Corynebacterium ulcerans in Wildschweinen

- Wildtiere als Träger potenziell humanpathogener Keime identifiziert -

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Matthias Contzen, Dr. Reinhard Sting, Dr. Birgit Blazey, Dr. Jörg Rau

 

Schmuckelement.

Erstmals konnte bei einem heimischen Wildtier (Wildschwein) Corynebacterium (C.) ulcerans aus Lymphknotenabszessen isoliert werden. C. ulcerans ist ein Bakterium, das vom Tier auf den Menschen übertragen werden und hier Diphtherie-ähnliche Infektionen verursachen kann (Zoonose).

 

Verschiedene ernste Krankheiten von Mensch und Tier können von Corynebakterien verursacht werden. Krankheitserreger unter den Corynebakterien finden sich insbesondere in der sogenannten „Corynebacterium diphtheriae Gruppe“. Zu dieser Gruppe gehören als deren bekanntester Vertreter C. diphtheriae, der Erreger der klassischen Diphtherie, sowie C. ulcerans und C. pseudotuberculosis (siehe Internetbeitrag „Pseudotuberkulose- (Corynebacterium pseudotuberculosis) Infektionen im Vormarsch“).

 

Während C. diphtheriae als Auslöser der nach wie vor weltweit vorkommenden Diphtherie des Menschen bekannt ist, verursacht C. pseudotuberculosis die fast ausschließlich bei Tieren vorkommende Pseudotuberkulose (Lymphadenitis caseosa).

Das Vorkommen von C. diphtheriae ist in Deutschland glücklicherweise selten geworden. Allerdings kann auch C. ulcerans Diphtherie beim Menschen auslösen. Dieser Erreger wird inzwischen in Deutschland sogar häufiger als Ursache dieser schweren Erkrankung diagnostiziert (RKI, 2008). C. ulcerans kann aber auch andere, extrapharyngeale Infekte beim Menschen auslösen.

Bei Tieren ähnelt das durch C. ulcerans ausgelöste Krankheitsbildsehr dem einer C. pseudotuberculosis-Infektion. Eine Übertragung dieser Infektion vom Tier auf den Menschen (Zoonose) konnte für C. ulcerans bereits nachgewiesen werden (Hoog et al., 2008). In diesem Zusammenhang ist das breite Wirtsspektrum von C. ulcerans zu beachten, das sich nicht nur auf Haustiere wie Hunde, Katzen, Schweine oder Rinder beschränkt, sondern auch ‚exotischere’ Arten wie Dromedar, Otter, Eichhörnchen oder Affen umfasst.

 

Am CVUA Stuttgart konnten nun erstmalig auch in zwei erkrankten heimischen Wildschweinen C. ulcerans-Keime nachgewiesen werden. Die Tiere stammten aus den Gemarkungen Pforzheim und Tauberbischofsheim, wobei eines tot aufgefunden, das andere erlegt worden war. Die Lymphknoten beider Wildschweine zeigten im Rahmen der pathologisch-anatomischen Untersuchung Abszessbildung mit den für die Pseudotuberkulose typischen, käsig-weißen Nekrosen mit “zwiebelschalen-artigem” Aufbau (s. Bild). Im histologischen Bild waren zudem deutlich Nekrosen des Lymphgewebes mit Anhäufungen von Bakterien und dystrophischer Verkalkung erkennbar.

 

Fotos.

 

links: Lymphknoten eines mit einer C. ulcerans-Infektion betroffenen Wildschweins mit zwiebelschalenartigen Veränderungen

rechts: C. ulcerans auf Schafblutagar in kreidestrichartigen Kolonien

 

Die gezielte mikrobiologische Untersuchung führte zur Isolierung Corynebakterien-verdächtiger Kolonien in Reinkulturen. Während die Identifizierung der Keime als Corynebakterien mit klassischen Methoden gelang, war die Differenzierung zwischen C. ulcerans und C. pseudotuberculosis mit diesen Verfahren nicht möglich.

 

Das interdisziplinäre Expertenteam des CVUA Stuttgart konnte jedoch mithilfe neuer Messtechniken beide Isolate aus den Wildschweinen eindeutig als C. ulcerans identifizieren. Hierbei kamen neben erweiterten biochemischen und molekularbiologischen Verfahren auch die Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie (FT-IR) zum Einsatz.
(siehe hierzu auch Internetbeitrag von 2009)

 

Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Identifizierung und Unterscheidung von C. pseudotuberculosis und C. ulcerans mittels der FT-IR-Technik nicht nur verlässlicher, sondern auch schneller und kostengünstiger als mit herkömmlichen biochemischen Tests ist.

 

Die Befunde belegen, dass Wildtiere ein Reservoire für C. ulcerans sein können. Da dieser Erreger vom Tier auf den Menschenübertragen werden kann, sind Daten über das Vorkommen dieser Corynebakterien bei Haus- und Wildtieren von besonderer Bedeutung. Bei der Erforschung der Verbreitung von C. ulcerans sind wir auch auf die Hilfe von Jägern durch Einsendungen veränderter Organe und Lymphknoten (Abszesse) von Wildschweinen aber auch anderen Wildtieren angewiesen.

 

Literatur:

  • Contzen, M, R. Sting, B. Blazey, J. Rau: Corynebacterium ulcerans from diseased wild boars. Zoonoses and Public Health, e-pub ahead of print
  • Hogg, R. A., J. Wessels, J. Hart, A. Efstratiou, A. De Zoysa, G. Mann, T. Allen, and G. C. Pritchard, 2009: Possible zoonotic transmission of toxigenic Corynebacterium ulcerans from companion animals in a human case of fatal diphtheria. Vet. Record 195, 691–692.
  • RKI (2008) 10 Jahre Konsiliarlaboratorium für Diphtherie: Zur Charakterisierung von C.-diphtheriae-verdächtigen Isolaten. Epid. Bull. 3, 23–25.

 

Bilder:

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 17.02.2011