Influenza - ein Thema auch bei Wild- und Hausschweinen

Die Vogelgrippeepidemien in den letzten Jahren haben die aviäre Influenza in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Demgegenüber ist die Influenza des Schweines in den Hintergrund der Aufmerksamkeit getreten. Zu Unrecht, wie das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart mit aktuellen Untersuchungen herausfand. Das CVUA Stuttgart fordert die Impfstoffhersteller auf, die Bandbreite der Influenza-A-Impfstoffe zu erweitern.

 

Welche Rolle spielen welche Influenzaviren in baden-württembergischen Haus- und Wildschweinen? Dieser Frage ging das virologische Labor des CVUA Stuttgart nach. Dazu wurden Blutproben von Haus- und Wildschweinen gesammelt und mit Hilfe des Hämagglutinationshemmungstests auf Antikörper gegen drei verschiedene Schweine-Influenza-Subtypen untersucht:

  • Der Subtyp H1N1 stammt ursprünglich von Vögeln und wird seit den sechziger Jahren oft in Schweinen nachgewiesen.
  • Der Subtyp H3N2 ist eine Rekombinante aus Schweine- und Vogelviren und kommt seit den achtziger Jahren oft in Schweinebeständen vor.
    Die beiden Subtypen H1N1 und H3N2 sind gemeinsam in den heute erhältlichen Influenzaimpfstoffen für Schweine enthalten.
  • Der Subtyp H1N2, ebenfalls eine Vogel-Säugetier-Rekombinante, wurde 1993 erstmals in Schottland nachgewiesen. Seit 2002 kommt er auch auf dem europäischen Festland vor und hat eine große Ausbreitungstendenz. Er zeigt keine serologische Kreuzreaktion mit H1N1. Damit schützen die Impfstoffe, welche die Subtypen H1N1 und H3N2 enthalten, nicht gegen H1N2.

Es wurden insgesamt 737 ungeimpfte Hausschweine aus 130 Beständen untersucht. Die Hausschweineproben stammten aus Schweinebeständen, die in der Vergangenheit Probleme mit Atemwegserkrankungen hatten und wurden zur Feststellung der Krankheitsursachen von Tierärzten des Schweinegesundheitsdienstes sowie von praktizierenden Tierärzten eingeschickt.

Zusätzlich wurden 262 Wildschweine aus Baden-Württemberg untersucht. Es handelte sich um Blutproben von Wildschweinen, die von Jägern geschossen und im Rahmen des Schweinepestmonitorings beprobt wurden. Krankheitserscheinungen waren bei diesen Tieren nicht beobachtet worden.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren zum Teil überraschend:
Bei den Hausschweinen hatten nur knapp 15% der Bestände keine Antikörper gegen einen der untersuchten Influenzasubtypen, d. h. in mindestens 85% der untersuchten schweinehaltenden Betriebe sind oder waren Influenzaviren präsent. In 37,5% der Bestände konnten Antikörper gegen mehr als einen Subtyp nachgewiesen werden.

 

Abbildung 1: Antikörper gegen die Influenzasubtypen H1N1 und H3N2 in baden-württembergischen Schweinebetrieben.

Abbildung 1: Antikörper gegen die Influenzasubtypen H1N1 und H3N2 in baden-württembergischen Schweinebetrieben

 

Über 40% der untersuchten Bestände wiesen Antikörper gegen den neuen Subtyp H1N2 auf, gegen den es zur Zeit keinen Impfstoff gibt.

 

Abbildung 2: Antikörper gegen H1N2 in baden-württembergischen Schweinebetrieben.

Abbildung 2: Antikörper gegen H1N2 in baden-württembergischen Schweinebetrieben

 

Bei über 25% der untersuchten Wildschweine wurden Influenza-Antikörper gefunden. Mit 13,4% am häufigsten wurde der auch bei Hausschweinen häufige Subtyp H3N2 gefunden, gefolgt vom Subtyp H1N2 mit knapp 10%. Überraschend selten (3,4%) fanden sich Antikörper gegen den in der Hausschweinepopulation sehr verbreiteten Subtyp H1N1.

 

Abbildung 3: Antikörper gegen die Influenzasubtypen H1N1, H3N2 und H1N2 in baden-württembergischen Wildschweinen.

Abbildung 3: Antikörper gegen die Influenzasubtypen H1N1, H3N2 und H1N2 in baden-württembergischen Wildschweinen

 

Zusammenfassung

  • Die bei Hausschweinen serologisch nachgewiesenen Influenza-Subtypen spielen auch beim Wildschwein eine große Rolle.
  • Besonders hervorzuheben ist das häufige Vorkommen des Subtyps H1N2, da gegen diesen Subtypen bisher noch keine Impfstoffe verfügbar sind.
  • Bereits diese kleine Studie unterstreicht die Notwendigkeit, mit Hilfe von Monitoringprogrammen nicht nur das Spektrum der bei Influenza-A-Infektionen des Hausschweines beteiligten Subtypen, sondern auch ganz besonders die Influenza bei unseren heimischen Wildschweinen im Auge zu behalten.
  • Die aufgrund der aktuellen Schweinepestfälle im Rahmen von Monitoringprogrammen entnommenen Serumproben von Wildschweinen sollten unbedingt auch für ein Influenza-Monitoring genutzt werden.
  • Die Impfstoffhersteller werden aufgerufen, den Subtyp H1N2 in die Influenza-A-Impfstoffe für Hausschweine aufzunehmen.

 

Literatur

Polley, Akimkin, Hänel, Hoferer, Sting (2007): Zum Vorkommen von Antikörpern gegen verschiedene Influenza-A-Subtypen bei Haus- und Wildschweinen in Baden-Württemberg. Tierärztliche Umschau 62, 134-140.

 

 

Infokasten: Influenza

Abbildung 4: Influenzavirus im Transmissionselektronenmikroskop, Dr. Marc Hoferer, CVUA Stuttgart.Das Influenzavirus ist ein behülltes RNA-Virus mit einer Größe von etwa 120nm.

Auf seiner Oberfläche trägt es auffällige Proteinstrukturen, das Hämagglutinin und die Neuraminidase. Bis heute sind 9 verschiedene Neuraminidasestrukturen und 15 verschiedene Hämagglutininstrukturen gefunden worden.

Das Influenzavirus zeichnet sich durch eine hohe Mutationsrate aus. Das Virus ist somit in der Lage, sich schnell zu verändern und erschwert damit die Erkennung durch das Immunsystem. Außerdem ist die RNA, in der die genetische Information des Influenzavirus vorliegt, in 8 Segmente unterteilt. Wenn nun 2 verschiedene Influenzaviren in einem Tier zusammentreffen, kann es zu einem Austausch dieser RNA-Segmente kommen. Dadurch entstehen völlig neue, dem Immunsystem des Wirtstieres unbekannte und möglicherweise sehr gefährliche Viren, die eine Influenzaepidemie verursachen können.

Das Schwein ist für einen Austausch von RNA-Segmenten verschiedener Influenzaviren besonders prädestiniert, da es sowohl für Säugetierinfluenzaviren als auch für Influenzaviren von Vögeln empfänglich ist.

So wie das Schwein einerseits für humane Influenzaviren empfänglich ist, können andererseits auch die Influenzaviren des Schweines zu potenziellen Erregern einer humanen Grippe werden.

Beispiele für humane Influenzaepidemien sind

  • 1918 Spanische Grippe (H1N1); das Virus tauchte 1977 als Erreger der "Russischen Grippe" erneut auf.
  • 1957 Asiatische Grippe (H2N2).
  • 1968 Hongkong Grippe (H3N2).

Die Influenza des Schweines ist eine bedeutsame Virusinfektion, die bei Schweinen zu Lungenentzündung mit schwerer Atemnot, bei tragenden Tieren auch zu Aborten führen kann. Ein influenzainfiziertes Schwein ist zudem anfälliger für sekundäre bakterielle Infektionen, die zu einer Verschlimmerung des Zustandes führen können. Folgen sind schlechte Gewichtszunahmen im Bestand und damit erhebliche wirtschaftliche Verluste für den Landwirt.

 

Infokasten: Hämagglutinationshemmungstest

Der Hämagglutinationshemmungstest ist eine serologische Methode, mit deren Hilfe man Antikörper gegen bestimmte Viren nachweisen kann. Voraussetzung ist ein Virus, das in der Lage ist, Erythrozyten zu agglutinieren, also zu verklumpen. Zu diesen agglutinierenden Viren gehören auch die Influenzaviren.

Abbildung 5: Hämagglutinationshemmungstest.

Abbildung 5: Hämagglutinationshemmungstest

 

Während verdünnte Erythrozyten in einer Mikrotiterplatte normalerweise zu Boden sinken und eine knopfförmige Struktur bilden, nehmen Erythrozyten, die mit Influenzaviren vermischt werden, eine flächenförmige Form an.

Abbildung 6: Hämagglutination durch Influenzaviren.

Abbildung 6: Hämagglutination durch Influenzaviren

 

Fügt man der Mischung aus Erythrozyten und Virus jedoch ein Serum mit virusspezifischen Antikörpern hinzu, wird diese Agglutination gehemmt und die Erythrozyten zeigen wieder die knopfförmige Struktur, die, wenn man die Mikrotiterplatte schräg hält, zu eine "Nase" ausläuft.

Abbildung 7: Hämagglutinationshemmung durch antikörperhaltiges Schweineserum.

Abbildung 7: Hämagglutinationshemmung durch antikörperhaltiges Schweineserum

 

Artikel erstmals erschienen am 19.04.2007