Nachweis von Knochenpartikeln in Brühwursterzeugnissen

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Dagmar Otto-Kuhn, Dr. Jörg Stürmer

 

Eigentlich sollte es nur eine wissenschaftliche Studie zu einem Methodenvergleich werden. Die Ergebnisse sollten lediglich einem Fachpublikum präsentiert werden. Der Nebeneffekt der Studie hat die tierärztlichen Lebensmittelhygiene-Sachverständigen dann doch überrascht. „Mit so vielen Volltreffern hatten wir nicht gerechnet!“ Sämtliche für diese Studie untersuchten Brühwursterzeugnisse aus Geflügelfleisch enthielten so viele kleine Knochenpartikel, dass der Verdacht naheliegt: Hier wurde Separatorenfleisch verarbeitet aber nicht deklariert.

 

Histologische Untersuchungen des CVUA Stuttgart

Das CVUA Stuttgart unterzieht Fleischerzeugnisse stichprobenweise neben der mikrobiologischen und sensorischen auch der histologischen Untersuchung. Für die Histologie werden dünne gefärbte Schnitte unter dem Mikroskop betrachtet. Die verschiedenen Gewebe werden anhand ihrer charakteristischen Struktur und Anfärbbarkeit identifiziert, qualitativ und quantitativ ausgewertet. In einer wissenschaftlichen Studie [1] zum Vergleich zweier histologischer Methoden sollte herausgefunden werden, welche Methode besser geeignet ist, Gewebe, die in geringerer Menge und kleiner Partikelgröße im Fleischerzeugnis vorhanden sein können, quantitativ zu erfassen. Ausgesprochen zeitaufwendig sind beide. Dafür wurden Brühwursterzeugnisse aus oder mit Geflügelfleisch, die mit der Auslobung „halal“ oder als türkische Spezialität gekennzeichnet waren und dem preisgünstigen Segment zuzurechnen waren, gezielt ausgewählt. Bei diesen Produkten ist zu erwarten, dass bei der Herstellung auch sehr preisgünstige Zutaten verwendet wurden.

 

Knochenpartikel in Brühwurst – Untersuchungsergebnisse

In allen für die Studie gezielt ausgewählten 23 Proben (hergestellt innerhalb und außerhalb von Deutschland) von Brühwursterzeugnissen aus oder mit Geflügelfleisch wurden histologisch auffällig viele Knochenpartikel nachgewiesen. Der Nachweis von Knochenpartikeln ist als Hinweis auf die Verarbeitung von Separatorenfleisch zu werten. Die Zutat „Separatorenfleisch“ war jedoch nur bei sieben dieser Proben aufgeführt. Bei allen anderen besteht der Verdacht: Hier wurde zwar Separatorenfleisch verarbeitet jedoch nicht deklariert. In der Tabelle sind die untersuchten Proben und die histologischen Untersuchungsergebnisse im Einzelnen aufgeführt, die Fotos zeigen einige der histologischen Präparate dieser Proben.

 

Infokasten

Separatorenfleisch

Nach Definition im EU-Recht (VO (EG) Nr. 853/2004 Anh. I Nr. 1.14)[2] wird Separatorenfleisch durch maschinelles Ablösen des Restfleisches von Knochen nach dem Entbeinen oder des an Geflügelschlachtkörpern anhaftenden Restfleisches gewonnen. Die Struktur der Muskelfasern wird bei der Separation verändert.

 

Tabelle: Ergebnisse der histologischen Untersuchung von Brühwursterzeugnissen
Bezeichnung Knochenpartikel
pro cm2
Knochenpartikel
in Vol.-%
Separatorenfleisch gekennzeichnet
Tavuk Salam Hühnerwurst 1,88 1,0 nein
Tavuk Salam Hühnerwurst 2,1 0,33 nein
Geflügel Knack Sosis 1,26 0,37 nein
Sigir Sosis Hähnchen-Separatoren-Fleischwürstchen 4,41 1,25 ja
Tavuk Salam Hähnchenfleischwurst 0,93 0,13 nein
Sosis Putenwiener 0,37 0,13 nein
Geflügelwiener 1,36 0,25 nein
Hühnerbratwurst mit Putenfleisch 1,22 0,13 ja
Geflügelbratwurst 1,45 0,25 nein
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen 4,2 0,25 ja
Geflügel Fleischwurst 0,15 0,14 ja
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen 2,24 0,6 nein
Hühnerwurst mit Rindfleisch 2,93 0,13 nein
Geflügelbratwurst 0,39 0 nein
Sigir Salam Rinderwurst mit Hühnerfleisch 0,88 0,13 nein
Hendi Salam Hühnerwurst mit Putenfleisch 4,09 0,75 nein
Hühnerextrawurst 0,25 0,13 ja
Mini Sosis Geflügelwiener 1,88 0,38 nein
Tavuk Sosis Hühnerwürstchen mit Separatorenfleisch 1,44 0 ja
Hühnerwurst mit Rindfleisch 0,2 0,13 nein
Hühnerwurst mit Stärke 2,84 0,25 nein
Hähnchenwürste mit Separatorenfleisch 4,71 0,5 ja
Geflügelwürstchen 1,25 0,13 nein

 

Knochenpartikel in Brühwurst – Rechtsvorschriften und Beurteilung

Wird Separatorenfleisch bei der Herstellung verwendet, so muss dies nach den Vorschriften der Lebensmittel-Informationsverordnung ( VO (EU) Nr. 1169/2011) [4] so aus der Kennzeichnung hervorgehen, dass Verbraucher nicht irregeführt werden. Bei der Herstellung verwendetes Separatorenfleisch muss in jedem Falle im Verzeichnis der Zutaten aufgeführt werden unter Angabe der Tierart, von der es stammt.
Bei nach traditioneller Rezeptur entsprechend der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse [3] hergestellten Brühwurstspezialitäten ist die Verarbeitung von Separatorenfleisch nicht üblich. Diese Erzeugnisse wurden nicht schwerpunktmäßig in diese Untersuchung einbezogen.

 

Infokasten

Bezeichnung des Lebensmittels

In der Lebensmittel-Informationsverordnung, die in der ganzen Europäischen Union einheitlich gilt, hat die Bezeichnung des Lebensmittels eine besonders große Bedeutung. Die „beschreibende Bezeichnung“ soll das Lebensmittel und erforderlichenfalls seine Verwendung so genau beschreiben, dass Verbraucher die tatsächliche Art des Lebensmittels erkennen und es von Erzeugnissen, mit denen es verwechselt werden könnte, unterscheiden können. Zum Beispiel Brühwurst mit Separatorenfleisch von Brühwurst ohne Separatorenfleisch.

 

Hygienevorschriften für Separatorenfleisch

Das Veterinärhygienerecht schreibt umfangreiche und strenge Hygieneanforderungen für die Herstellung und Verwendung von Separatorenfleisch vor. Separatorenfleisch darf zur Herstellung von Fleischerzeugnissen, zum Beispiel brühwurstähnliche Erzeugnisse oder Fleischzubereitungen, die zum Erhitzen im Verbraucherhaushalt bestimmt sind, verwendet werden.

 

Knochenpartikel in Brühwurst – Was tut die Überwachung?

Das CVUA Stuttgart kann aufgrund der histologischen Untersuchungsergebnisse nur einen Verdacht aussprechen. Nun sind die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden gefragt. Um festzustellen, ob der Herstellerbetrieb tatsächlich Separatorenfleisch als Zutat verwendet hat, sind Betriebskontrollen durch die zuständigen Behörden erforderlich, da Knochenpartikel auch auf anderem Wege in die Rohstoffe gelangen können.

 

Knochenpartikel in Brühwurst – Was sollen die Hersteller tun?

Gefragt sind aber auch die verantwortlichen Hersteller: Deklarieren und bewerben Sie Ihre Produkte korrekt. Kunden wollen Ehrlichkeit!

 

Fotostrecke

Histologische Präparate: Knochenpartikel in Brühwurstgut

 

Foto 1.

 

Foto 2.

 

Foto 3.

 

Foto 4.

 

Quellen

[1] Histologische Untersuchung von Brühwursterzeugnissen auf Knochenpartikel: Vergleich Histometrie – Planimetrie (Internetbeitrag, CVUA Stuttgart, 18.10.2016)

[2] VO Nr. (EG) 853/2004: Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139/55), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1137/2014 vom 27. Oktober 2014 (ABl. L 307/28)

[3] Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs vom 27./28.11.1974 (Beilage zum BAnz. Nr. 134 vom 25.07.1975, GMBl. Nr. 23 S. 489 vom 25.07.1975), zuletzt geändert am 24.09.2014 (BAnz. AT 01.12.2014 B2, GMBl Nr. 74 S. 1546 vom 08.12.2014)

[4] VO (EU) Nr. 1169/2011: Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304/18), zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 78/2014 vom 22. November 2013 (ABl. 2014 L 27/7)

 

Geänderte Fassung vom 24.01.2017

 

Artikel erstmals erschienen am 19.01.2017