstücke, Stoffe). Es ist bekannt, dass Vögel verhältnisgroße Teile abschlucken können. Bei den oben beschriebenen Fremdkörpern könnte es sich in Fall 1 um einen Teil der Füllung einer Stoffpuppe oder eines Kissens, in Fall 2 um ein Stück einer Kordel gehandelt haben.
Klinische Symptome nach Aufnahme von Fremdkörpern sind Würgebewegungen, Kopfschütteln, vermehrtes Speicheln, Einstellen der Nahrungsaufnahme, Abmagerung und Blutbeimengungen im Kot. Die Diagnose wird durch Palpation des Kropfes, Röntgenaufnahmen oder Endoskopie gestellt. Die Entfernung des Fremdkörpers erfordert in der Regel ein chirurgisches Vorgehen.
Papageien und Sittichen zum Beknabbern überlassene Spielzeuge, aber auch andere, bei Freiflug in der Wohnung erreichbare Gegenstände sind daher kritisch zu prüfen. Alles, was in größere unverdauliche Teile zerlegt werden kann, sollte aus der Umgebung der Vögel entfernt werden. Dem Nagebedürfnis von Krummschnäbeln wird am besten durch Anbieten frischer Zweige von z.B. Obstbäumen oder Weiden entsprochen.
Nymphensittich #5, Thomas Max Müller, Pixelio.de, Image-ID=326076.