Anthocyane im Wein – Weißherbst oder doch Rosé, das ist hier die Frage

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Matthias Fromm

 

Im Jahr 2013 wurde am CVUA Stuttgart der Einfluss einer Zumischung farbkräftiger Weine auf die Herstellungspraxis von Weißherbstwein aus Burgundersorten untersucht. Wie unsere Mischungsversuche gezeigt haben, können bereits geringe Volumenanteile (0,5–1 %) farbkräftiger Weine wie z.B. Dornfelder in einer Mischung mit der Burgundersorte Samtrot dazu führen, dass der von der Weinüberwachung für Weißherbstweine der Burgunderfamilie definierte Richtwert für acylierte Anthocyane überschritten wird.

Hintergrund

In den letzten Jahren erfreuen sich neben klassischen Weißweinen Weine mit blass- bis hellroter Farbe wie Rosé oder auch Weißherbst zunehmender Beliebtheit. Gerade bei Liebhabern leichter und fruchtiger Weine liegen Rosé und Co. voll im Trend, da sie sich als Begleiter zu nahezu allen sommerlichen Gerichten genießen lassen. Doch was ist eigentlich der Unterschied zwischen "Rosé" und "Weißherbst", da sie sich augenscheinlich kaum unterscheiden? Dieser Frage wollen wir im Folgenden einmal nachgehen.


Wie werden Weine mit der Bezeichnung "Rosé" und "Weißherbst" hergestellt und wie unterscheiden sie sich?

Nach dem deutschen Weinrecht darf die Bezeichnung "Weißherbst" bei inländischem Qualitäts- oder Prädikatswein nur gebraucht werden, wenn das entsprechende Produkt aus hellgekeltertem Wein unter Verwendung einer einzigen roten Traubensorte hergestellt wurde [1]. Dabei wird der Most bereits vor der Gärung von festen Bestandteilen wie z.B. Traubenhäuten abgetrennt, um die typische blass- bis hellrote Farbausprägung zu erhalten. Zur Farbkorrektur ist außerdem ein Zusatz von bis zu 5 % eines Rotweins derselben Sorte möglich. Im Gegensatz dazu darf hellgekelterter Wein, welcher unter der Bezeichnung "Rosé" vermarktet wird, aus mehreren roten Traubensorten hergestellt werden.
Bei der klassischen Herstellung von Rotwein wird der Most dagegen zusammen mit festen Bestandteilen vergoren. Der dabei gebildete Alkohol löst verstärkt die Anthocyane aus den Traubenhäuten, so dass Rotwein gegenüber den hellgekelterten Weinen eine deutlich kräftigere rote Farbe besitzt.

 

Was sind Anthocyane?

Anthocyane bilden eine wichtige Klasse wasserlöslicher Pflanzenfarbstoffe, die für die intensive rote, violette oder auch blaue Farbe vieler Blüten und Früchte wie roter Weintrauben verantwortlich sind. Sie liegen meist als Glykoside der Anthocyanidine (Anthocyangrundstruktur) mit verschiedenen Zuckern vor. Zudem können die glykosidisch gebundenen Zuckermoleküle der Anthocyane mit organischen Säuren verknüpft sein, was als Acylierung bezeichnet wird. Letztere werden deshalb unter dem Begriff "acylierte Anthocyane" zusammengefasst. Sie sind für das Anthocyanprofil verschiedener Rebsorten charakteristisch. So weisen Rebsorten der Burgundergruppe laut wissenschaftlicher Literatur [2–4] keine acylierten Anthocyane auf. Aufgrund technologisch bedingter Eintragsmöglichkeiten von acylierten Anthocyanen aus anderen Sorten werden bei der Weinbereitung aus Burgundersorten von der Weinüberwachung allerdings relative Anteile von bis zu 3 % am Anthocyanprofil toleriert. Folglich kann für die Burgundersorten durch Bestimmung der acylierten Anthocyane eine Überprüfung der Sortenreinheit erfolgen.

 

Was bisher geschah ...

Aufgrund ihrer zunehmenden Popularität wurden bereits 2012 Rosé- und Weißherbstweine der Sorte Spätburgunder auf Anthocyane untersucht. Bei zwei der 12 untersuchten Weine, welche unter der Bezeichnung "Spätburgunder Weißherbst" in den Verkehr gebracht wurden, lagen die relativen Anteile an acylierten Anthocyanen deutlich über 3 %. Nach den geltenden Rechtsvorschriften ist die Bezeichnung "Weißherbst" dann nicht mehr zulässig, da von einem Verschnitt mit anderen Traubensorten ausgegangen werden muss. Neben der beabsichtigten Verschneidung könnten die erhöhten Anteile an acylierten Anthocyanen auch durch eine unbeabsichtigte Verschleppung während der Herstellung verschiedener Weine verursacht worden sein. Als mögliche Quellen für den Eintrag acylierter Anthocyane kommen beispielsweise das mehrmalige Verwenden von Filterschichten oder die unvollständige Entleerung von Tanks, Behältern oder Schläuchen in Frage.

 

Ergebnisse unserer aktuellen Untersuchungen

Um die Problematik einer möglichen Verschleppung näher zu beleuchten, wurden 2013 am CVUA Stuttgart in Kooperation mit den Weinkontrolleuren deshalb Versuche mit sortenreinen Jungweinen des Jahrgangs 2012 durchgeführt. Dabei wurde Wein der Traubensorte Samtrot als Vertreter der Burgundertypen jeweils unterschiedliche Volumenanteile der Sorten Cabernet Dorsa, Dornfelder, Portugieser, Lemberger sowie Trollinger zugemischt und der Anteil der acylierten Anthocyane am Anthocyanprofil der resultierenden Mischungen bestimmt (vgl. Abbildung).

 

Abb: Relative Anteile acylierter Anthocyane (in %) in Mischungen aus Wein der Sorte Samtrot mit anderen Rebsorten.

Relative Anteile acylierter Anthocyane (in %) in Mischungen aus Wein der Sorte Samtrot mit anderen Rebsorten.

 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigten, dass die für die Zumischung verwendeten sortenreinen Weine deutliche Unterschiede bezüglich der acylierten Anthocyane aufwiesen. Je farbkräftiger die Weine waren, desto höher waren auch die prozentualen Anteile an acylierten Anthocyanen. So betrugen deren Anteile für die Sorten Cabernet Dorsa, Portugieser und Dornfelder zwischen 19,3 und 21,3 %, während sie für die eher farbschwachen Sorten Trollinger (12,4 %) und Lemberger (6,4 %) deutlich niedriger waren. Als Folge bewirkten im Fall der farbkräftigen Weinsorten bereits geringe Volumenanteile von ca. 0,5 %, dass die für sortenreine Burgunderweine (hier Samtrot) durch die Weinüberwachung anerkannte Toleranzgrenze für acylierte Anthocyane am Anthocyanprofil der Mischungen erreicht bzw. ab 1 % deutlich überschritten wurde. Für die Sorten Lemberger und Trollinger wurde die Toleranzgrenze dagegen erst bei einem Volumenanteil von ca. 5 % bzw. ca. 3,5 % erreicht.

 

Was bedeuten diese Ergebnisse in der Praxis?

Aufgrund der Ergebnisse unserer Mischungsversuche ergeben sich für die Herstellungspraxis von Weißherbst aus Burgundersorten besondere Anforderungen. So sollte darauf geachtet werden, dass die verwendeten Behälter, Schläuche etc. ausreichend entleert bzw. gereinigt sind. Weiterhin sollte der Besatz mit Rebstöcken anderer Sorten im entsprechenden Weinberg nicht zu hoch sein. Während der Weinbereitung dürfte aber vor allem die Filtration einen kritischen Schritt für den Eintrag acylierter Anthocyane darstellen. Es empfiehlt sich daher Burgunderweine, die als "Weißherbst" vermarktet werden sollen, vor Rotweinen anderer Sorten zu filtrieren, um so das Risiko einer Verschleppung zu minimieren.

 

Fazit

Die Frage, ob es sich um Rosé oder Weißherbst handelt, dürfte für den Verbraucher wohl eher theoretischer Natur sein. Für die Erzeuger und Vermarkter von Weißherbstweinen allerdings kann sie jedoch rechtlich bedeutsam werden. So bewirken bereits geringe Anteile anderer farbkräftiger Weine eine deutliche Erhöhung der prozentualen Anteile an acylierten Anthocyanen in Weinen der Burgundersorten. Dies ist bei deren Vermarktung unter der Verkehrsbezeichnung "Weißherbst" zu berücksichtigen, da hier durch Eintrag während der Weinbereitung deren tolerierbarer Anteil schnell überschritten werden kann. Nach den geltenden Rechtsvorschriften wäre die Bezeichnung "Weißherbst" im Gegensatz zu "Rosé" dann nicht mehr zulässig.

 

Quellen

[1] Weinverordnung (WeinV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 827), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 29. September 2011 (BGBl. I S. 1996).
[2] Wenzel, K., Dittrich, H.H., Heimfarth, M. Die Zusammensetzung der Anthocyane in den Beeren verschiedener Rebsorten. Vitis (1987) 26, 65–78.
[3] Holbach, B., Marx, R. Ackermann Bestimmung der Anthocyanzusammensetzung von Rotweinen mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC). Lebensmittelchemie (1997) 51, 78–80.
[4] Hesford, F., Schneider, K. Anthocyane: Die natürlichen Farbstoffe des Weines. Schweizerische Zeitschrift für Obst- und Weinbau (1997) 22, 559–561.

 

Artikel erstmals erschienen am 31.03.2014