Tábata Rajcic de Rezende (CVUA Karlsruhe)
Die sogenannten „neuartigen Lebensmittel“ oder „Novel Food“ sind Lebensmittel und/oder Lebensmittelzutaten, die noch relativ neu auf dem europäischen Markt sind und somit keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel für den menschlichen Verzehr haben. Aufgrund ihrer exotischen Herkunft oder der Anwendung innovativer Herstellungsverfahren sowie ihrer speziellen Zusammensetzung bedürfen diese Produkte vor ihrer Verwendung einer Zulassung und werden während des Verfahrens einer Sicherheitsbewertung unterzogen.
Die Regelungen in der Verordnung über neuartige Lebensmittel dienen daher als Schutz der Gesundheit des Menschen und ermöglichen gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts. Seit 01.01.2018 ist die alte Novel Food Verordnung (EG) Nr. 258/97 außer Kraft und durch die neue Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 abgelöst.
Die noch ziemlich neue europäische Novel Food-Verordnung (VO (EU) Nr. 2015/2283) ist am 31.12.2015 in Kraft getreten, sie gilt jedoch vollumfänglich erst seit dem 01.01.2018 (Ablösung der bisher geltenden VO (EG) Nr. 258/97). Die Übergangsregelungen sind in Art. 35 der genannten Verordnung geregelt (siehe Info-Kasten).
Durch die neue EU Novel Food-Verordnung sind auch neue Durchführungsverordnungen der der europäischen Union verabschiedet worden.
„Neuartige Lebensmittel“ oder „Novel Food“ sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die vor dem 15. Mai 1997* in der Europäischen Gemeinschaft (unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union) noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Sie müssen auch mindestens in einer der in Artikel 3 der Novel Food-Verordnung genannten Fallgruppen zugeordnet werden können. Als neuartige Lebensmittel gelten:
Auch traditionelle Lebensmittel aus einem Land außerhalb der Europäischen Union (Drittland), die in Europa vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, unterliegen der Novel Food-Verordnung.
Nicht in den Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung fallen (vgl. Art. 2):
*Lediglich zur Klarstellung über den Stichtag: der maßgebliche Stichtag war der Tag des Inkrafttretens der alten Novel Food-Verordnung (VO (EG) Nr. 258/97).
Wichtig bei der Einstufung von Lebensmitteln als „neuartig“ ist eine präzise Überprüfung der entscheidenden Kriterien, z.B. seit wann ein Lebensmittel in Europa oder einem Drittland bereits verzehrt wird und in welchen Mengen (Einzelfallprüfung).
Die europäische Novel-Food Verordnung ist bezüglich des Nachweises über die Neuartigkeit von Lebensmitteln/ Lebensmittelzutaten eindeutig. Lebensmittelunternehmer müssen in eigener Verantwortung prüfen, ob Lebensmittel, die sie in der Union in Verkehr bringen wollen, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen oder nicht (vgl. Art. 4).
Als Orientierungshilfe für Inverkehrbringer zur Ermittlung der Frage, wann ein menschlicher Verzehr in nennenswertem Umfang anzunehmen ist, hat die EU-Kommission ein Leitlinien-Dokument auf ihrer Internetseite veröffentlicht („ Human Consumption to a significant Degree“, nur auf Englisch ⇒ https://ec.europa.eu/food/system/files_en?file=2016-10/novel-food_guidance_human-consumption_en.pdf). Zudem bietet die EU-Kommission auch auf ihrer Internetseite einen Katalog mit zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Informationen über den Novel Food-Status vieler Lebensmittel (Novel Food-Katalog ⇒ http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm).
Weitere Orientierungshilfen sind die in den EU-Ländern intern abgestimmten Pflanzenlisten der jeweiligen Mitgliedstaaten. Auf nationaler Ebene in Deutschland ist die Stoffliste des Bundes und der Bundesländer über „Pflanzen und Pflanzenteile“ auf der Internetseite des BVLs zu finden (https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/07_Stofflisten/lm_stofflisten_node.html). Die „BELFRIT-Liste“ ist auch ein Hilfsmittel, die aus einem Kooperationsprojekt zwischen Belgien, Frankreich und Italien entstanden ist, welches mit dem Ziel gestartet wurde, eine zwischenstaatliche Harmonisierung der Beurteilung von „Botanicals“ in Lebensmitteln zu schaffen. Die Liste enthält zahlreiche Pflanzen und Pflanzenteile, die in Nahrungsergänzungsmitteln nicht neuartig anzusehen sind.
Sowohl der EU Novel Food-Katalog als auch die Pflanzenlisten der Mitgliedstaaten sind nicht rechtsverbindlich und erheben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Mittel werden aufgrund von neuen Erkenntnissen im Lauf der Zeit immer wieder aktualisiert und dienen letztlich als Unterstützung bei der Einstufung und Beurteilung von Stoffen hinsichtlich einer Verwendung als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat. Sie entbinden jedoch nicht den Lebensmittelunternehmer von seiner Überprüfungspflicht. Der Novel Food Katalog verweist weiterhin auch auf spezifische Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, da EU-Länder die Vermarktung eines Produkts durch spezifische Rechtsvorschriften einschränken können.
Wenn trotz der beispielhaften genannten Hilfsstellungen noch Unsicherheit über die Einstufung eines Lebensmittels als „neuartig“ besteht, können Lebensmittelunternehmer die zuständige Behörde des Mitgliedstaats in dem sie das neuartige Lebensmittel zuerst in Verkehr bringen wollen, konsultieren (vgl. Art. 4 der EU Novel-Food Verordnung).
In Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige Stelle für die Konsultationsersuchen (vgl. § 1 Abs. 1 der NLV). Die zuständige Behörde überprüft lediglich die vom Antragsteller gelieferten Informationen. Zudem können Mitgliedstaaten auch andere Mitgliedstaaten und die Kommission konsultieren, um zu entscheiden, ob das in Frage gestellte Lebensmittel in den Anwendungsbereich der EU Novel Food-Verordnung fällt oder nicht. Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/456 zu finden. (Konsultationsverfahren zum neuartig-Status ⇒ https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018R0456). Das folgende Schaubild gibt einen vereinfachten Überblick über das Verfahren:
Schaubild
Wenn keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel für den menschlichen Verzehr belegt werden kann, müssen neuartige Lebensmittel vor dem Inverkehrbringen einem Zulassungsverfahren unterzogen werden. Ein Zulassungsantrag wird online über das e-Submission System direkt bei der EU-Kommission gestellt (Portal für die Antragstellung https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/e-submission_en). Der Antrag muss u.a. wissenschaftliche Daten enthalten, die belegen, dass das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt. Die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung wird durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Basis der gelieferten Daten durchgeführt. Die EFSA hat als Hilfsmittel für Antragsteller ein Leitlinien-Dokument (http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/4594) sowie eine Checkliste (http://www.efsa.europa.eu/en/supporting/pub/en-1381) auf ihrer Internetseite veröffentlicht (beide nur auf Englisch verfügbar). Die Mitgliedstaaten werden über die Prozesse informiert und können Anmerkungen sowie Bedenken äußern, sind aber nicht für die Entscheidung zuständig.
Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 (Art. 10-12) sowie in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2469 über Zulassungsanträge geregelt.
Traditionelle Lebensmittel aus einem Land außerhalb der EU (Drittland), die in Europa vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, sind als neuartig einzustufen und unterliegen somit auch den Regelungen der EU Novel Food –Verordnung.
Um das Inverkehrbringen von solchen Produkten auf dem EU Markt zu erleichtern, müssen Antragsteller keinen (aufwendigen) Zulassungsantrag stellen. Durch das Meldeverfahren gemäß Art. 14 können diese Produkte in einem kurzen Zeitraum notifiziert werden. Diese Regelungen betreffen jedoch nur neuartige Lebensmittel aus dem Fallgruppen „Mikroorganismen, Pilze, Algen“, „Tiere“, „Pflanzen“ sowie „Zell- oder Gewebekulturen“. Für neuartige Lebensmittel mit „modifizierter Molekularstruktur“, aus „technisch hergestellten Nanomaterialien“ oder die „durch nicht übliches Verfahren hergestellt wurden“ sowie „nur in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wurden“, gelten diese Regelungen nicht.
Zudem muss der Antragsteller im Meldeverfahren die Verwendungsgeschichte des neuartigen Lebensmittels als sicheres Lebensmittel in einem Drittland über mindestens 25 Jahren hinweg belegen. Das Lebensmittel muss Bestandteil der üblichen Ernährung eines signifikanten Anteils der Bevölkerung gewesen sein. Weiterhin sind auch Daten über die Zusammensetzung, die die Sicherheit des Produkts belegt, vorzulegen. Die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung der gelieferten Daten wird auch durch die EFSA durchgeführt. Als Hilfsmittel für Antragsteller hat die EFSA auch für dieses Verfahren ein Leitlinien-Dokument (http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/4590) auf ihrer Internetseite veröffentlicht (nur auf Englisch verfügbar).
Die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten sowie die EFSA haben eine vier-monatige Frist um begründete Einwände bezüglich des Prozesses zu erheben. Bestehen keine Einwände wird das Erzeugnis von der EU-Kommission in die Unionsliste aufgenommen. Wenn jedoch Einwände bestehen, kann das Erzeugnis einem Zulassungsverfahren mit verkürzten Fristen unterzogen werden und entsprechend der Entscheidung dann auch in die Unionsliste aufgenommen werden.
Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 (Art. 14-29) sowie in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2468 über traditionelle Lebensmittel aus Drittstaaten geregelt.
Die Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel (auch abgekürzt „Unionsliste“ genannt) gilt seit dem 1. Januar 2018 EU-weit und enthält alle bereits in der Union zugelassenen neuartigen Lebensmittel.
Die Aktualisierung der Unionsliste mit neuen zugelassenen neuartigen Lebensmitteln erfolgt durch die EU-Kommission nach den entsprechenden Zulassungs- bzw. Meldeverfahren Mittels Durchführungsrechtsaktes. Für die Aufnahme in die Unionsliste dürfen die Lebensmittel u. a. kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen und den Verbraucher bezüglich ihrer Zusammensetzung nicht irreführen. Die in der Unionsliste aufgelisteten Nutzungsbedingungen, Kennzeichnungsvorschriften und Spezifikationen sind von allen Lebensmittelunternehmern vor dem Inverkehrbringen von Produkten ebenfalls einzuhalten.
Nach der Gültigkeitsprüfung des vom Antragsteller eingereichten technischen Dossiers werden die derzeit in Bearbeitung befindlichen Anträge (sowohl Zulassungsanträge als auch Meldungen traditioneller Lebensmittel aus einem Drittstaat) auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht (https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/authorisations/summary-applications-and-notifications_en).
Die alte Novel Food Verordnung (EG) Nr. 258/97 wurde zum 01.01.2018 aufgehoben und durch die neue europäische Novel Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 abgelöst. Um einen reibungslosen Übergang zu beschaffen, wurden die Übergangsbestimmungen in Art. 35 der neue EU Novel Food-Verordnung geregelt.
Die bereits nach der bis Dezember 2017 geltenden Verordnung (EG) Nr. 258/97 gestellten noch offenen Anträge werden seit dem 1. Januar 2018 als Anträge gemäß der neuen Verordnung behandeln.
Nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 258/97 fallende Lebensmittel, die bis zum 1. Januar 2018 rechtmäßig in Verkehr waren und jetzt in den Anwendungsbereich der neuen Verordnung fallen, benötigen einen Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels oder eine Meldung über ein traditionelles Lebensmittel aus einem Drittstaat, um weiterhin in Verkehr bleiben zu dürfen. Die Frist für die Antragstellung war der 1. Januar 2019 (gemäß Art. 8 Abs. 5 der DVO (EU) 2017/2469) und ist bereits abgeschlossen. Lebensmittel, die sich in dieser Fallkonstellation befinden und für die ein Antrag innerhalb der Frist gestellt wurde, dürfen bis die EU-Kommission eine endgültige Entscheidung trifft, (weiter) in Verkehr gebracht werden.
Aktualisiert 29.05.2019