Wildtiersurveillance - überraschender Befund bei krankem Igel

Igel verendet an Saugwürmern
Europäischer Igel im Gras. Fotograf: R. Wagner.Am CVUA Stuttgart wurde Anfang Dezember im Rahmen von Wildtieruntersuchungen ein 400 g schwerer männlicher Igel zur Klärung der Todesursache abgeliefert. Zudem sollte geprüft werden, ob neben einem Lungenwurmbefall weitere Parasiten nachweisbar sind.

Einer Privatperson wurde das Tier zur Pflege anvertraut, da er Anfang Dezember nur ein Körpergewicht von ca. 400 g aufwies. Der kleine Igel hatte nicht selbst gefressen und wurde daher mit breiiger Babynahrung, Traubenzucker und Tee gefüttert, nahm aber trotzdem ab. Zudem hustete das Tier ab und zu, wurde apathisch und ist schließlich unterkühlt mit eingefallenen Augen verendet.

Bei der Sektion konnte neben einem mittelgradigen Lungenwurmbefall auch ein starker Zeckenbefall festgestellt werden. Der gelbschleimige Inhalt in der Luftröhre und den Bronchien ließ eine Entzündung der Lunge als Reaktion auf die Lungenwürmer erkennen. Die Schleimhäute des Tieres waren blass aufgrund einer Anämie (Blutarmut). Der Darm stellte sich hochgradig katarrhalisch entzündet und dilatiert (erweitert) dar und enthielt eine flüssige bis wässrige, gelbliche bis rötliche Verdauungsmasse mit massenhaft braun-grünen etwa 3 mm langen gekrümmten "Partikeln". Unter dem Mikroskop betrachtet wurden diese "Partikel" als Brachylaemus erinacei identifiziert, welche zwei gleich große Saugnäpfe und im Uterus (Gebärmutter) massenhaft gedeckelte etwa 30-40 µm x 20 µm große asymmetrische Eier aufwiesen. Hierbei handelt es sich um einen Vertreter der Trematoden (Saugwürmer) aus der Familie der Plathelminthes (Plattwürmer), zu denen auch die Cestoden (Bandwürmer) gehören. Brachylaemus erinacei ist ein Egel, zwittrig wie alle Trematoden, der im Dünndarm von Igeln parasitiert. Bisweilen ist auch der Blinddarm und der Gallengang betroffen. Die Infektion erfolgt über bestimmte Landschnecken (Zwischenwirte), die gefressen werden.

Typisch für diese Erkrankung ist Apathie, Diarrhoe (Durchfall) bisweilen blutig mit nachfolgender Anämie (Blutarmut), starke Abmagerung und rascher Tod. Auch ein typischerweise sehr übler Geruch des Darminhaltes war feststellbar.

 

Abb. 2 und 3: Brachylaemus aus dem Dünndarm vom Igel.

Abb. 2 und 3: Brachylaemus aus dem Dünndarm vom Igel

 

Abb. 4 und 5: Eier von Brachylaemus erinacei.

Abb. 4 und 5: Eier von Brachylaemus erinacei

 

Warum wird eine Wildtiersurveillance durchgeführt?
Wildtiere wie Wildschweine, Feldhasen, Wildenten, aber auch Igel werden kontinuierlich im Rahmen einer Wildtiersurveillance auf Krankheiten untersucht, damit frühzeitig ein Krankheitsherd erkannt wird, der sich eventuell auf Nutztiere auswirken kann. Den Durchseuchungsgrad von frei lebenden Tieren zu kennen, ist aber auch für den Menschen wichtig, denn die sogenannten Zoonosen, d.h. Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden, nehmen zu. Das jüngste viel diskutierte Beispiel für eine Zoonose ist die Vogelgrippe.

 

Bildernachweis
Abbildung 1: Europäischer Igel im Gras - Nachtaufnahme, Fotograf R. Wagner, 2005. Dieses Bild wurde unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation veröffentlicht.

Abbildungen 2 bis 5: Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart, Copyright 2005.

 

Artikel erstmals erschienen am 28.12.2005