Neue EU Tabakproduktrichtlinie - Schluss mit fruchtig?!

Julia Simon, Jürgen Hahn (CVUA Sigmaringen)

 

Die Mitgliedstaaten müssen die neue EU Tabakproduktrichtlinie bis Mai 2016 in nationales Recht umsetzen. Ein Hauptziel der Richtlinie ist es, insbesondere Jugendliche vor dem Einstieg in den Konsum von Tabakerzeugnissen abzuhalten. Verschiedene Regelungen sollen gezielt die Attraktivität der Produkte für diese Zielgruppe reduzieren. Dazu sind weitere Beschränkungen bei Aromen, Zusatzstoffen und Aufmachung erforderlich. Dies stellt auch eine neue Herausforderung für die Untersuchung und Beurteilung von Tabakerzeugnissen dar.

 

Schmuckelement.

 

Die EU Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU [1] verbietet Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, wenn sie ein „charakteristisches Aroma“ aufweisen. Dies ist der Fall, wenn Aromastoffe enthalten sind, die den Geruch, Geschmack oder die Rauchintensität des Tabakprodukts entscheidend verändern. Darunter fallen zum Beispiel der Einsatz von Früchten, Kräutern, Menthol oder Vanille. Der Zusatz von Geruchs- und Geschmacksstoffen bleibt jedoch grundsätzlich erlaubt.
Mit der Richtlinie setzt die Europäische Union die Forderungen des Tabakrahmenübereinkommens (Framework Convention on Tobacco Control (FCTC) [2]) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um. Alle WHO-Mitglieder, die das FCTC unterzeichnet haben, darunter auch die Europäische Union und Deutschland, haben sich dadurch verpflichtet, das Angebot und die Nachfrage von Tabakprodukten mittels rechtlicher Bestimmungen einzudämmen.
Die Tabakindustrie verwendet Zusatzstoffe gezielt, um Tabakprodukte für den Verbraucher genießbarer und angenehmer zu machen. Die Hersteller fügen zum Beispiel Zucker, Lakritz und Kakao hinzu, um den Geschmack des Tabakrauchs zu verbessern. Das Hinzufügen dieser Zusatzstoffe führt jedoch nicht zwingend zu einem charakteristischen Aroma in dem Produkt. Nachfolgende Tabelle zeigt die gemeldeten Daten von vier Tabakherstellern für den Zusatz von Zucker, Lakritz und Kakao. Die Werte beziehen sich auf die maximale Zugabe pro Zigarette mit einem durchschnittlichen Tabakeinsatzgewicht von 0,6 g.

Tab. 1 max. Zusatz von Zucker, Lakritz und Kakao in einer Zigarette (0,6 g) von vier Tabakherstellern in Deutschland
Zusatz [mg/Zig.] Hersteller 1 Hersteller 2 Hersteller 3 Hersteller 4
Zucker* 51,6 0,016 26,6 30,2
Lakritz** 4,2 0,43 2,5 4,2
Kakao*** 2,4 0,35 5,3 4,2

* Glucose, Fructose, Saccharose, Invertzucker, Zuckerrohrextrakt, Dextrose
** Flüssiger Extrakt, Wurzelextrakt, Pulverextrakt
*** Kakao, Kakaoextrakt, Kakaopulver, Kakaoschalenextrakt

 

Neben diesen Zusatzstoffen werden aber auch speziellere Aromakomponenten eingesetzt, die zur Individualität und zu einem charakteristischen Geschmack der jeweiligen Marke führen und das eigentliche Aroma des Tabaks positiv verändern sollen. Sie sind meist auf alkoholischer Basis und enthalten künstliche Aromastoffe oder ätherische Öle und Extrakte als natürliche Aromastoffe.
Nachfolgend sind in Tabelle 2 die von der Tabakindustrie gemeldeten aktuellen Gehalte an Aromakomponenten aufgelistet, die nach Definition der neuen EU Tabakproduktrichtlinie zu Produkten mit verbotenen charakteristischen Aromen führen können .

Tab. 2 max. Zusatz von charakteristischen Aromen pro Zigarette (0,6 g) von vier Tabakherstellern in Deutschland
Komponente [µg/Zig.] Geschmack [4] Hersteller 1 Hersteller 2 Hersteller 3 Hersteller 4
Anethol Anis - 22,5 290 30,0
Benzaldehyd Bittermandel 0,60 4,2 0,12 0,60
Cinnamaldehyd Zimt - - 0,14 0,60
Citral Zitrone - - 0,03 -
Diethylmalonat Apfel - 3,2 - -
Ethyllactat Mandarine 30,0 - - 0,60
Ethyl-2-methylbutyrat Erdbeer - 0,06 - 0,60
Himbeerketon Himbeer 0,60 0,06 - -
Maltol Caramel 30,0 2,2 4,0 6,0
Vanillin Vanille 30,0 26,5 52,0 60,0

 

Herausforderung für die Überwachung

Die Frage, ob Aromazusätze nur den eigentlichen Tabakgeschmack modifizieren oder bereits als charakteristisches Produktmerkmal wahrgenommen werden, stellt die Untersuchungsämter vor neue Aufgaben. Die genaue Abgrenzung von erlaubten und verbotenen Produkten erfordert einheitliche Kriterien und Bewertungsmerkmale, die auch sensorische Tests einschließen. Die Bewertung von Produkten soll sich zusätzlich auch an messbaren Parametern orientieren, die eine einheitliche sowie eindeutige Handhabung der neuen Bestimmungen gewährleistet. Das erfordert systematische Untersuchungen von Tabakerzeugnissen und die Zusammenfassung wichtiger Aromakomponenten, die zu charakteristischen Geschmackseindrücken führen können.
Aufgabe wird sein, die Konzentrationen und Zusammensetzungen von „charakteristischen Aromen“, welche maßgeblich an der Veränderung des Eigengeschmacks des Tabaks beitragen, zu analysieren. Hierunter fallen nicht nur Aromen die lediglich aus einer Komponente wie beispielsweise Vanillin bestehen, sondern aus einer Vielzahl von Komponenten, wie es bei Mango- oder Erdbeeraroma der Fall ist.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat hier einen ersten interessanten Ansatz [3] entwickelt, um anhand der Herstellermeldungen durch chemisch-analytische Berechnungsverfahren auf mögliche Verdachtsproben schließen zu können, die dann gezielt im Labor chemisch und sensorisch untersucht werden können.

 

Quellen:

[1] http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0040&rid=1

[2] http://www.who.int/fctc/text_download/en/

[3] http://www.bfr.bund.de/cm/343/methodenentwicklung-fuer-die-chemische-charakterisierung-von-aromen-und-zusatzstoffen- in-tabakprodukten.pdf

[4] Jan Velisek: The Chemistry of Food; John Wiley and Sons, Ltd (2014)

 

Weitere Literaturhinweise:

http://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Gesundheit/NichtRauchen/_Texte/EUTabakproduktrichtlinieNeuordnung2014.html

http://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/PITOC/PITOC_Zusatzstoffe_Tabakprodukte_Zucker.pdf

https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/PITOC/PITOC_Zusatzstoffe_Tabakprodukte_Lakritz.pdf

https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/PITOC/PITOC_Zusatzstoffe_Tabakprodukte_Kakao.pdf

 

Bildnachweis:

Bild “Tobacco”: Bild CVUA Sigmaringen

Bild mit Früchten: Fotolia NL Cooperatief U.A.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 25.02.2016