Clostridium perfringens: Septikämische Infektion bei einem Stanleysittich

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Andreas Hänel

 

Ein Stanleysittich (Platycercus icterotis) aus einer privaten Haltung, der nach kurzer Krankheitsdauer gestorben war, wurde zur Abklärung der Todesursache an das CVUA Stuttgart gesandt. Bei der Sektion des stark abgemagerten Sittichs wurden als wesentliche Befunde eine hochgradige katarrhalische Darmentzündung sowie eine starke Schwellung von Leber und Milz festgestellt. Die bakteriologische Untersuchung unter Ausschluss von Sauerstoff (anaerob) ergab ein hochgradiges Wachstum einer Reinkultur von Clostridium (C.) perfringens aus dem Darm, der Leber, der Lunge und dem Herzen des Vogels. Somit konnte die Diagnose einer durch C. perfringens bedingten Darmentzündung und Septikämie gestellt werden.

 

C. perfringens ist als bakterieller Infektionserreger bei Hühnervögeln vor allem im Darm weit verbreitet anzutreffen. Hühner, Puten, Wachteln und Fasanen erkranken an einer hochgradigen, oft zum Tode führenden nekrotisierenden Darmentzündung. Bei in menschlicher Obhut gehaltenen Papageienvögeln wird C. perfringens dagegen nur sehr selten als Erreger einer Darmentzündung nachgewiesen. Angaben zu einer septikämischen Ausbreitung des Erregers wie im vorliegenden Fall wurden in der verfügbaren Literatur nicht gefunden.

 

Vorberichtliche Angaben

Ein 2-jähriger männlicher Stanleysittich (Platycercus icterotis) aus einer privaten Haltung wurde zur Abklärung der Todesursache an das CVUA Stuttgart gesandt. Der Sittich war nach nur wenigen Krankheitstagen verendet, ebenso wie der 5-jährige Partnervogel drei Wochen zuvor. Näheres zu den Krankheitssymptomen wurde nicht mitgeteilt. Allerdings wurde als Verdachtsdiagnose Psittakose angegeben, da diese Erkrankung im Bestand eines befreundeten Züchters ausgebrochen und dieser auch selbst daran erkrankt sei.

 

Abb. 1: Stanleysittich (Platycercus icterotis), Männchen.

Abb. 1: Stanleysittich (Platycercus icterotis), Männchen

 

Sektionsbefunde

Der Stanleysittich war stark abgemagert. Kropf und Magen waren futterleer, im Muskelmagen fanden sich reichlich feine Gritsteinchen. Hauptbefunde waren eine hochgradige katarrhalische Darmentzündung sowie eine starke Schwellung von Leber und Milz. Zudem wurden ein Uratstau in den Harnleitern und ein Lungenödem festgestellt.

 

Mikrobiologische Untersuchungen

Der Sektionsbefund – insbesondere die starke Milzschwellung – war durchaus typisch war für das Vorliegen der im Vorbericht vermuteten Psittakose. Daher wurden Leber und Milz des Sittichs zunächst mittels real-time PCR auf den entsprechenden Erreger, Chlamydia psittaci, untersucht. Das Ergebnis war negativ, Psittakose somit ausgeschlossen.

 

Ausstriche von Herz, Leber, Lunge und Dünndarm des Sittichs auf Schafblut-Agar wurden routinemäßig bei 37  oC aerob bebrütet, jedoch war auch nach 2-tägiger Bebrütung kein bakterielles Keimwachstum festzustellen.

Ein zweiter Ausstrich des Dünndarms, ebenfalls auf Schafblut-Agar, wurde unter Ausschluss von Luftsauerstoff anaerob bebrütet. Bei der Ablesung nach ca. 20 Stunden zeigte sich ein hochgradiges Wachstum von stark hämolysierenden Bakterienkolonien, die eine für C. perfringens typische Doppelzonenhämolyse zeigten (Abb. 2). Die exakte Identifizierung der Keime als C. perfringens erfolgte eindeutig mittels MALDI-TOF MS (MALDI Biotyper TM, Bruker Daltonics, Bremen).

 

Abb. 2: Clostridium perfringens: Doppelzonenhämolyse auf Blutagar.

Abb. 2: Clostridium perfringens: Doppelzonenhämolyse auf Blutagar

 

Aufgrund des Ergebnisses der anaeroben Kultur wurden die bereits aerob bebrüteten Ausstriche von Herz, Leber und Lunge für weitere 24 Stunden anaerob bebrütet. Alle 3 Organausstriche ergaben nun ebenfalls ein hochgradiges Wachstum von C. perfringens.

 

Abb. 3: Gramfärbung von Clostridium perfringens: Grampositive Stäbchen.

Abb. 3: Gramfärbung von Clostridium perfringens: Grampositive Stäbchen

 

Diagnose und Diskussion der Untersuchungsergebnisse

Aufgrund der pathologisch-anatomischen und mikrobiologischen Befunde konnte für den Stanleysittich als Todesursache eine durch C.perfringens bedingte Darmentzündung mit nachfolgender septikämischer Ausbreitung der Bakterien diagnostiziert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass der drei Wochen zuvor gestorbene Partnervogel ebenfalls mit C. perfringens infiziert war.

 

C. perfringens ist in der Vogelmedizin hauptsächlich bekannt als Erreger einer nekrotisierenden Darmentzündung bei Hühnern, Puten, Wachteln und Fasanen. Die Gewebsschädigungen sind Folge der Wirkung von Toxinen, welche von den Clostridien gebildet werden. Wenn die Toxine in die Blutbahn gelangen, können auch andere Organe wie Leber und Milz geschädigt werden.

 

Bakterielle Darmentzündungen bei Papageien und Sittichen werden in den meisten Fällen durch gramnegative Stäbchenbakterien wie z.B. Escherichia coli, Klebsiellen, Pseudomonaden oder Salmonellen verursacht. Eine septikämische Ausbreitung der Keime nach starker Schädigung der Darmschleimhaut kommt häufig vor.

Dagegen wird C. perfringens als Erreger von Darmentzündungen bei Papageienvögeln nur selten gefunden. Eine Streuung der Keime über die Blutbahn (hämatogen) im gesamten Organismus wie im vorliegenden Fall ist in der verfügbaren Literatur nicht beschrieben.

 

Da C. perfringens ubiquitär im Boden und auch in Wasser vorkommt, ist eine Aufnahme der Keime durch die Vögel nicht zu verhindern, insbesondere, wenn diese in Volieren mit Naturboden gehalten werden. Für die Entstehung einer Erkrankung sind jedoch praedisponierende Faktoren Voraussetzung. Dies können allgemein Stress, immunsupprimierende Infektionen oder auch ein Befall mit Darmparasiten wie z.B. Kokzidien sein. Störungen der physiologischen Darmflora durch Futterumstellung begünstigen ebenfalls – insbesondere bei Jungtieren – die Ansiedelung von Clostridien im Verdauungstrakt. Was den Ausbruch der Erkrankung im vorliegenden Fall begünstigt hat, konnte nicht eruiert werden. Ausgeschlossen wurden Parasitenbefall sowie das zusätzliche Vorliegen einer Infektion mit anderen Bakterien und Macrorhabdus ornithogaster („Megabakterien“).

 

Die bei Vögeln durch Infektion mit C. perfringens verursachten Symptome sind unspezifisch: gestörtes Allgemeinbefinden, Abmagerung, Durchfall und vermehrte Wasseraufnahme. Bei akutem Verlauf kommt es nach plötzlich auftretendem Durchfall innerhalb weniger Stunden zum Tode.

 

Die Diagnose am lebenden Vogel kann durch bakteriologische Untersuchung einer Kotprobe oder Kloakentupferprobe bei anaerober Bebrütung erfolgen. Zur Therapie werden Antibiotika eingesetzt, wobei oral zu verabreichende Penicillin-Präparate besonders wirksam sind. Dem Auftreten neuer Infektionen kann vorgebeugt werden, indem zur Verminderung des Infektionsdrucks in Volieren die obere Bodenschicht ausgetauscht wird.

 

Abb. 4: Paar Stanleysittiche (Platycercus icterotis), rechts das Weibchen.

Abb. 4: Paar Stanleysittiche (Platycercus icterotis), rechts das Weibchen

 

Infokasten

Clostridium perfringens

Clostridium (C.) perfringens ist ein grampositives, ca. 5x1 µm großes, obligat anaerob wachsendes, sporenbildendes, unbewegliches Stäbchenbakterium. Die Keime sind ubiqitär verbreitet in Boden, Wasser und Staub sowie auch in Lebens- und Futtermitteln.


C. perfringens verursacht (nekrotisierende) Darmentzündungen bzw. Enterotoxämien nicht nur bei Vögeln, sondern auch bei Wiederkäuern, Schweinen, Pferden und Fleischfressern. Sogenannte Gasödeminfektionen sind bei Schafen und Rindern als nekrotisierende Euterentzündungen und beim Menschen als Wundinfektionen (Gasbrand) bekannt. Darüber hinaus kann C. perfringens auch zu Lebensmittelvergiftungen führen.
Allen Krankheitsbildern liegt primär die Wirkung der von C. perfringens gebildeten Toxine zugrunde. Man unterscheidet u.a. Alpha-, Beta-, Epsilon-, Iota- und Theta-Toxine.

 

Stanleysittich

Der Stanleysittich (Platycercus icterotis) ist in Südwest-Australien beheimatet. Mit einer Größe von 26 cm ist er der kleinste Vertreter der Plattschweifsittiche (Tribus Platycerini), zu denen auch so bekannte Arten wie Prachtrosella (Platycercus eximius) und Pennantsittich (Platycercus elegans) gehören.


Aufgrund seiner bunten Gefiederfärbung und seiner leichten Züchtbarkeit ist der Stanleysittich häufig in den Volieren der Vogelliebhaber anzutreffen. Dabei handelt es sich ausschließlich um nachgezüchtete Vögel, da in Australien seit Jahrzehnten ein Ausfuhrverbot für sämtliche Wildtiere besteht. Männchen und Weibchen sind beim Stanleysittich gut zu unterscheiden. Das Weibchen ist etwas kleiner und wesentlich matter gefärbt.

 

Bildernachweis

Abb. 1 und 4: Dr. Andreas Hänel
Abb. 2 und 3: CVUA Stuttgart

 

Quellen

  • Rautenschlein, S., Ryll, M.: Erkrankungen des Nutzgeflügels. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2014.
  • Kellin, N.: Auswertung der Sektions- und Laborbefunde von 1780 Vögeln der Ordnung Psittaciformes in einem Zeitraum von vier Jahren (2000–2003). VVB Laufersweiler Verlag Gießen, 2009.
  • Kaleta, E.F., Krautwald-Junghanns, M.-E.: Kompendium der Ziervogelkrankheiten, Schlütersche Verlagsgesellschaft, 2011.
  • Rolle, M., Mayr, A.: Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. Enke Verlag Stuttgart, 2007.
  • Pinter, H.: Handbuch der Papageienkunde. Kosmos-Verlag Stuttgart, 1982.
  • Reinschmidt, M.: Farbatlas Papageien. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2009.

 

Artikel erstmals erschienen am 24.03.2016