Fischölkapseln – was ist drin?

Manuela Mahler, Sibylle Maixner, Dirk Lachenmeier und Irene Straub, CVUA Karlsruhe

 

Stichprobenanalyse von Fischölkapseln auf nicht deklarierte Fettsäureethylester – 2 Proben positiv

Fischölkapseln zur Nahrungsergänzung erfreuen sich aufgrund ihres Gehalts an Omega-3-Fettsäuren großer Beliebtheit. Zahlreiche Hersteller bieten derartige Produkte an. Aber sind die verwendeten Fischöle chemisch verändert? Ist die Kennzeichnung der Produkte korrekt? Dieser Fragestellung ging das CVUA Karlsruhe Ende 2015 nach und untersuchte insgesamt 19 Nahrungsergänzungsmittel auf ihren Gehalt an Fettsäureethylester. Die Beanstandungsquote betrug stolze 42%. Zwei der untersuchten 19 Proben wurden aufgrund ihres Gehaltes an Fettsäureethylestern beanstandet, die übrigen aufgrund von Mängeln in Kennzeichnung und Bewerbung.


Fettsäureethylester kommen in Lebensmitteln von Natur aus nur in geringen Spuren vor. Sie können durch chemische Veränderung von Fetten z.B. aus Fischöl gewonnen werden. Fettsäureethylester werden in Arzneimitteln eingesetzt, um stark erhöhte Blutfettspiegel zu senken, wenn diätetische Maßnahmen allein nicht ausreichen. Nahrungsergänzungsmittel dürfen keine unkontrolliert hohen Mengen an Fettsäureethylestern enthalten, da die Behandlung mit Fettsäureethylestern in ärztliche Hand gehört.

 

Was sind Fettsäureethylester aus Sicht des Chemikers?

Alle natürlichen Speisefette und Speiseöle, also auch Fischöl, bestehen zu über 95% aus Triglyceriden. Bei Triglyceriden sind insgesamt drei Fettsäuren mit dem Alkohol Glycerin chemisch verbunden (verestert). Bei Fettsäureethylestern sind die verschiedenen Fettsäuren (z.B. Ölsäure, Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA)) nicht mit Glycerin verbunden, sondern mit Ethanol. Sie unterscheiden sich somit in gravierender Weise von den natürlich vorkommenden Triglyceriden.


Ernährungsphysiologische Bedeutung von EPA und DHA


In Nahrungsergänzungsmitteln, die im Gegensatz zu Arzneimitteln die übliche Ernährung um wertvolle Nährstoffe ergänzen sollen, werden Fischöle zu ernährungsphysiologischen Zwecken eingesetzt. Als besonders wertvolle Inhaltstoffe werden die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA angesehen. EPA und DHA können im menschlichen Körper aus der alpha-Linolensäure synthetisiert werden. Die Effizienz der Umsetzung ist allerdings gering. In Fachkreisen wird daher auch diskutiert, EPA und DHA als semiessentiell einzustufen. Diese langkettigen Fettsäuren dienen als Vorstufen bei der Synthese von wichtigen Stoffwechselprodukten (Prostanoide, Leukotriene), die sich positiv auf den Fettstoffwechsel, den Blutdruck und Verminderung von Entzündungen auswirken [2,3]. Daher darf ein
gewisser Gehalt an EPA und DHA in einem Lebensmittel auch mit entsprechenden Werbeaussagen versehen werden:


„DHA und EPA tragen
zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutdrucks bei“,
zur Aufrechterhaltung eines normalen Triglyceridspiegels im Blut bei“ oder
„zu einer normalen Herzfunktion bei“.


Die Mindestmengen, die zur Erzielung dieser Wirkungen notwendig sind, müssen dabei ebenfalls angegeben werden (VO(EU) 432/2012) [4].



Rechtliche Regelung zu Fettsäureethylestern in Nahrungsergänzungsmitteln


Eine Anreicherung von Fischöl mit EPA und DHA liegt nahe.
In Nahrungsergänzungsmitteln dürfen jedoch keine arzneilich wirksamen Mengen enthalten sein. Die Behandlung von Krankheiten mit Fettsäureethylestern gehört in die Hand des Arztes.


Seit Juli 2012 gibt es für Nahrungsergänzungsmittel mit Zusatz von Fettsäureethylestern aus verestertem Fischölkonzentrat eine Allgemeinverfügung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) [1]. Demnach dürfen Nahrungsergänzungsmittel nach Deutschland importiert werden, sofern die Menge von 1200 mg verestertem Fischölkonzentrat mit einem Gehalt von 1020 mg Omega-3-Fettsäureethylester (davon 600 mg EPA-Ethylester und 300 mg DHA-Ethylester) bei einer Verzehrsmenge von einer Kapsel täglich nicht überschritten wird. Eine entsprechende Kennzeichnung des Zusatzes muss jedoch erfolgen.

 


Gewinnung Fettsäureethylester durch Umesterung von Fischölkonzentrat


Fettsäureethylester entstehen als Zwischenprodukt bei der Gewinnung von langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren durch ein mehrstufiges, komplexes, technologisches Verfahren [5]. Hierbei handelt es sich nicht um das klassische Verfahren, welches nach den Leitsätzen für Speisefette und Speiseöle [6] für die Umesterung von Speisefetten zugelassen ist. Beim klassischen Verfahren werden die Eigenschaften von Fetten und Ölen geändert, indem die Fettsäuren neu auf das Glycerin verteilt werden. Ausgangs- und Endprodukt sind jeweils Triglyceride – die Umesterung nach Leitsätzen lässt jedoch die Bausteine der Fette prinzipiell unangetastet.

 


Untersuchungsergebnisse im Detail


Bei keinem der durch das CVUA Karlsruhe untersuchten Produkten ergab die Kennzeichnung Hinweise auf einen Zusatz von Fettsäureethylestern. In einer Probe wurden dennoch sehr große Mengen an Fettsäureethylestern festgestellt. Der hohe Gehalt weist darauf hin, dass die gesamte Menge der laut Deklaration in den Kapseln vorhandenen Omega-3-Fettsäure in Form solcher Fettsäureethylester vorhanden war und nicht in Form von Triglyceriden, wie in Fischöl üblich. Eine weitere Probe wies geringere aber deutlich nachweisbare Mengen an EPA- und DHA-Ethylester auf, während in den anderen 17 Proben keine Fettsäureethylester nachgewiesen wurden.


Neben den beiden aufgrund ihres Gehalts an Fettsäureethylestern auffälligen Proben mussten noch sechs weitere Proben aufgrund anderer Mängel in Kennzeichnung und/oder Bewerbung beanstandet werden. Häufige Mängel waren hierbei die Bewerbung mit unzulässigen Claims (gesundheitsbezogene Angaben) bei insgesamt 5 Proben entsprechend 26% oder das Fehlen von Pflichtkennzeichnungselementen nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) [7] bei insgesamt 5 Proben oder 26%. Insgesamt lag die Beanstandungsquote bei rund 42% der Proben.

 


Literatur:


1. BVL (2012): Allgemeinverfügung gemäß § 54 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) für das Inverkehrbringen eines Nahrungsergänzungsmittels mit Zusatz von Fettsäure-Ethylestern aus verestertem Fischölkonzentrat (BVL 12/01/004)


2. H.-K. Biesalski et al., Ernährungsmedizin, Thieme Verlag Stuttgart, 2010


3. Hahn et. al.: Ernährung, WVG Stuttgart, 2016


4. Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (ABl. L 136/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2015/539 vom 31. März 2015 (ABl. L 88/7)


5. H. Breivik, Long-Chain Omega-3 Specialty Oils, The Oily Press, 2007


6. Leitsätze für Speisefette und Speiseöle: Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches für Speisefette und Speiseöle i. d. F. vom 03.11.2011 (BAnz. Mr. 181 S. 4256)


7. VO (EU) 1169/2011 (LMIV): Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304/18, 2015 ABl. L 50/41), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 vom 25. November 2015 (ABl. L 327/1)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 15.04.2016