Bier – 500 Jahre Reinheitsgebot

Dr. Tabea Pflaum, Tabata Rajcic de Rezende, Lena Stellmacher, Dr. Dirk W. Lachenmeier, CVUA Karlsruhe

 

Das „Reinheitsgebot“ für Bier, die sinngemäß älteste noch geltende lebensmittelrechtliche Vorschrift, feiert am 23.4.2016 ihr 500-jähriges Jubiläum.

Das Reinheitsgebot für Bier besagt, dass zur Bierherstellung grundsätzlich nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden dürfen. Auch wenn sich die Brautechnologie seit dem Erlass des Reinheitsgebotes weiterentwickelt hat, beruht die Bierherstellung in Deutschland heute noch auf diesem Grundprinzip. Die Einhaltung des Reinheitsgebotes kann durch Laboruntersuchungen sowie durch Betriebskontrollen in Brauereien überprüft werden. Ein Abriss über die Geschichte des Reinheitsgebotes bis hin zu aktuellen rechtlichen Regelungen stellt im Folgenden dar, wie es um das deutsche Nationalgetränk bestellt ist.

 

 

Was ist das Reinheitsgebot?

Am 23. April 1516 wurde in Ingolstadt durch den bayerischen Herzog Wilhelm IV. und seinen Bruder Herzog Ludwig X. eine Landesverordnung erlassen, die einen Passus enthielt, der heute als „Reinheitsgebot“ bekannt ist. Danach durfte zur Bierherstellung nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden.

 

Einerseits sollte dadurch die Verwendung von Weizen ausgeschlossen werden, welcher damals dringend für die Brotherstellung und somit zur Versorgung der Bevölkerung benötigt wurde. Die zum Brotbacken ungeeignete Getreideart Gerste hingegen durfte zum Bierbrauen eingesetzt werden. Andererseits sollte die Bevölkerung damals vor minderwertigen und teilweise sogar giftigen Zusätzen wie Tollkirschen bei der Bierherstellung geschützt werden.

 

Hefe wurde im Reinheitsgebot von 1516 nicht genannt, da ihre Wirkungsweise bei der Bierherstellung damals noch nicht erforscht war. Bier wurde damals durch Spontangärung mit Hefen und Mikroorganismen aus der Umgebungsluft hergestellt. Meist waren Brauereien daher in der Nähe von Bäckereien zu finden. Erst nach der Entdeckung der alkoholischen Gärung durch Mikroorganismen von Louis Pasteur im Jahr 1876 wurde Hefe gezielt hinzugefügt [1].

 

Das Reinheitsgebot galt ursprünglich nur für das damalige Bayern und wurde später auch von anderen Ländern übernommen (Baden 1896, Württemberg 1900). Erst im Jahr 1906 übernahm das Deutsche Reich einheitlich das Reinheitsgebot für die Bierherstellung. Daher ist heute auch allgemein vom „Deutschen Reinheitsgebot“ die Rede.

 

 

Welche rechtlichen Regelungen gelten in Deutschland heute?

Das Reinheitsgebot von 1516 stellt die Grundlage für das heute gültige Vorläufige Biergesetz dar. Nach diesem dürfen in Deutschland zur Herstellung von untergärigem Bier nur Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe verwendet werden. Bei obergärigem Bier ist nach dem Vorläufigen Biergesetz außerdem die Verwendung von Malz aus anderem Getreide als Gerste und von Zucker zulässig. Nicht zulässig ist jedoch die Verwendung der Getreidearten Mais, Reis und Dari, einer Hirseart. Hopfen darf neben der Doldenform auch als Pulver, in einer anderweitig zerkleinerten Form sowie in Form von Hopfenauszügen zugegeben werden [2, 3].

 

Nach europäischem Recht dürfen Bier generell bestimmte Zusatzstoffe zugesetzt werden. Unter anderem sind dies der Farbstoff Zuckerkulör, die Konservierungsstoffe Benzoesäure, Sorbinsäure, Schwefeldioxid, das Antioxidationsmittel Ascorbinsäure, der Schaumstabilisator Propylenglycolalginat und verschiedene Süßungsmittel, teilweise mit Beschränkungen [4]. In Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 ist jedoch ausdrücklich festgehalten, dass nach dem deutschen Reinheitsgebot gebrautes Bier zu den „traditionellen Lebensmitteln“ zählt, für welche das europäische Zusatzstoffrecht auf nationaler Ebene eingeschränkt werden kann. Deutschland hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und für Biere, die nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut werden, nur die Verwendung von Kohlendioxid und Stickstoff zugelassen. Zur Einstellung eines bestimmten Kohlensäuregehaltes darf dem Bier am Ende des Brauprozesses jedoch nur Kohlendioxid zugesetzt werden, das bei der Bierbereitung abgefangen wurde. Anderes Kohlendioxid und Stickstoff dürfen bei der Bierherstellung zwar verwendet werden (z. B. als Vorspanngas an der Abfüllanlage), jedoch dürfen sie bis auf technisch unvermeidbare Mengen nicht in das Bier übergehen [5].

 

Was ist der Unterschied zwischen untergärigem und obergärigem Bier?

Der Unterschied beruht auf der Art der verwendeten Hefe. Zur Herstellung von obergärigem Bier wird obergärige Hefe (Saccharomyces cerevisiae) verwendet. Diese bildet bei der Vermehrung sogenannte Sprossverbände, d. h. die Hefezellen bleiben miteinander verbunden. Die Kohlensäure, die während der Gärung entsteht, sammelt sich in diesen Sprossverbänden an. Dadurch steigen die Sprossverbände nach oben und sammeln sich an der Oberfläche. Untergärige Biere werden dagegen mit untergäriger Hefe (Saccharomyces carlsbergensis) hergestellt. Bei dieser bleiben die Hefezellen nicht miteinander verbunden und sinken deshalb nach unten auf den Boden des Gärgefäßes [6].

Während obergärige Hefe für die Gärung Umgebungstemperaturen von etwa 15-25 °C benötigt, sind bei der untergärigen Hefe niedrigere Temperaturen von etwa 5-10 °C erforderlich. Vor der Erfindung der Kältemaschine war daher die obergärige Brauart deutlich verbreiteter als die untergärige Brauart [6].

Nach dem Vorläufigen Biergesetz darf zur Herstellung von untergärigem Bier ausschließlich Gerstenmalz verwendet werden. Obergärige Biere dürfen jedoch auch aus Malz von anderen Getreidearten hergestellt werden [2]. Zur Herstellung von Weizenbier wird z. B. neben Gerstenmalz auch Weizenmalz eingesetzt.

 

Bierherstellung mittels offener Gärung

 

Darf in Deutschland Bier gebraut werden, das nicht dem Reinheitsgebot entspricht?

Die nach europäischem Recht für Bier zugelassenen Zusatzstoffe dürfen auch in Deutschland bei der Bierherstellung verwendet werden, solange nicht ausgelobt wird, dass das Bier nach dem Reinheitsgebot hergestellt wurde. Werden Zusatzstoffe verwendet, so müssen diese im Zutatenverzeichnis kenntlich gemacht werden. In der Praxis findet man auf dem Markt jedoch kaum deutsche Biere, denen Zusatzstoffe zugesetzt wurden.

 

Darüber hinaus besteht in allen Bundesländern bis auf Bayern die Möglichkeit, für die Herstellung von „besonderen Bieren“ eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Mit einer solchen Ausnahmegenehmigung können weitere Zutaten verwendet werden, die dem Bier einen besonderen Charakter verleihen. Auf diese Weise wurde die Möglichkeit geschaffen, durch den Zusatz von Gewürzen wie beispielsweise Anis oder Zimt Biere mit einem besonderen Geschmack herzustellen. Eine Ausnahmegenehmigung kann jedoch nicht für die Verwendung von Malz- oder Hopfenersatzstoffen ausgestellt werden. Voraussetzung ist zudem, dass das „besondere Bier“ in seinem Gesamtcharakter ein Bier bleibt. Unter anderem muss es in der Farbe einem Bier gleichen, in Geruch und Geschmack eine bierige Note aufweisen und auch durch die Schaumbildung einen ausgesprochenen Biercharakter behalten. Auch bei Bieren, die ausschließlich zur Ausfuhr bestimmt sind, ist es auf Antrag möglich, vom Reinheitsgebot abzuweichen. Hierbei müssen die Brauereien jedoch die rechtlichen Bestimmungen des Empfängerlandes beachten. Wer Bier nur für den Hausbedarf herstellt, muss sich ebenfalls nicht an das Reinheitsgebot halten [2].

 

Darf ausländisches Bier, das nicht dem Reinheitsgebot entspricht, in Deutschland in den Verkehr gebracht werden?

Außerhalb Deutschlands werden zur Bierherstellung häufig Malzersatzstoffe eingesetzt (z. B. Mais, Reis und Gerste als Rohfrucht, Zucker, Glukosesirup). Bis 1987 durften ausländische Biere in Deutschland jedoch nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie dem deutschen Reinheitsgebot entsprachen. Dies änderte sich nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 1987 [7]. Seitdem dürfen ausländische Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot bzw. dem Vorläufigen Biergesetz hergestellt wurden, auch in Deutschland gewerbsmäßig unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr gebracht werden, wenn sie in ihrem Herstellungsland unter der Bezeichnung „Bier“ oder unter einer entsprechenden Bezeichnung verkehrsfähig sind [8]. Allerdings müssen die in Deutschland geltenden Kennzeichnungsvorschriften erfüllt sein. So muss bei Bier in Deutschland stets ein Zutatenverzeichnis angegeben werden, auch wenn dies in den anderen Mitgliedstaaten der EU bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent nicht vorgeschrieben ist. Die Abweichung vom Reinheitsgebot ist somit durch die Angabe der enthaltenen Zutaten kenntlich zu machen, so dass Verbraucherinnen und Verbraucher die vom Reinheitsgebot abweichende Zusammensetzung des Bieres im Zutatenverzeichnis erkennen können.

 

Bieruntersuchung am CVUA Karlsruhe

 

Wie kann untersucht werden, ob ein Bier dem Reinheitsgebot entspricht

Die zur Bierherstellung verwendeten Getreidearten Gerste und Weizen können mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) unterschieden werden. Darüber hinaus kann die unzulässige Verwendung bestimmter Zusatzstoffe (z. B. Konservierungsstoffe, Süßungsmittel, Antioxidationsmittel Ascorbinsäure) mittels NMR, chromatographischer Verfahren oder enzymatischer Methoden nachgewiesen werden. Auch bei Betriebskontrollen in Brauereien wird die Einhaltung des Reinheitsgebots regelmäßig überprüft. Hierbei wurde in der Vergangenheit in lediglich einem Fall eine Herstellungspraxis festgestellt, die nicht dem Reinheitsgebot entsprach (Verwendung eines Hefepräparates, das einen Emulgator als Zusatzstoff enthielt).

 

Vorbereitung von Bier für die Laboruntersuchung

 

Unterscheidung von untergärigen Bieren (hergestellt mit Gerstenmalz, grün) und obergärigen Bieren (hergestellt mit Weizen- und Gerstenmalz, rot) mittels NMR

 

Literatur:

  • [1] L. Pasteur: Etudes sur la bière. Gauthier-Villars, Paris 1876
  • [2] Vorläufiges Biergesetz vom 29.Juli 1993 (BGBl. I S. 1399), zuletzt geändert 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618)
  • [3] Verordnung zur Durchführung des Vorläufiges Biergesetzes vom 29.Juli 1993 (BGBl. I S. 1422), zuletzt geändert 8.12.2000 (BGBl. I S.1686)
  • [4] Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. Nr. L 354 S. 16), zuletzt geändert 25.02.2016 (ABl. Nr. L 50 S. 25)
  • [5] Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken (Zusatzstoff-Zulassungsverordnung) vom 29. Januar 1998 (BGBl.I S. 230), zuletzt geändert 21. 5. 2012 (BGBl. I S. 1201)
  • [6] L. Narziß: Abriss der Bierbrauerei, 6., neu bearbeitete Auflage, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1995
  • [7] EuGH, Urteil vom 12.03.1987 – Rechtssache 178/84
  • [8] Bierverordnung vom 2. Juli 1990, zuletzt geändert durch Art. 5 VO zur Änd. der Alkoholhaltige GetränkeVO sowie and. Vorschriften vom 8. 5. 2008 (BGBl. I S. 797)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 19.04.2016