Mycobacterium bovis, der Erreger der „Rindertuberkulose”, bei einem Waschbär nachgewiesen

Dres. Michael Suntz und Klaus-Jürgen Danner, CVUA Freiburg

 

Aus einer Gehegehaltung im Regierungsbezirk Freiburg wurde im Herbst 2012 ein weiblicher Waschbär (Procyon lotor) zur Feststellung der Todesursache in das CVUA Freiburg eingesandt. Das 2,4 kg schwere Weibchen war an einer schweren Lungenentzündung erkrankt. Die Erkrankung verlief trotz tierärztlicher Intensiv-Behandlung tödlich.

Waschbär

Abb. 1: Waschbär (Procyon lotor)


Bei der Autopsie des abgemagerten Tieres wurden mehrere erhabene, bis zu walnussgroße, teils auch konfluierende beigegelbliche Entzündungsherde im Lungengewebe (Abb. 2) festgestellt, die sich meist als unregelmäßige, kavernenartige Hohlräume mit zäh-pastöser Füllung darstellten (hochgradige, multifokale granulomatös-nekrotisierende Bronchopneumonie mit Bronchiektasien).

 

Schnittfläche der Lunge mit Entzündungsherden

Abb. 2: Schnittfläche der Lunge mit Entzündungsherden

 

In weitergehenden Untersuchungen wurden sowohl in Direktabklatsch - als auch Schnittpräparaten der Lunge mit einer Spezialfärbung zum Nachweis säurefester Bakterien leuchtend rot angefärbte (säurefeste) Stäbchenbakterien nachgewiesen (Abb. 3).


Ziehl-Neelsen-Spezialfärbung mit leuchtend rot gefärbten Tuberkulose-Erregern

Abb. 3: Ziehl-Neelsen-Spezialfärbung mit leuchtend rot gefärbten Tuberkulose-Erregern (hier: Mycobacterium bovis) im entzündlich veränderten Lungengewebe (1000-fach vergrößert, Ölimmersion)

 

Damit bestand der begründete Verdacht einer Lungentuberkulose beim eingesendeten Waschbärweibchen.


In einem weiteren Schritt erfolgte der Nachweis von erregerspezifischem Erbmaterial im Lungengewebe mittels Real-time PCR (qPCR). In der Veterinärmedizin werden bei der molekularbiologischen Tuberkulosediagnostik zwei verschiedene qPCR-Verfahren parallel angewandt. Damit wird gewährleistet, dass sämtliche zum Mycobacterium tuberculosis complex (MTC) zählende Mykobakterien durch die getrennten Nachweise von zwei verschiedenen Zielgenomsequenzen (IS1081 und HELI) sicher nachgewiesen werden können.

 

Grafische Darstellung der Real-time PCR–Ergebnisse beim MTC-Genomnachweis

Abb. 4: Grafische Darstellung der Real-time PCR-Ergebnisse beim MTC-Genomnachweis


In beiden qPCR-Verfahren reagierte das Lungengewebe mit einem ct-Wert von 23,6 deutlich positiv und im Hinblick auf dessen Erregerkonzentration sogar etwa 1.000-mal stärker als die mitgeführte Positivkontrolle.


Zur Bestätigung dieser Ergebnisse wurde Lungengewebe an das nationale veterinärmedizinische Referenzlabor für Tuberkulose im Friedrich-Löffler-Institut in Jena geschickt. Dort erfolgten weitergehende Untersuchungen zur Anzucht und Typisierung des Erregers.


Nach einem Luchs 2010 ist dies nun schon der zweite Fall einer Tuberkulose-Erkrankung bei einem Fleischfresser aus einem Tiergehege innerhalb kurzer Zeit. Während aber beim aktuellen Fall des Waschbären der Erreger Mycobacterium bovis nachgewiesen werden konnte, lag beim Luchs (siehe Link) eine Infektion mit Mycobacterium microti vor.


Beide Bakterienspezies gehören zum Erregerspektrum des Mycobacterium tuberculosis-Komplex (MTC). Darin werden die eng verwandten eigentlichen Tuberkulose-Erreger M. tuberculosis, M. africanum, M. bovis, M. caprae, M. canettii, M. microti und M. pinnipedii zusammengefasst.

Tuberkulose

Die Tuberkulose kommt bei Mensch und Tier weltweit vor. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkranken jährlich fast 9 Millionen Menschen an einer Tuberkulose und etwa 1,4 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen dieser Krankheit.


In Deutschland tritt die Tuberkulose beim Menschen gelegentlich auf. Im Jahr 2010 wurden 4.330 Neuerkrankungen an aktiver Tuberkulose gemeldet. 161 Patienten verstarben daran. Der Haupterreger humaner Tuberkulosefälle ist M. tuberculosis. Infektionen des Menschen mit M. bovis sind in Deutschland eher selten (1-2% der Tuberkulose-Fälle).

 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag der Anteil noch bei etwa 10%. Trotz dieses Rückganges gilt M. bovis als der wichtigste zoonotische (d. h. zwischen Tier und Mensch übertragbare) Tuberkuloseerreger.


Für M. bovis bilden Mensch und Rind sowie manche Wildtiere das Reservoir.

 

Weitere Informationen

http://www.fli.bund.de/de/startseite/institute/institut-fuer-molekulare-pathogenese/referenzlabore/nrl-fuer-tuberkulose.html

 

http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Download/TB2010_Bulletin.html

 

https://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=3&Thema_ID=8&ID=1426&Pdf=No

 

Bildnachweis

Abbildung 1: Quartl, Waschbär (Creative Commons Lizenz)

Abbildungen 2-4: CVUA-Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 31.05.2013