Absinth: eine Spirituose mit Vergangenheit und Zukunft aus analytischer und lebensmittelrechtlicher Sicht

Dr. D. Lachenmeier

 

Das Modegetränk Absinth, eine meist grüngefärbte Spirituose von ausgesprochen bitterem Geschmack, erlebt nach fast 70-jährigem Verbot in den letzten Jahren eine Renaissance. Nicht nur in Spezialgeschäften oder über das Internet findet ein reger Handel statt, sondern auch in Supermärkten sind mittlerweile verschiedene Absinthsorten in den Regalen zu finden.

Die für Absinth namengebende Pflanze ist Wermut (Artemisia absinthium L.) aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Extrakte dieser Pflanze sind neben Alkohol Hauptinhaltsstoffe der Spirituose. Heute sind zahlreiche Absinth-Variationen im Handel erhältlich, die der amtlichen Lebensmittelüberwachung unterliegen. Seit Aufhebung des langjährigen Verbots sind noch keine gesetzlichen Mindestanforderungen oder aktuelle Begriffsbestimmungen zu dieser Spirituose formuliert worden.
Mit der Richtlinie „88/388 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aromen zur Verwendung in Lebensmitteln und über die Ausgangsstoffe für ihre Herstellung" wurde der Zusatz von thujonhaltigen Pflanzen und Pflanzenteilen oder von Aromaextrakten in alkoholischen Getränken in der Europäischen Union (EU) wieder gestattet, und Absinth ist nach Umsetzung der Richtlinie (in Deutschland 1991 mit der Aromenverordnung) wieder in der gesamten EU verkehrsfähig. Für Bitterspirituosen wie Absinth gilt ein Grenzwert von 35mg/kg α-/β-Thujon. Nach Aufhebung des Absinthverbots sind mittlerweile über 100 Absinthsorten auf dem Markt, die als Modegetränk insbesondere über das Internet vermarktet werden.
Bei der lebensmittelchemischen und rechtlichen Beurteilung von Absinth haben wir das Problem, dass diese Spirituose weder in den deutschen „Begriffsbestimmungen für Spirituosen" noch in den Rechtsvorschriften für Spirituosen in der europäischen Union (VO 1576/89) definiert ist.
Aus einer mittels Marktübersicht festgestellten Verkehrsüblichkeit wurden Mindestanforderungen für Absinth abgeleitet. Sensorisch sollte ein Wermutaroma und ein Bittergeschmack feststellbar sein und die typische Trübung beim Verdünnen mit Wasser eintreten. In der Werbung als höherwertig dargestellte Produkte (z.B. Werbeaussage „nach historischem Rezept") sollten darüber hinaus keine künstlichen Farbstoffe enthalten, destillativ hergestellt sein und einen Mindestalkoholgehalt von 45%vol aufweisen.
Mindestanforderungen an Absinth:

  • Charakteristisches Aroma und Bittergeschmack durch natürliche Extrakte von Wermut (Artemisia absinthium L.)
  • Farbe: farblos oder grünlich
  • Typische Trübung beim Verdünnen mit Wasser (Louche-Effekt)
  • β-Thujon-Gehalt größer als α-Thujon-Gehalt

 

Weitere Anforderungen an "hochwertige" Produkte:

  • keine künstlichen Farbstoffe (Färbung nur durch Chlorophyll des Wermuts und anderer Kräuter)
  • destillative Herstellung
  • Mindestalkoholgehalt 45%vol

 

40% der im Jahr 2003 untersuchten Absinthe konnten diese Mindestanforderungen nicht erfüllen. Ein Wermutzusatz war bei keiner dieser Spirituosen nachweisbar, so dass der Verbraucher durch die Bezeichnung „Absinth" irregeführt wird.
Daneben wurde insbesondere bei tschechischen und spanischen Absinthen auffällig häufig das Fehlen der Farbstoffkenntlichmachung festgestellt. In Einzelfällen waren andere Farbstoffe als auf der Verpackung angegeben im Produkt enthalten. 20% der im Jahre 2003 untersuchten Absinthe wurden wegen Mängeln der Farbstoffkennzeichnung b eanstandet.

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 24.11.2008