Gesundheitlich bedenkliche Hilfe: Phthalate in Kleinkinderschwimmflügeln

Foto: ein orangefarbener Schwimmflügel.Nicht nur in Puppen, Scoubidou und Schnorchel sondern auch in Schwimmhilfen, wie Schwimmflügeln oder Schwimmringen, wurden gesundheitlich bedenkliche Weichmacher nachgewiesen. Von den untersuchten Produkten sind zahlreiche für Kleinkinder bestimmt oder sie werden ohne Altersbeschränkung im Handel angeboten.

Das CVUA Stuttgart hat im Jahr 2005 zwanzig marktübliche Schwimmhilfen auf Material und hinsichtlich der Art und des Anteils der verwendeten Weichmachers untersucht.

 

Hintergrund und toxikologische Bewertung
Bei dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) handelt es sich um ein an sich sehr hartes und sprödes Material. Zur Verwendung für die Herstellung von Schwimmhilfen werden ihm Weichmacher in einer Menge von etwa 30% zugesetzt, um zu erreichen, dass diese Produkte leicht aufblasbar sind und sich vor allem gut an Körper bzw. Arme anlegen lassen.

Weichmacher können aus einer ganzen Reihe chemischer Substanzklassen bestehen, beispielsweise Phthalate, Adipate oder Citrate. Sie sind im Kunststoff nicht fest gebunden und können deshalb - insbesondere wenn am Material geleckt wird - in den Speichel übergehen.

Vor allem die häufig als Weichmacher verwendeten Phthalate sind aufgrund gesundheitlicher Aspekte in die Diskussion gekommen. Von einzelnen wie Di-2-ethylhexylphthalat (DEHP) oder Dibutylphthalat (DBP) ist bekannt, dass sie reproduktionstoxisch wirken, da sie durch Eingriffe in den Hormonhaushalt die Fortpflanzung und die Entwicklung beeinflussen können. Andere, wie Diisononylphthalat (DINP), scheinen gesundheitlich weniger bedenklich zu sein. Auch diese sind aber, da letzte Unsicherheiten diesbezüglich bestehen, wie alle Phthalate in Deutschland für Kleinkinderspielzeug und Babyartikel generell verboten.

 

Rechtliche Grundlagen
Bei Schwimmflügeln, -manschetten oder Schwimmringen handelt es sich um Spielwaren, gleichzeitig aber auch um Gegenstände, die beim Gebrauch länger mit der Haut in Kontakt sind. Sie sind entsprechend den Definitionen des Lebensmittel-, Bedarfgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches als sogenannte Bedarfsgegenstände einzustufen. Damit gelten unter anderem die Bestimmungen der Bedarfsgegenständeverordnung, wonach Phthalate bei der Herstellung von Kunststoffspielzeug für Kinder bis zu 36 Monaten, dessen aus Kunststoff bestehende Teile vorhersehbar in den Mund genommen werden, nicht verwendet werden dürfen. Vor allem für kleinere Kinder dienen Schwimmflügel nicht nur als Hilfe im Wasser, sondern auch als Spielzeug, bei dem dann natürlich damit gerechnet werden muss, das es auch in den Mund genommen und an ihm geleckt wird. Das bedeutet, dass das Phthalatverbot der Bedarfsgegenständeverordnung auch für Kleinkinder-Schwimmflügel oder für Schwimmringe, die ohne Altersbeschränkung auf dem Markt sind, gilt.

Durch eine anstehende Anpassung der Bedarfsgegenständeverordnung an die Rechtsvorschriften der EU wird dieses Verwendungsverbot für drei Vertreter der Phthalate, nämlich DEHP, DBP und BBP (Benzylbutylphthalat), ab spätestens Januar 2007 für Spielwaren für Kinder jeden Alters, also auch Schwimmhilfen, ausgedehnt.

 

Die Ergebnisse des CVUA im Überblick
Insgesamt wurden 20 Proben untersucht. Es handelte sich um Produkte, hauptsächlich Schwimmflügel und -ringe, die auch für Kleinkinder bestimmt sind (z. B. für das Alter von 1 bis 6 Jahren), aber auch um solche für ältere Kinder bis 12 Jahren. Alle untersuchten Schwimmhilfen waren aus dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) hergestellt. In nahezu zwei Dritteln der Proben wurde DEHP festgestellt, in insgesamt 85% der Proben Phthalate (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Anteil der in den Schwimmhilfen festgestellten Weichmacher.

Abbildung 1: Anteil der in den Schwimmhilfen festgestellten Weichmacher

 

Bewertung und Fazit
Die Anteile an den Beanstandungen sind in Abb. 2 dargestellt.

Proben, die auch für Kleinkinder bestimmt waren bzw. ohne Altersbeschränkung in den Verkehr gebracht wurden, wurden entsprechend den Vorschriften der Bedarfsgegenständeverordnung beanstandet (38% der Proben). Bei Produkten für ältere Kinder über drei Jahren wurde im Jahr 2005 noch an die Hersteller appelliert, gesundheitlich bedenkliche Substanzen wie DEHP nicht zu verwenden. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass DEHP zukünftig für die Herstellung von Schwimmhilfen verboten sein wird. Dies betraf 31% der Proben.

Abbildung 2: Anteile der Beurteilungsgründe.

Abbildung 2: Anteile der Beurteilungsgründe

Leider hat der Verbraucher keine Möglichkeit zu erkennen, welche Produkte mit gesundheitlich bedenklichen Phthalaten hergestellt sind. Auch Prüfsiegel, z. B. GS, LGA oder TÜV, oder das CE-Zeichen sind diesbezüglich keine Hilfe. Diese bescheinigen vor allem die physikalische Sicherheit der Schwimmhilfen und die korrekte Angabe der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitshinweise.

Vorsorglich sollten diese Produkte wirklich nur als Schwimmhilfen verwendet werden. Es ist darauf zu achten, dass insbesondere Kleinkinder nicht an ihnen lecken, vor allem auch beim Paddeln in Schwimmringen. Eine Verwendung als Spielzeug, bei der noch stärker zu erwarten ist, dass sie von kleinen Kindern in den Mund genommen werden, sollte dagegen vermieden werden, selbst dann, wenn ein Produkt ausdrücklich auch für Kinder unter 3 Jahren bestimmt ist.

Nach unserer Kenntnis arbeitet ein großer Hersteller als Ergebnis unserer Beanstandungen nun mit Nachdruck an der Umstellung auf phthalatfreie Produkte. Es bleibt zu hoffen, dass sich die anderen ebenfalls schnellstmöglichst auf diesen Weg begeben.

 

Artikel erstmals erschienen am 15.05.2006