Wimpernseren – der perfekte Augenaufschlag...

Prostaglandine als Wimpernwachstumsmittel

Die Kosmetiksachverständigen des CVUA Karlsruhe

 

Das Wachstum der Wimpern wird bei vielen Produkten durch den Einsatz und die Wirkung von hormonwirksamen Prostaglandinen erzielt. Doch hier ist aus der Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Vorsicht geboten. Wir haben festgestellt, dass oft die Sicherheitsbewertungen der Hersteller fehlen, arzneilich wirksame Stoffe nicht deklariert sind und mit ernsten unerwünschten Wirkungen zu rechnen ist. Über die Hälfte aller untersuchten Wimpernseren mussten daher beanstandet werden.

Schmuckelement.

Viele Frauen träumen von vollen, dichten und vor allem langen Wimpern. Sie verleihen den Augen Ausdruck und werden daher als Inbegriff der Weiblichkeit wahrgenommen. Daher sind viele Verbraucherinnen bereit, dem natürlichen Wachstum auf die Sprünge zu helfen. Eine Möglichkeit zur Wimpernverlängerung sind Wimpernseren, die häufig Prostaglandine als Wirkstoff enthalten.

 

Wie wirken Prostaglandine in Wimpernseren?

Werden Prostaglandine in Augentropfen für die Behandlung von erhöhtem Augenkammerdruck und "Grünen Star" verwendet, so kann als Nebenwirkung ein verstärktes Wimpernwachstum auftreten. Diese Wirkung wird in gelförmigen Wimpernseren genutzt, um ein dichtes, langes Wimpernwachstum zu erzielen.

 

Was sind Prostaglandine?

Prostaglandine wirken als Gewebshormone. Synthetische Prostaglandin-Analoga, wie Bimatoprost und Tafluprost, werden in der Medizin für die Behandlung von erhöhtem Augenkammerdruck (IOP, intraocular pressure) und die Offenwinkelglaukom-Therapie ("Grüner Star") verwendet. Sie haben eine Vielzahl von teils irreversiblen (Neben-)Wirkungen, die in klinischen Studien gut dokumentiert sind und für Arzneimittel nach Nutzen-Risiko-Abwägung in Kauf genommen werden. So werden u.a.  meist irreversible Änderungen der Pigmentierung der Iris, Augenentzündungen, Makulaödem und morphologische Veränderungen der periorbitalen Region beschrieben. Bimatoprost und Tafluprost zeigen starke adverse Effekte auf das weibliche Reproduktionssystem. Eine Anwendung durch Schwangere muss daher ausgeschlossen sein.

 

Welche Verbindungen werden verwendet und sind diese unbedenklich?

In der Literatur(1) sowie den Inhaltsstofflisten der Produkte zeigt sich, dass aktuell primär die Prostaglandin-Derivate Bimatoprost, Methyldihydronoralfaprostal, Cloprostenol-Isopropylester und Dechloro-dihydroxy-difluoro-ethylprostenolamid (Tafluprost-Ethylamid) eingesetzt werden. Aufgrund der hohen strukturellen Ähnlichkeiten ist davon auszugehen, dass alle diese Verbindungen ähnliche bis identische unerwünschte Wirkungen (siehe Infokasten) zeigen. Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist es besorgniserregend, dass diese Wirkstoffe auch bei Anwendung als Eyeliner den Augeninnendruck beeinflussen und dadurch die Therapie von Offenwinkel-Glaukom und okulärer Hypertension einschränken können. Fehlende Daten – außer zu den Arzneimittelwirkstoffen – erlauben derzeit keine belastbare Risikobewertung. Die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten (Food and Drug Administration, FDA) warnte 2011 vor dem Gebrauch von Wimpernwachstumsmitteln mit dem Wirkstoff Cloprostenol Isopropylester, da sie deren Anwendung als nicht sicher einstuft(2).

 

Welche rechtlichen Vorgaben gibt es?

Prostaglandin-Analoga sind in der EU-Kosmetikverordnung nicht gesondert geregelt. Die Verwendung eines medizinischen Wirkstoffes wie Bimatoprost ist nicht automatisch verboten; allerdings darf der Inhaltsstoff keine pharmakologische Wirkung oder einen therapeutischen Nutzen haben, da es sich dann um ein Arzneimittel mit Zulassungspflicht handelt. Als kosmetisches Mittel dürfen nur Produkte auf den Markt gebracht werden, die für den Verbraucher bei normalem und vorhersehbarem Gebrauch sicher sind. Durch Anwendungs- und Warnhinweise kann der Hersteller eine möglicherweise bedenkliche Verwendung ausschließen. Im Gegensatz zum Einsatz von Arzneimitteln zur Heilung einer Erkrankung, rechtfertigt eine Nutzen-Risiko-Abwägung bei Kosmetika kein Risiko für die menschliche Gesundheit. Die EU-Kosmetikverordnung verpflichtet die verantwortliche Person, das Risiko seiner Produkte zu bewerten und dies im Sicherheitsbericht transparent darzulegen.

Im Hinblick auf die Aufmachung und Kennzeichnung der Produkte regelt die EU-Kosmetikverordnung u.a., dass keine Texte verwendet werden dürfen, die Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen. Werbeaussagen müssen gemäß EU-Claims-Verordnung der Wahrheit entsprechen.

 

Untersuchungsergebnisse

Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen eines Projektes zur Kontrolle des Internethandles (G@ZIELT) 17 Wimpernwachstumsmittel untersucht, die in Deutschland über zahlreiche Online-Händler vertrieben werden. Untersuchungsschwerpunkt stellte daher der Einsatz von Prostaglandin-Verbindungen und die  Sicherheit der Produkte  sowie die Abgrenzung zu Arzneimitteln dar. 

 

Übersicht der Ergebnisse des Projektes „Wimpernwachstumsmittel“

Tabelle: Übersicht der Ergebnisse des Projektes „Wimpernwachstumsmittel“

 

Drei Proben enthielten den Arzneimittelwirkstoff Bimatoprost in arzneilich wirksamen Konzentrationen, ohne dass dieser deklariert war. In einem weiteren Produkt Wimpernserum war Methyldihydronoralfaprostal in ähnlichen Konzentrationen nachweisbar. Diese vier Produkte wurden aufgrund der pharmakologischen Wirkung der Prostaglandine als Funktionsarzneimittel eingestuft und bei einer Verwendung als kosmetisches Mittel als nicht sicher bewertet.

Bei  vier weiteren Produkten waren die Prostaglandin-Analoga Tafluprost-Ethylamid und Cloprostenol-Isopropylester enthalten.  Die betroffenen Hersteller wurden aufgefordert nachzuweisen, dass die Produkte sicher sind.

 

Aufmachung der Wimpernseren

Bei der Kenntlichmachung der Prostaglandine haben die Sachverständigen des CVUA Karlsruhe teilweise erhebliche Mängel festgestellt (siehe Tabelle).

So war bei einem Erzeugnis Cloprostenol-Isopropylester enthalten, obwohl es nicht deklariert war und auch keine Warnhinweise vorhanden waren.  Stattdessen wurde die Natürlichkeit des Produktes ausgelobt. Diese Probe wurde als irreführend und nicht sicher beurteilt. Ein weiteres Produkt wirbt ebenfalls mit „natürlicher Behandlung“ und enthält dabei aber den Arzneimittelwirkstoff Bimatoprost, ohne diesen in der Zusammensetzung aufzuführen.

Erstaunt registrierten unsere Prüfer auch, dass man selbst bei deklarierten Wirkstoffen nicht von sicheren Produkten ausgehen kann. Drei Proben fielen dadurch auf, dass andere Prostaglandine  bestimmt wurden, als in der Bestandteileliste gekennzeichnet waren. Zusätzlich wurde bei zwei dieser Produkte mit der Empfehlung durch eine Behörde geworben, die dem Verbraucher ein besonders sicheres kosmetisches Mittel vortäuschen soll.

Nur sieben Proben waren bezüglich ihrer Zusammensetzung nicht zu beanstanden. Prostaglandine waren weder im Rahmen unserer Laboruntersuchungen nachweisbar noch gekennzeichnet. Werbeaussagen zu diesen Erzeugnissen beziehen sich auf die natürliche Wirkung von Pflanzenextrakten wie „dichter wirkende Wimpern durch hormonfreie Wirkstoffe aus der karibischen Koralle und den Edelweiß-Stammzellen“ und „Peptide lassen Wimpern natürlich voller und kräftiger aussehen“. Da solche Aussagen durch Wirksamkeitsnachweise zu belegen sind, wurden diese Nachweise bei einer Probe wegen des Verdachtes der Irreführung angefordert.

 

Fazit

Können Verbraucherinnen Wimpernwachstumsmittel ohne Sorgen verwenden? Aus Sicht der Sachverständigen für kosmetische Mittel des CVUA Karlsruhe leider nicht.  Über die Hälfte der 17 untersuchten Produkte musste beanstandet werden. Dabei wurden insgesamt vier Proben als Funktionsarzneimittel eingestuft. Falls diese Produkte trotz der Arzneimitteleinstufung weiterhin als Kosmetika vermarktet würden, müsste mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden. Besorgt stellten die Prüfer zudem fest, dass die Wirkstoffe bei fast einem Drittel der Proben nicht oder falsch gekennzeichnet waren.  Dadurch kann sich der Verbraucher auch über die Deklaration der Produkte nicht ausreichend informieren und Produkte deren Aufmachung den Verbraucher ein natürliches und besonders sicheres Produkt erwarten lassen können täuschen.

 

 

Quellen

(1) Bericht der schwedischen Arzneimittelbehörde, 2013

(2) FDA, U.S. Food and Drug Administration, Warning Letter, LLC 4/18/11

 

 

Artikel erstmals erschienen am 16.07.2018