(Eis-)kalt erwischt?

Torten aus dem Internethandel

Tábata Rajcic de Rezende, Manuela Mahler, Dr. Dirk W. Lachenmeier, Dr. Monika Lexe, Dr. Martin Lohneis, CVUA Karlsruhe

 

Der Internethandel mit Torten wurde Ende des Sommers 2017 durch ein Projekt auf die Einhaltung der Kühlkette und die damit verbundene Hygiene auf Herz und Nieren geprüft. Weiterer Schwerpunkt der Untersuchung war die Sensorik und die Kennzeichnung der eingesendeten Produkte und der zugehörigen Internetangebote auf der jeweiligen Bestellhomepage. Bei fünf von neun Testbestellungen gab es dabei Probleme mit der Einhaltung der vorgegebenen Temperaturen.

 

Projekt Torten aus dem Internet

Das Internetüberwachungsteam in Baden-Württemberg (Stabsstelle Ernährungssicherheit (SES)) am Regierungspräsidium Tübingen und das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Karlsruhe hat in Zusammenarbeit mit den amtlichen chemischen und mikrobiologischen Laboren im Sommer 2017 Testkäufe durchgeführt, um bestehende Mängel beim Onlinekauf von kühlpflichtigen und tiefgekühlten Torten aufzuzeigen. Vorrangige Untersuchungsziele waren die Prüfung der Einhaltung der Kühlkette beim Versand sowie die Prüfung der Hygienebedingungen der sahnehaltigen Torten bei der Anlieferung der Produkte. Daher erfolgten direkt nach der Ankunft am CVUA Karlsruhe eine Temperaturmessung der Produkte und eine Dokumentation der verwendeten Verpackungen und im Anschluss die mikrobiologischen und sensorischen Untersuchungen. Weiterhin wurden chemische Untersuchungen durchgeführt und die Kennzeichnung auf den Verpackungen und auf der entsprechenden Bestellhomepage überprüft.

 

Das Bild zeigt den Thermofühler eines Temperaturmessgerätes, der in einer Torte steckt.

Bild 1: Temperaturmessung; Foto: CVUA Karlsruhe

 

Das Bild zeigt eine Torte mit Verpackungsmaterial.

Bild 2: Torte mit Verpackungsmaterial; Foto: CVUA Karlsruhe

 

Dieses Bild zeigt ebenfalls eine Torte mit Verpackungsmaterial.

Bild 3: Verpackungsmaterial; Foto: CVUA Karlsruhe

 

Ergebnisse

Im Rahmen des Projektes wurden aus dem Internet 9 Proben (5 TK-Produkte und 4 gekühlte Produkte) mittels eines Testkaufs bestellt. Feine Backwaren sind leicht verderblich und sollten nach Kap. 4.1 Tabelle 3 der DIN 10508 bei einer Temperatur von maximal + 7°C gelagert werden. Alle eingegangenen Produkte wurden in ungekühlten Fahrzeugen mittels Paketservice angeliefert. Hierbei wurden für die Lieferung spezielle Kühlverpackungen (vor allem Styroporkartons mit speziellen Kühlelementen wie Kühlgranulaten in Plastikbeuteln, Gel-Kühlkissen oder Trockeneis (Tiefkühlprodukte)) verwendet. Auf den angelieferten Paketen waren teilweise keinerlei Hinweise auf den Inhalt (leicht verderbliche Lebensmittel) oder auf eine erforderliche Kühllagerung angebracht.

 

Tabelle: Anlieferungstemperaturen, sensorische und mikrobiologische Untersuchungsergebnissen bei den Testbestellungen

Anlieferungstemperaturen, sensorische und mikrobiologische Untersuchungsergebnissen bei den Testbestellungen.

*Probeneingang: hohe Keimgehalte an Hefen und an hygienisch relevanten präsumtiven Bacillus cereus-Keimen. Nach Lagerung: hohe Keimgehalte an Hefen, an Milchsäurebildnern und eine hohe aerobe Gesamtkeimzahl.

 

Bei allen kühlbedürftigen Lebensmitteln wurden beim Eintreffen am CVUA Karlsruhe zu hohe Temperaturen im Produkt gemessen. Eine einzige Probe enthielt in der Verpackung Gel-Kühlkissen als Kühlelemente. Diese waren bei der Anlieferung allerdings schon aufgetaut und zur Kühlung des Lebensmittels nicht ausreichend. Die Probe traf deshalb auch mit einer Temperatur von ca. 20°C ein (Abb. 1). Laut Angabe aus der gesicherten Internetseite des Verkäufers sind alle von ihm angebotenen Torten nach Zahlungseingang frisch gebacken und das bestellte Produkt sollte bei einer Lagertemperatur von 18°C ab Produktion 5 Tage haltbar sein. Ein Produktionsdatum sowie ein weiteres Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Verpackung wurde jedoch seitens des Herstellers/Lieferanten nicht angegeben. Aufgrund der vermittelten Informationen und der Postabgabe der Torte um 12 Uhr mittags ist davon auszugehen, dass die Probe am selben Morgen der Zusendung frisch gebacken wurde. Das Produkt wurde somit 5 Tage ab dem Zusendungsdatum, unter den vom Verkäufer angegebenen Bedingungen gelagert und anschließend untersucht. Am Ende der Lagerung wurde ein durch Mikroorganismen bedingter Verderb festgestellt, sodass die Torte als nicht zum Verzehr geeignet beurteilt werden musste. Die tiefgefrorenen Torten hingegen wurden mit einer Ausnahme innerhalb der jeweiligen Temperaturspezifikation geliefert. Die Verpackungen waren gut isoliert und enthielten ausschließlich Trockeneis als Kühlelemente. Eine Tiefkühltorte wies bei der Abgabe eine Produkttemperatur von minus 10,7°C auf. In der Verpackung waren zwar zwei Einheiten Trockeneis vorhanden, allerdings waren diese bei Probeneingang bereits leer. Die Probe wurde somit aufgrund der Angabe „tiefgefroren“ bzw. „tiefgekühlt“ sowohl auf der Verpackung als auch auf der Internetseite beanstandet. Diese Angabe entsprach in dem Fall nicht den Anforderungen der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel (TLMV). Insgesamt 2/3 der Testbestellungen bei diesem Projekt wurden auch aufgrund fehlerhafter Kennzeichnung (sowohl auf der Verpackung als auch auf der Internetseite) beanstandet.

  

Internethandel mit Lebensmitteln - eine neue Herausforderung für die Überwachung

Der Onlinehandel mit Erzeugnissen nach dem Lebensmittel - und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) wächst stetig und stellt die amtliche Kontrolle vor neue Herausforderungen. Mit diesem Wachstum steigt aber auch die Zahl der Fälle, in denen die angebotenen Lebensmittel nicht den lebensmittelrechtlichen Vorgaben entsprechen. Da der Internethandel kein rechtsfreier Raum ist, hat er sich zu einem neuen und wichtigen Überwachungsfeld entwickelt.
Im Vergleich zu herkömmlichen Verkaufsaktivitäten weist der Onlinehandel einige Besonderheiten auf: Neben irreführenden Werbeaussagen, unzulässigen oder bedenklichen Zutaten ist in den letzten Jahren auch der Onlinevertrieb von frischen oder kühlpflichtigen Lebensmitteln aber auch von Tiefkühlprodukten ein maßgebliches Problemfeld im Bereich der Lebensmittelhygiene. Die Logistik dieser Produktkategorie erfordert zusätzliche Anstrengungen, da die Kühlkette nicht unterbrochen werden darf. Tiefgefrorene und frische Lebensmittel werden zwar derzeit noch weniger stark nachgefragt, da viele Verbraucher bezüglich der Produktqualität skeptisch sind und befürchten, dass die Kühlkette nicht durchgängig eingehalten wird. Jedoch steigerte sich der Bestellungsanteil von schnell verderblichen Frischwaren wie Milchprodukte, Fleisch/Fisch oder Gemüse/Obst im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozentpunkte auf 37 % [1].

 

Problemfeld Kühlkette

Auch aus Sicht der Lebensmittelsicherheit werden vor allem kühlpflichtige Produkte als besonders problematisch angesehen, da diese meist ein Mindesthaltbarkeitsdatum oder Verbrauchsdatum mit Temperaturvorgabe aufweisen. Die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln kann je nach Produktgruppe und deren Verderblichkeit stark schwanken. Für den Onlinevertrieb gelten jedoch die gleichen gesetzlich verankerten Temperaturvorgaben wie auch für den Einzelhandel. Bis zur Abgabe an den Verbraucher sind im Einzelhandel und Onlinehandel die Anforderungen der EU-Verordnung Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene einzuhalten. Die Verantwortlichkeit zur Einhaltung der Kühlkette und somit zur einwandfreien Produktqualität liegt beim Lebensmittelunternehmer, denn dieser hat nach der Basis-Verordnung (VO (EG) Nr. 178/2002) dafür Sorge zu tragen, dass die Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen. Internethändler, die Lebensmittel anbieten, gelten entsprechend der Definition der Basis-Verordnung auch als Lebensmittelunternehmen, da sie am Vertrieb der Lebensmittel beteiligt sind. Somit sind Lebensmittelunternehmer bis zur Abgabe/gesicherten Übergabe an den Verbraucher für das Inverkehrbringen des Lebensmittels verantwortlich, es sei denn, sie delegieren die Verantwortung per Vertrag an den Transporteur. Das verbraucherschützende Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen besteht jedoch nicht bei Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Mindesthaltbarkeitsdatum schnell überschritten würde (vgl. § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB). Somit hat beim Onlinekauf von kühlpflichtigen Produkten weitgehend der Verbraucher das Risiko zu tragen.
 

Fazit

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Online-Bestellung von kühlpflichtigen Lebensmitteln mit erheblichen Risiken verbunden ist. Um einen hygienisch einwandfreien und sicheren Online-Vertrieb von leicht verderblichen Waren zu gewährleisten, ist ein deutlich erhöhter Aufwand im Vergleich zu herkömmlichen Sendungen notwendig. Nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand halten wir den Online-Vertrieb von Produkten, deren Mindesthaltbarkeitsdatum an eine Temperatur gekoppelt ist, in einem ungekühlten Fahrzeug mit lediglich passiver Kühlung für nicht sachgerecht. Für derartige Produkte erscheint die Nutzung oder der Aufbau einer durchgängigen Kühl-Logistik erforderlich zu sein.

 

 

Quellen

[1] Bitkom Research (2016): Pressemitteilung vom 07.12.2016: „Jeder Vierte hat schon einmal online Lebensmittel gekauft“ (https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-Vierte-hat-schon-einmal-online-Lebensmittel-gekauft.html)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 18.05.2018