Brucellose bei einem Reh - Eine fast vergessene Tierseuche bei Wiederkäuern

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Reinhard Sting

 

Fallbericht

Die Tierseuche Brucellose, die durch Bakterien der Gattung Brucella hervorgerufenen wird (s. Infokasten), konnte durch konsequente Bekämpfungsmaßnahmen bei unseren Haustieren in Deutschland getilgt werden. Bei Wildtieren jedoch sind Infektionen mit  Brucellen (Brucella suis Biotyp 2) bei Wildschweinen und bei Feldhasen in Deutschland bekannt, wie Untersuchungen in jüngerer Zeit belegen (Al Dahouk et al., 2005; Frölich et al., 2003; Gerst et al., 2010; Gyuranecz et al., 2011; Melzer et al., 2007, Van Roost et al., 2010). Über das Vorkommen der Brucellose beim Rehwild (Capreolus capreolus) oder Rotwild (Cervus elaphus) gibt es in Deutschland jedoch bisher keine, in anderen europäischen Ländern nur sporadische Berichte (Billinis, 2012; Serrano et al., 2011).

 

Infokasten

Brucellose

Die Brucellose ist eine weltweit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit bei Haus- und Wildtieren, die durch Bakterien der Gattung Brucella (B.) verursacht wird. Bei Verdacht einer Brucelloseinfektion bei Haustieren besteht Anzeigepflicht. Gefürchtet und deshalb staatlich bekämpft wird die Brucellose der Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine aufgrund der Übertragbarkeit des Erregers vom Tier auf den Menschen (Zoonose!). Eine konsequente Bekämpfung dieser Tierseuche sowie die Pasteurisierung der Milch in allen Molkereien führte schließlich zu deren Tilgung. Bei landwirtschaftlichen Nutztieren haben die Brucella-Spezies Brucella (B.) abortus beim Rind, B. melitensis bei Schaf und Ziege sowie B. suis beim Schwein besondere Bedeutung. Bei Wildtieren sind vor allem Infektionen bei Wildschweinen und Feldhasen mit B. suis Biotyp2 bekannt, während hingegen keine Daten zum Vorkommen von Brucellen bei Wildwiederkäuern in Deutschland vorliegen.

Der Mensch kann sich mit Brucellen leicht durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren anstecken (geringe Infektionsdosis von nur 10-100 Erregern). Hierbei kann der Erreger nach Durchdringen der Schleimhäute oder der scheinbar unverletzten Haut in den Körper eindringen. Nach einer Inkubationszeit von 1-3, teilweise bis 8 Wochen, ist das Auftreten von Fieber (Bakteriämie = Erregerausbreitung im Blut) in der ein bis drei Wochen anhaltenden akuten Phase typisch. Wird diese Erkrankung nicht als solche erkannt oder nicht korrekt behandelt, ist eine chronische, schwere Brucellose mit Entzündungen in verschiedenen Organen die Folge. Typisch für die Brucellose ist ein wellenförmiger (undulierender) Fieberverlauf, unterbrochen durch fieberfreie Phasen.
Die Brucellose beim Menschen kann mit Antibiotika erfolgreich behandelt werden.

Anfang Februar 2013 wurde von einem Jäger ein moribundes Rehkitz in einem Jagdrevier bei Neuenstein im Landkreis Hohenlohe aufgefunden. Der Jäger brachte das Tier zur Sektion in die Pathologie unseres Hauses, wo eine hochgradige chronisch-reaktive fibrinöse Pleuritis (Brustfellentzündung) sowie eine mittelgradig chronische Lungeninduration (Verdichtung des Lungengewebes) der linken Lunge festgestellt werden konnte. Darüber hinaus war die Milz geschwollen. Aus einer Tupferprobe des Brustfells konnte im Rahmen der bakteriologischen Untersuchung nach 48 Stunden ein starkes Wachstum kleiner Bakterienkolonien auf Schafblutagar beobachtet werden (s. Abbildung).

 

Foto einer Brucellose-Kultur.

Brucella-Kultur auf Schafblutagar (Brustfelltupfer, Reh [Capreolus capreolus]).

 

Diagnose

Mit Hilfe der MALDITOF MS-Technik war eine rasche und eindeutige Identifizierung der Bakterien als Brucellen möglich. Im Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) konnte diese Diagnose mittels Real-Time PCR noch an demselben Tag eindeutig bestätigt werden. Die Keime wurden zur weiteren Feintypisierung an das Nationale Referenzlabor für Brucellose des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Jena (http://www.fli.bund.de/no_cache/de/startseite/institute/institut-fuer-bakterielle-infektionen-und-zoonosen/referenzlabore/oie-und-nrl-fuer-brucellose.html) geschickt. Dort konnte das Isolat als Brucella suis identifiziert werden. 

 

Epidemiologische Bedeutung

Der hier beschriebene Fall einer Brucelloseinfektion bei einem Reh zeigt, dass in Baden-Württemberg nicht nur bei Feldhasen mit der Brucellose zu rechnen ist (Link zu Internetbeitrag „Organ- und Hodenentzündung beim Feldhasen nach Brucelloseinfektion“), sondern auch beim Rehwild.

Berichte über Brucelloseinfektionen bei Feldhasen und auch Wildschweinen liegen aus anderen Bundesländern vor (Al Dahouk et al., 2005; Frölich et al., 2003; Gerst et al., 2010; Gyuranecz et al., 2011; Melzer et al., 2007, Van Roost et al., 2010).

Die wichtigsten vom Tier auf den Menschen übertragbaren bakteriellen Infektionskrankheiten (Zoonosen), die Brucellose und die Tuberkulose, konnten durch konsequente Bekämpfungsmaßnahmen getilgt werden. Die Wildtierpopulation erweist sich jedoch wiederholt als Reservoir für Zoonoseereger („Nicht nur für Hasen gefährlich, sondern auch für den Menschen - Jäger sind aufgrund direkten Kontaktes zu erlegten Tieren besonders gefährdet“, „Brucellose: bei Haustieren getilgt, bei Wildtieren aktuell“, „Corynebacterium ulcerans in Wildschweinen“).

 

Schutz der Jäger vor Ansteckung

Jäger sind aufgrund des direkten Kontaktes zu erlegten Tieren besonders gefährdet. Beim Aufbrechen des Wildes sollten deshalb stets Einwegschutzhandschuhe getragen werden.

 

Der Jäger sollte erkrankte oder tote Tiere mit Einwegschutzhandschuhen aufnehmen, sogleich in eine Plastiktüte packen und das Tier zur Untersuchung über das zuständige Veterinäramt oder direkt an ein Untersuchungsamt bringen.
Nur durch die Untersuchungen erkrankter und verendeter Wildtiere sowie erlegter Tier mit auffälligen Veränderungen ist es möglich, das Wissen über die tatsächliche Verbreitung der auch auf den Menschen übertragbaren Brucellose zu erweitern und ständig zu aktualisieren, um somit Infektionsrisiken abschätzen zu können.

 

Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen!

Untersuchungen von Wildtieren auf Krankheiten werden durch finanzielle Mittel des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) Baden-Württemberg unterstützt und sind daher kostenfrei.

 

Literaturverzeichnis:

Al Dahouk, S., K. Nöckler, H. Tomaso, W.D. Splettstoesser, G., U. T Petry, D. Hoffmann, H.C. Scholz, A. Hensel, H. Neubauer (2005): Seroprevalence of brucellosis, tularemia, and yersiniosis in wild boars (Sus scrofa) from North-Eastern Germany. Journal of Veterinary Medicine Series B 52, 444-455.
Billinis, C. (2012): Wildlife diseases that pose a risk to small ruminants and their farmers. Small Ruminant Research 110, 67-70.
Frölich, K., J. Wisser, H. Schmüser, U. Fehlberg, H. Neubauer, R. Grunow, K. Nikolaou, J. Priemer, S. Thiede, W.J. Streich, S. Speck (2003): Epizootiologic and ecologic investigations of European brown hares (Lepus europaeus) in selected populations from Schleswig-Holstein, Germany. Journal of Wildlife Diseases 39, 751-761.
Gerst, S., P. Wolf, W. Uhl, K. Risch, C. Wolf, K. Gerst, M. Seelmann (2010): Vorkommen der Brucellose beim Schwarzwild in Mecklenburg-Vorpommern - pathologische Befunde und Erreger-/Genomnachweise im Rahmen eines Monitoringprogramms. Tierärztliche Umschau 65, 336-341.
Gyuranecz, M., K. Erdélyi, L. Makrai, L. Fodor, B. Szépe,  Á.R. Mészáros, A. Dán, L. Dencso, E. Fassang, L. Szeredi (2011): Brucellosis of the European Brown Hare (Lepus europaeus). Journal of Comparative Pathology 145, 1-5.
Melzer, F., R. Lohse, H. Nieper, M. Liebert, K. Sachse (2007): A serological study on brucellosis in wild boars in Germany. European Journal of Wildlife Research 53, 153-157.
Serrano, E., P.C. Cross, M. Beneria, A. Ficapal, J. Curia, X. Marco, S. Lavi, I. Marco (2011): Decreasing prevalence of brucellosis in red deer through efforts to control disease in livestock. Epidemiol. Infect. (2011), 139, 1626-1630.
Von Roost, H., M. Seelmann, M. Konow, M. Klopries, F. Melzer, R. Wölk, M. Kay, E. Dey, H. Mildner, H. Heyne, (2010): Early recognition and monitoring of brucellosis in free-range pig farms in Mecklenburg-Western Pomerania, Germany. Tierarztliche Umschau 65, 278-284.

 

Bildernachweis:

CVUA Stuttgart.

 

Artikel erstmals erschienen am 20.02.2013