„Low Carb“-Nudeln – schlankmachend oder irreführend?

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Martin Gerhards, Martina Hadamjetz, Dr. Dirk Lachenmeier (CVUA Karlsruhe)

 

Den meisten Menschen dürfte der Begriff „Low Carb“ geläufig sein – eine Ernährungsform, bei welcher sich kohlenhydratarm und dafür protein- und/oder fettreich ernährt wird. Der Verzicht auf einen der drei Haupt-nährstoffe soll zu einem Energiedefizit führen, wodurch die gewünschte Gewichtsreduktion herbeigeführt wird. Entsprechend erfreuen sich mit „Low Carb“ beworbene Lebensmittel großer Beliebtheit seitens der Verbrau-cher.

Was sind „Low Carb“-Nudeln?

Bei „Low Carb“-Nudeln wird der Getreideanteil ganz oder teilweise durch Rohstoffe mit geringerem Kohlenhyd-ratgehalt ersetzt. Die klassischen Nudeln werden für gewöhnlich aus Hartweizengrieß hergestellt und besitzen dementsprechend einen relativ hohen Kohlenhydratanteil von ca. 72 %. Für Verbraucher, die sich im Rahmen einer Gewichtsreduktion kohlenhydratarm ernähren, aber nicht auf Pastagerichte verzichten möchten, werden vermehrt Lebensmittel angeboten, die eiweißreiche Alternativen zu Weizenmehl enthalten. Hierfür werden zum Beispiel getrocknete Pulver aus Soja oder (gemahlene) Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Linsen oder Erb-sen, aber auch Mehl aus Leinsamen und isoliertes Proteinpulver aus Kürbiskernen oder Reis verwendet. „Low Carb“-Nudeln sind dabei natürlich nicht frei von Kohlenhydraten, da eine Stärkebasis zur Ausbildung eines Teiges notwendig ist. Des Weiteren sind diese Nudel-Alternativen, sofern der Getreideanteil komplett ersetzt wurde, ebenfalls für Glutenallergiker von Interesse.

 

Neben dem hohen Proteinanteil zeichnen sich viele der verwendeten Pflanzenmehle auch durch einen hohen Ballaststoffgehalt aus. Ballaststoffe sind für den Menschen unverdaulich, wodurch beim Verzehr im Vergleich weniger Kalorien aufgenommen werden. Außerdem setzt das Sättigungsgefühl bei ballaststoffreicher Kost früher ein und hält über einen längeren Zeitraum an.

 

Eine Fotoaufnahme zeigt Verpackungen von Produkten und lose Teigwaren, die als kohlenhydratreduziert in den Verkehr gebracht wurden.

Abb. 1: Nudeln verschiedener Hersteller

 

Nährwerte der Nudel-Alternativen und „Low Carb“-Nudeln im Vergleich

Nun kommt die Frage auf, inwiefern sich die Nudel-Alternativen in ihren Nährwerten von gewöhnlichen Nudeln unterscheiden. Mit einem Blick auf die Nährwertdeklaration der verschiedenen Nudeln stellt sich heraus: Nicht alle Nudeln, bei denen der Getreideanteil ganz oder teilweise durch eiweißreiche Alternativen ersetzt wurde, weisen einen signifikant geringeren Kohlenhydratgehalt auf. In der nachstehenden Tabelle (Tab.1) sind die Nährwerte klassischer Nudeln den Nudel-Alternativen gegenübergestellt. So enthalten beispielsweise Nudeln aus Hartweizen durchschnittlich 72 g Kohlenhydrate pro 100 g, bezogen auf das ungekochte Produkt. Nudeln auf Basis von Hülsenfrüchten weisen einen Kohlenhydratgehalt von 50 g bis 57 g pro 100 g Nudeln auf. Ihr Kohlenhydratgehalt unterscheidet sich damit lediglich um 5 - 10 g im Vergleich zu Vollkorn Nudeln. Im Vergleich dazu haben Produkte aus Leinsamen bzw. Eiweißnudeln, ausgelobt mit „reduzierter Kohlenhydratanteil“, einen Nährwert von nur 12 g bzw. 15,6 g Kohlenhydrate pro 100 g.

 

 Tabellarischer Vergleich „klassischer“ Nudeln mit Alternativ- bzw. „Low Carb“-Nudeln.

Tab.1: Vergleich „klassischer“ Nudeln mit Alternativ- bzw. „Low Carb“-Nudeln

 

„Low Carb“ und andere Auslobungen – wie ist die Rechtslage?

Im Lebensmittelhandel werden „Low Carb“-Nudeln beispielsweise mit den Worten „proteinreich“ oder „kohlenhydratreduziert“ beworben. Diese sog. nährwertbezogenen Angaben sind in der Health-Claims-Verordnung (VO (EG) Nr. 1924/2006) geregelt und definiert. Nur die in der Verordnung vorgegebenen Claims dürfen zur Bewerbung von Lebensmitteln verwendet werden. Beispielsweise ist die nährwertbezogene Angabe „protein-/eiweißreich“ mit der in der Verordnung aufgeführten Angabe „Hoher Proteingehalt“ gleichzusetzen. Demnach ist die Angabe „protein- bzw. eiweißreich“ nur dann zulässig, wenn auf den Proteingehalt mindestens 20 % des gesamten Brennwerts des Lebensmittels entfallen. Auch bei der Bezeichnung „Low Carb“, selbst sinngemäß als „kohlenhydratarm“ übersetzt, handelt es sich um eine nähwertbezogene Angabe. Diese Angabe ist allerdings rechtlich nicht definiert und aus diesem Grund gemäß der Health-Claims-Verordnung nicht zugelassen. Dennoch werden im Einzel-handel viele Produkte unzulässiger Weise mit „Low Carb“ beworben. Teilweise ist – unabhängig von der Health-Claims-Verordnung auch eine Irreführung des Verbrauchers bei der Bewertung der Produkte zu bedenken, wenn der Kohlenhydratanteil sich nur marginal von einem Normalprodukt unterscheidet. Dagegen ist sind die Angaben „kohlenhydratreduziert“ oder „reduzierter Kohlenhydratanteil“ zulässig, sofern die Reduzierung des Kohlenhydratanteils mindestens 30 % gegenüber einem vergleichbaren Produkt ausmacht.

 

„Low Carb“ durch die Hintertür im Zuge einer markenähnlichen Verwendung?

Während die Verwendung der Bezeichnung „Low Carb“ als nährwertbezogene Angabe unzulässig ist, könnte laut einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg diese Angabe trotzdem nach „Art einer Marke“ verwendet werden, sofern dieser Angabe eine nach der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zugelassene nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist [1]. Allerdings ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, eine zugelassene Angabe zu finden, die sinngemäß der englischen Bezeichnung „Low carb“ entspricht. Der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger hat beispielsweise bekanntgegeben, dass eine Ver-bindung einer „Low Carb“–Bezeichnung mit der Angabe „reduzierter Kohlenhydratgehalt“ für den Verbraucher irreführend wäre, da die beiden Angaben im Widerspruch zueinander stehen [2]. Danach gäbe es keinen zuge-lassenen Claim, der sinnvollerweise mit der Angabe Low Carb verbunden werden kann, wodurch die Angabe Low Carb grundsätzlich unzulässig wäre.

 

Fazit

· Nicht alle Nudeln, bei denen der Getreideanteil ganz oder teilweise durch eiweißreiche Alternativen ersetzt wurde, weisen einen signifikant geringeren Kohlenhydratgehalt auf.

· Obwohl viele Produkte damit beworben werden, ist die Verwendung der nährwertbezogenen Angabe „Low Carb“ rechtlich in der Regel nicht zulässig.

· Verbraucher, die eine strikte Low-Carb-Ernährung durchführen, sollten auch bei als „Low Carb“ deklarierten Produkten die Nährwertabelle zurate ziehen und genau prüfen, ob die Produkte konform zum vorliegenden Ernährungskonzept sind.

 

Verwendete Literatur

[1] Beschluss des Oberlandesgericht Hamburg vom 24.04.2014, Az. 3 W 27/14

[2] Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesam-tes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS), Nr. 2017/10: Zulässigkeit der markenähnlichen Verwendung der Angabe „Low Carb“

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 22.05.2019