Vibrionen – Krankheitserreger in Seafood auf dem Vormarsch? 2012 erstmals Isolierung eines pathogenen V. parahaemolyticus-Stammes am CVUA Freiburg

Dr. Christine Wind, Dr. Elke Müller-Hohe, Dr. Leonie Böhmer (CVUA Freiburg)

 

Die Untersuchungsergebnisse des CVUA Freiburg zeigen, dass Vibrio parahaemolyticus regelmäßig bei aus dem Meer stammenden Fischen und Meeresfrüchten (Seafood) nachgewiesen werden kann. Die Nachweisrate für diese Vibrio-Art lag bei den am CVUA Freiburg in den letzten Jahren untersuchten Proben bei 5 %.

Einige Vertreter dieser Bakterienart können bei Menschen Infektionskrankheiten verursachen. Der Nachweis solcher sogenannten pathogenen Stämme war bisher bei den in Deutschland durchgeführten Untersuchungen selten. Im Jahr 2012 wurde am CVUA Freiburg ein pathogener Vibrio parahaemolyticus-Stamm in Venusmuscheln nachgewiesen.

 

Infobox:

Abbildung 1: Vibrio parahaemolyticus-Kolonien auf Blut-Agar mit 3 % KochsVibrionen sind Bakterien, die weltweit in Meer- oder Süßwasser vorkommen. In Mittel- und Nordeuropa sind die Arten Vibrio parahaemolyticus (Abbildung 1), Vibrio vulnificus, Vibrio cholerae und Vibrio alginolyticus von größter Bedeutung. Daher stehen diese im Fokus des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland. Fische oder Meeresfrüchte können mit diesen Vibrionen kontaminiert sein. Je nach Vibrio-Art kann der Verzehr dieser Lebensmittel oder der Umgang mit ihnen zu Brech-Durchfall (V. parahaemolyticus, V. cholerae) oder Wundinfektionen (V. vulnificus) führen.

Weltweit ist ein Anstieg an V. parahaemolyticus-Infektionen mit großen Ausbrüchen, in jüngerer Vergangenheit auch in benachbarten Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien, Spanien), zu verzeichnen. Vibrio-Infektionen werden als „emerging disease" in Mittel- und Nordeuropa diskutiert. Der Begriff „emerging disease" steht für Infektionskrankheiten des Menschen, deren Vorkommen in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist oder die in naher Zukunft wahrscheinlich auftreten werden.
Dafür werden verschiedene Faktoren verantwortlich gemacht, wie z.B.

  • globale Klimaveränderungen mit steigenden Wassertemperaturen
  • die Steigerung des weltweiten Handels
  • der vermehrte Konsum von Fischprodukten/Meeresfrüchten
  • der Trend zum Rohverzehr solcher Lebensmittel
  • der demographische Wandel mit einem steigenden Anteil der Risikogruppen (ältere, chronisch kranke und immunsupprimierte Personen).

 

Fische und Meeresfrüchte stellen als Lebensmittel tierischer Herkunft einen nicht unerheblichen Teil der Lebensmittelproben des CVUA Freiburg dar. Untersuchungen auf Vibrionen sind fester Bestandteil des Laboralltags.

 

Im vorliegenden Fall wurden Venusmuscheln aus einem Großhandelsbetrieb untersucht. Dazu wurden die Muscheln zunächst in ein speziell an die Bedürfnisse dieser Bakterien angepasstes flüssiges Nährmedium gegeben, welches die Vermehrung von Vibrionen ermöglicht (Anreicherung). Im Anschluss an die Vermehrung folgte ein Ausstrich aus der Flüssigkeit auf feste Agar-Platten (Isolierung). Die auf den Platten gewachsenen Kolonien wurden als Vibrio parahaemolyticus identifiziert (Abbildung 2).

Abbildung 2: Ablauf der Vibrionen-Untersuchung

Abbildung 2: Ablauf der Vibrionen-Untersuchung

 

Pathogene Vibrio parahaemolyticus-Stämme besitzen im Gegensatz zu ihren harmlosen Verwandten bestimmte Gene, die als Pathogenitätsfaktoren bezeichnet werden. Eines dieser Gene ist das tdh-Gen (tdh - thermostable direct hemolysine, hitzestabiles Hämolysin).

 

Um festzustellen, ob es sich bei dem aus den Venusmuscheln isolierten Vibrio parahaemolyticus um einen pathogenen Stamm handelte, wurde die Technik der sogenannten PCR (Polymerase-Chain-Reaction, Polymerase-Ketten-Reaktion) eingesetzt. Mit diesem molekularbiologischen Verfahren können Pathogenitätsfaktoren wie das tdh-Gen gezielt vervielfältigt und im Anschluss sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis der Untersuchung bestätigte die Pathogenität des Stammes (Abbildung 3). Da es sich bei den Venusmuscheln um ein verzehrsfertiges Produkt handelte, wurde die Probe aufgrund des Nachweises als nicht sicheres Lebensmittel beurteilt.

 

Abbildung 3: tdh-Gen von Vibrio parahaemolyticus mittels PCR vervielfältigt und im Agarosegel sichtbar gemacht

Der hier vorgestellte Fall stellt aufgrund des deutschlandweit seltenen Nachweises von pathogenen Vibrio parahaemolyticus-Stämmen eine Besonderheit dar. Das CVUA Freiburg wird auch zukünftig durch regelmäßige Untersuchungen das Vorkommen von Vibrionen in Fischen und Meeresfrüchten prüfen. Im Fokus stehen dabei innovative Untersuchungsmethoden. Damit leisten wir einen Beitrag zur Feststellung der Bedeutung von kontaminierten Lebensmitteln für das Auftreten von menschlichen Vibrio-Infektionen.

 

Literatur:

  • Alter T., Appel B., Bartelt E., Dieckmann R., Eichhorn C., Erler R., Frank C., Gerdts G., Gunzer F., Hühn S., Neifer J., Oberheitmann B., Strauch E. (2011): Vibrio-Infektionen durch Lebensmittel und Meerwasser. Das Netzwerk „VibrioNet" stellt sich vor, Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 54:1235-1240

 

  • Alter T., Dieckmann R., Hühn S., Strauch E. (2012): Pathogene Mikroorganismen Vibrio Grundlagen, Nachweis, Relevanz und Präventionsmaßnahmen, Behr´s Verlag, ISBN978-3-89947-893-8

 

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 31.10.2012