Untersuchung von PAK in Kletterschuhen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Lydia Richter, Heike Blank, Natalie Eisenhardt, Susanne Maier

 

Kletterschuhe für das Sportklettern am Fels bzw. in Kletterhallen bestehen aus einer speziell geformten Gummisohle, die auf Grund ihres Grips und ihrer Form hervorragenden Halt beim Klettern geben. Ziel des Projektes war es, das Sohlenmaterial, welches oft aus einem dunkel eingefärbten Gummimaterial besteht, auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) zu testen. Insgesamt hat das CVUA Stuttgart 7 Paar Kletterschuhe untersucht. In allen Proben waren PAK nachweisbar. In drei Proben wurde der Grenzwert für Benzo[a]pyren bzw. Benzo[e]pyren von je 1 mg/kg überschritten.

 

Foto: verschiedene Kletterschuhe.

 

Hintergrund und rechtliche Vorgaben

Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gelten PAK als krebserzeugend, die unterschiedlichen „Substanzen weisen jedoch unterschiedliche kanzerogene Wirkungsstärken (Potenz) auf“ [2]. Das bedeutet in Bezug auf die Leitsubstanz Benzo[a]pyren, dass von anderen PAK teilweise eine 10-, 100- oder 1000-fach höhere Menge benötigt wird, um dieselbe toxikologische Wirkung auszulösen. Es gibt jedoch auch PAK (z. B. Dibenzopyrene) die ein höheres Wirkungspotential als Benzo[a]pyren besitzen und somit in niedrigeren Dosen toxikologisch wirksam sind [2]. Von der EU wurde in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 über Chemikalien (der sogenannten REACH-Verordnung) für 8 PAK (Benzo[a]pyren, Benzo[e]pyren, Chrysen, Benzo[a]anthracen, Dibenzo[a,h]anthracen, Benzo[j]fluoranthen, Benzo[b]fluoranthen und Benzo[k]fluoranthen) mit einer hohen krebserzeugenden Wirkungsstärke ein Grenzwert von je 1 mg/kg Material für die Einzelsubstanz festgelegt. Babyprodukte sind mit einem Grenzwert von 0,5 mg/kg geregelt worden. Diese Grenzwerte gelten ab dem 27.12.2015 für Erzeugnisse wie Sportgeräte, Werkzeuge für den privaten Gebrauch, Haushaltsgeräte, Bekleidung, Schuhe, Handschuhe und Sportkleidung, Armbänder, etc. [1]
Im Falle von Kletterschuhen ist zu bedenken, dass diese in der Regel barfuß, ohne Socken getragen werden und damit der Hautkontakt intensiver ist als bei anderen Sportschuhen. Textilauskleidungen oder das Tragen von Socken in den Schuhen bilden keine Barriere, die einen Stoffübergang auf die Haut gänzlich ausschließen kann.

 

Analytische Untersuchung im Labor

Zur Untersuchung wird das Gummimaterial in kleine Stücke geschnitten und für eine Stunde mit Toluol extrahiert. Anschließend wird der Extrakt gaschromatographisch (GC) aufgetrennt und die einzelnen PAK anhand ihrer Masse mit Hilfe eines Massenspektrometers (MS) quantifiziert. Gehalte im Bereich geltender Grenzwerte wurden mittels zweidimensionaler GC-MS-Technik abgesichert (GCxGC-TOF-MS).

Neben den acht in der Verordnung (EG) 1907/2006 geregelten Verbindungen prüft das CVUA Stuttgart derzeit auf 19 weitere PAK. Bei einigen niedermolekularen PAK (Naphthalin, Phenanthren, Anthracen, Fluoranthen, Pyren etc.) handelt es sich um Substanzen, die auf Grund ihrer Flüchtigkeit insbesondere in der Umweltanalytik im Fokus stehen. Weitere Verbindungen sind vier Dibenzopyrene, die um den Faktor 10 toxischer sind als die Leitsubstanz Benzo[a]pyren, jedoch bisher nicht rechtlich geregelt wurden.

 

Ergebnisse aus dem Projekt „PAK in Kletterschuhen“

Insgesamt wurden 7 Paar Kletterschuhe auf 28 PAK untersucht. In drei Proben (42 %) wurde der in der REACH-VO definierte Grenzwert von 1 mg/kg an Benzo[e]pyren bzw. Benzo[a]pyren gesichert überschritten. Hier ist jedoch die geltende Übergangsfrist zu beachten. Der Grenzwert gilt ausschließlich für Erzeugnisse, die nach dem 27.12.2015 in den Verkehr gebracht wurden.

In allen Proben wurden zudem niedermolekulare PAK (vor allem Phenanthren, Pyren und Fluoranthen) quantifiziert. Der Gesamtgehalt an nicht in der REACH-VO regulierten PAK lag zwischen 10 und 67 mg/kg im Gummimaterial. Die Wirkungsstärke dieser Substanzen beträgt jedoch meist nur ein Tausendstel von Benzo[a]pyren. Um dieselbe Wirkung wie Benzo[a]pyren zu erzeugen, müssten also 1000 mg/kg enthalten sein, so dass ein Gesamtgehalt von 67 mg/kg einer Wirkungsstärke von 0,067 mg/kg Benzo[a]pyren entspricht.

Nach Auffassung des Bundesinstituts für Risikobewertung sollte jedoch auf Grund der Belastung des Menschen mit PAK aus anderen Quellen wie der Umwelt „für alle PAK das ALARA-Prinzip (as low as reasonably achievable) gelten [2]“. In Bedarfsgegenständen mit Hautkontakt sollten unserer Auffassung nach gesundheitlich bedenkliche polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe grundsätzlich nicht enthalten sein. Weitere Untersuchungen des CVUA Stuttgart an ähnlichen Materialien, wie z.B. Gummis von schwarzen Fahrradgriffen haben gezeigt, dass es technisch machbar ist, Materialien so herzustellen, dass keine der 27 PAK, auf die das CVUAS derzeit analytisch prüft, enthalten sind.

Das CVUA Stuttgart hat aufgrund der o.g. Befunde die Empfehlung ausgesprochen die Hersteller nachdrücklich dazu aufzufordern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so dass gesundheitlich relevante Stoffe in derartigen Erzeugnissen nicht mehr enthalten sind.

 

Infokasten

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ...

... sind Substanzen, die bei einer unvollständigen Verbrennung entstehen. Unter dem Begriff PAK wird eine Vielzahl an Verbindungen zusammengefasst. Sie kommen ubiquitär in der Umwelt vor und bestehen aus mindestens zwei oder mehr aromatischen Kohlenwasserstoffringsystemen. Das BfR schätzt das „krebserzeugende Potential jeder einzelnen Substanz als vergleichbar ein, jedoch unterscheiden sie sich in ihrer kanzerogenen Wirkungsstärke“ [2]. Die jeweilige Wirkungsstärke wurde in Bezug auf die Leitsubstanz Benzo[a]pyren ermittelt. Da die Exposition des Menschen mit PAK auch über andere Quellen wie die Umwelt erfolgt, sind PAK in Verbraucherprodukten unerwünscht und sollten auf ein technisch vermeidbares Minimum gesenkt werden [2, 3].

 

Ausblick

Auch in 2017 wird das CVUA Stuttgart weitere Verbraucherprodukte aus Gummimaterialien und Kunststoff hinsichtlich ihres Gehaltes an PAK prüfen. Derzeit wird die Messmethode auf alkylierte PAK erweitert, da diese in sensorisch auffälligen Proben oft nachgewiesen werden konnten. Diese Substanzen sind zum Teil noch nicht ausreichend toxikologisch bewertet und mit keinem Grenzwert reguliert. Erste Schlüsse des BfR deuten jedoch auf einen Anstieg der Wirkungsstärke bei methylierten PAK im Vergleich zur Muttersubstanz hin [4].

 

Quellen

[1] VO (EG) 1907/2006: Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2016/1688 vom 20. September 2016 (ABl. L 255/14)

 

[2] BfR: Aktualisierte Stellungnahme Nr. 051/2009 des BfR vom 14. Oktober 2009 zu polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in Spielzeug

 

[3] BfR: Krebserzeugende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in Verbraucherprodukten sollen EU-weit reguliert werden - Risikobewertung des BfR im Rahmen eines Beschränkungsvorschlages unter REACH Stellungnahme Nr. 032/2010 des BfR vom 26. Juli 2010

 

[4] BfR: Vortrag „Aktueller Stand aus toxikologischer Sicht“ Abschnitt „Alkylierte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe“ (Folie 16-20)

 

Artikel erstmals erschienen am 16.12.2016