Es muss nicht immer Vogelgrippe sein - die Infektiöse Laryngotracheitis der Hühner

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Andreas Hänel

 

In einer kleinbäuerlichen Geflügelhaltung auf der Schwäbischen Alb mit etwa 40 Hühnern unterschiedlichen Alters verendeten über Nacht 12 Tiere. Kamm, Kehllappen und Schleimhäute der toten Hühner waren blass, die überlebenden Hühner klinisch unauffällig.

Der Tierbesitzer äußerte den Verdacht, seine Hühner seien vergiftet worden. Das zuständige Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit hatte jedoch nach den Vorgaben der Geflügelpest-Verordnung zunächst das Vorliegen einer Infektion mit hochpathogenem aviären Influenzavirus (Vogelgrippe, Klassische Geflügelpest) abzuklären, die ebenfalls innerhalb weniger Stunden zu hohen Verlusten in Hühnerbeständen führen kann und staatlich bekämpft werden muss.

Daher wurden dem CVUA Stuttgart 3 verendete Junghühner zur Feststellung der Todesursache und zum Ausschluss eine Infektion mit aviärem Influenzavirus überbracht.

 

Auffallend war zunächst der starke Befall mit Vogelmilben und Federlingen. Alle 3 Tierkörper befanden sich in schlechtem Ernährungszustand. Kropf und Magen enthielten nur wenige Futterkörner. Besondere Befunde konnten nur am Atmungstrakt erhoben werden. Luftröhre und Kehlkopf waren hochgradig blutig-fibrinös entzündet, z. T. war die Luftröhre vollständig durch ein Koagulum aus Blut und Fibrin verlegt (Abb. 1). Daneben wurde noch ein leichtes Lungenödem festgestellt.

 

Foto: entzündete Luftröhre eines Huhnes.

Abb. 1: ILT. Entzündete, mit blutigem Koagulum ausgefüllte Luftröhre eines Huhnes.


 

An den Sektionstieren wurden Tupferproben aus der Luftröhre entnommen und mittels Real-time PCR auf aviäres Influenzavirus untersucht. Das Ergebnis war negativ, die klassische Geflügelpest somit ausgeschlossen.

 

Für das Vorliegen einer Vergiftung ergab das Sektionsbild keine Anhaltspunkte, begründete aber den Verdacht auf Infektiöse Laryngotracheitis (ILT), eine durch ein Herpesvirus (Gallid Herpesvirus 1) verursachte Atemwegserkrankung der Hühner, die in ihrer schweren Verlaufsform zu Verlusten von bis zu 70% des Bestandes führen kann. Daher wurde gezielt in dieser Richtung weiter untersucht.

 

Für die Bestätigung der Verdachtsdiagnose ILT sind mehrere Diagnoseverfahren am CVUA Stuttgart etabliert.

Mittels Immundiffusionstest im Agargel kann Virusantigen in der Luftröhrenschleimhaut nachgewiesen werden. Eine weiße Präzipitationslinie im Agar zeigt an, dass in der Luftröhrenschleimhaut Virusantigen vorhanden ist, welches mit spezifischen Antikörpern eines positiven Kontrollserums reagiert (Abb. 2).

 

Foto: Immundiffusionstest im Agargel.

Abb. 2: ILT. Immundiffusionstest im Agargel,

3 Proben positiver Luftröhrenschleimhaut oben und rechts, Positivkontrolle unten links.

 

Bei der histologischen Untersuchung zeigt sich eine deutliche plasmazelluläre Entzündungsreaktion. Das Schleimhautepithel ist nekrotisch. In zahlreichen abgeschilferten Epithelzellen sind die für eine Herpesvirus-Infektion typischen Kerneinschlusskörperchen zu sehen.

 

Im Elektronenmikrosop schließlich kann das die Krankheit verursachende Herpesvirus im Gewebe direkt dargestellt werden (Abb. 3).

 

Foto: ILT-Virus im Transmissions-Elektronenmikroskop.

Abb. 3: ILT-Virus im Transmissions- Elektronenmikroskop,

Vergrößerung 150.000x, Balken 200 nm.

 

 

Die Anzüchtung des ILT-Virus im 10 Tage vorbebrüteten Hühnerei ist ebenfalls möglich, wird jedoch wegen des hohen Aufwandes und der relativ langen Zeit von ca. 1 Woche bis zur Diagnosestellung kaum durchgeführt. Die anderen genannten Verfahren liefern zuverlässige Ergebnisse innerhalb von 1 bis 3 Tagen.

 

Im vorliegenden Fall ergaben Immundiffusionstest, histologische und elektonenmikroskopische Untersuchung positive Ergebnisse, die Diagnose ILT war somit gesichert.

Die schon im Bestand festgestellte Blässe der Kopfanhänge und Schleimhäute waren Anzeichen einer Blutarmut, die einerseits durch Blutverluste über die entzündete Luftröhre, andererseits durch den starken Befall mit blutsaugenden Vogelmilben zustande kam.

 

Info:

Von der ILT sind vor allem Hühner im Alter von 4 bis 18 Monaten betroffen. Je nach Virulenz (krankmachende Eigenschaften) des Erreger-Stammes nimmt sie einen milden Verlauf mit schleimiger Luftröhrenentzündung, Nasenausfluss und Bindehautentzündung, oder verläuft - wie im beschriebenen Fall - schwer mit starken Atembeschwerden, blutig-fibrinöser Luftröhrenentzündung und einer hohen Sterblichkeit.

Außer Hühnern können auch Fasane und Pfauen erkranken.

 

Wie generell bei Herpesvirus-Infektionen können überlebende Tiere noch mehrere Monate nach der Genesung, insbesondere bei Stress-Situationen, das Virus ausscheiden und zu neuen Infektionen führen.

Dies hat Bedeutung für Geflügelausstellungen, wo Rassehühner unterschiedlicher Herkünfte in Kontakt zueinander kommen. So mancher Rassegeflügelzüchter hat sich schon von einer Ausstellung das Virus nach Hause in seinen Bestand geholt und hatte dann 1 bis 2 Wochen nach der Ausstellung einen ILT-Ausbruch in seinem Bestand.

 

Da die Erkrankung durch ein Virus verursacht wird, ist eine ursächliche Therapie nicht möglich.

Der Prophylaxe kommt daher große Bedeutung zu. Lebendimpfstoffe, die abgeschwächtes Virus enthalten, sind kommerziell erhältlich und werden als Augentropfen, Aerosol oder über das Trinkwasser verabreicht.

Die Impfung ist auch als Notimpfung in Beständen einsetzbar, die bereits erste Anzeichen der Erkrankung zeigen. Ansonsten können zusätzliche Gaben von Vitamin A und eine antibiotische Versorgung zur Bekämpfung bakterieller Begleitinfektionen hilfreich sein.

 

Bilder:

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 11.08.2010