Plan-, Verdachts- und Beschwerdeprobe

Werner Altkofer (CVUA Stuttgart)

 

Die Kunst der sinnvollen Probenwahl – Die PlanprobeEine verrostete Konservendose.

Im Mittelpunkt aller Untersuchungen stehen die Proben. Doch warum entscheidet man sich bei der Größe des Warensortiments gezielt für bestimmt Produkte, die genauer "unter die Lupe" genommen werden?

Mehrmals jährlich wird die Art der Proben, die in den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern des Landes untersucht und begutachtet werden, schriftlich festgelegt. Betroffen sind alle Produkte, die dem Regelungsbereich des LFBG (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) unterliegen. Dabei steht der umfangreiche Schutz des Verbrauchers, für die bei der Probenfestlegung beteiligten Personen (Lebensmittelchemiker, Mikrobiologen und Tierärzte), als wichtigstes Ziel an oberster Stelle.


Zur Verwirklichung dieses Ziels werden folgende Fragen bei der Probenplanung berücksichtigt:

  • Sind in der Vergangenheit einzelne Lebensmittel, Bedarfsgegenstände oder Kosmetische Mittel aufgrund ihrer stofflichen Zusammensetzung, Aufmachung oder Kennzeichnung negativ aufgefallen?
    Als Beispiele sind hier zu nennen:
    - Beschwerden, Erkrankungen, häufig auftretende Allergien, Verletzungen von Verbrauchern
    -
    erhöhte Pflanzenschutzmittel-Rückstände in bestimmten Obst- und Gemüsesorten aus bestimmten Ländern
    - erhöhte Mengen an Schimmelpilzgiften in Gewürzen oder Nüssen aus bestimmten Anbauländern
    - erhöhte PAK-Werte in Olivenöl oder anderen Ölen
    - Weichmacher in Spielzeug aus Weich-PVC oder in Lebensmittelverpackungen
    - Hohe Formaldehydgehalte in Kosmetika
    - falsche oder übertriebene Werbeaussagen
  • Welche Lebensmittel, Kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände werden regelmäßig oder sogar täglich von der Mehrheit der Bevölkerung verzehrt bzw. angewendet
    Zum Beispiel sind hier die regionalen und allgemein bekannten Vertreter der Grundnahrungsmittel (Brot und Backwaren, Fleisch und Wurstwaren, Milch und Milchprodukte, Fette und Öle, Trinkwasser etc.) von größerem analytischen Interesse, als exotische Lebensmittel, die nur den Vorlieben einzelner Verbraucher entsprechen. Das gilt auch für die Bedarfsgegenstände und die kosmetischen Mittel. Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie Frischhaltedosen, Pfannenwender, Spielwaren, Bekleidung etc. sind umfassender und regelmäßiger zu überprüfen, wie Faschingsmasken oder Picknickkörbe. Gesichtscremes und Zahnpasten sind ebenfalls häufiger im Gebrauch, wie beispielsweise Bleichcremes oder Fußdeos und deshalb auch häufiger zu kontrollieren.
  • Welche Hersteller, Supermarktketten, Großküchen, Einzelhändler etc. sind in den letzten Wochen, Monaten und Jahren durch Lebensmittelskandale in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten?
  • Wurden Produkte oder Lebensmittel, die schon einmal negativ aufgefallen sind, für die Herstellung andere Erzeugnisse eingesetzt?
  • Sind neue Produkte auf dem Markt, die bisher noch nicht untersucht wurden?

 

Planprobe mit Probenahmebericht.Die sinnvolle Anforderung dieser Proben spiegelt sich in den Probenzahlen wieder. Je 2000 Einwohner werden von den Lebensmittelkontrolleuren der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden (35 Landratsämter und 9 Bürgermeisterämter der Stadtkreise) jährlich 11 Proben beim Einzelhändler, Großhändler bzw. beim Hersteller entnommen. Dabei sind die Probenzahlen für die Produkte, bei denen ein höheres Risiko für den Verbraucher besteht, wesentlich höher, wie für die übrigen Lebensmittel und Produkte des reichhaltigen Warensortiments. Dennoch müssen die Proben, die nur Stichproben darstellen, die gesamte Produktpalette wiederspiegeln und dürfen sich möglichst nicht wiederholen.


Ganz wichtig ist die flexible "Probenplanung". Ständig drängen neue Produkte auf den sowieso schon unübersichtlichen Markt. Hersteller setzen daher auf die Entwicklung neuer Produkte, um das Kaufinteresse der Verbraucher zu wecken. Für einen wirkungsvollen Verbraucherschutz ist es unbedingt notwendig neue Produkte schnell und gezielt zu untersuchen. Die bei der Probenplanung mitwirkenden Personen müssen somit über spezielles Fachwissen und gute Warenkunde verfügen. Nur durch eine umfangreiche Produktkenntnis kann der festgelegte Untersuchungsumfang auch die gewünschten Ergebnisse erzielen. Werbeaussagen und Aufmachung können den Lebensmittelchemikern, Tierärzten und Biologen erste Hinweise auf sinnvolle Untersuchungsparameter geben.


Von den jährlich untersuchten und begutachteten Proben werden derzeit 70 % unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte ausgewählt. Die restlichen 30 % sind Verdachts- und Beschwerdeproben.
Entspricht eine Probe nach dem Vorliegen aller Untersuchungsergebnisse nicht mehr oder nur knapp den lebensmittelrechtlichen Vorgaben, so wird zur Absicherung der Ergebnisse eine möglichst identische Nachprobe angefordert und untersucht (z. B. Bestimmungen die knapp unter- oder oberhalb von Grenzwerten liegen und die Absicherung durch eine Doppel- oder Dreifachbestimmung aufgrund der zu kleinen Probenmenge nicht mehr durchgeführt werden kann). Nachproben werden aber auch zur Kontrolle früherer Beanstandung nach einer gewissen Zeit beim Verantwortlichen entnommen.

 

Äußerst verdächtig – Die Verdachtsprobe

Die Lebensmittelkontrolleure der Landratsämter stoßen bei ihren Betriebsbesichtigungen oder bei der Entnahme von Planproben in Supermärkten, Bäckereien, Metzgereien usw. immer wieder auf Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und kosmetische Mittel, bei denen Mängel aufgrund unsachgemäßer Lagerung oder anderer nachteiliger Beeinflussung zu erwarten sind.


Auffällige Sachverhalte, bei denen der Verdacht besteht, dass die betroffenen Proben nicht den lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen, sind:

  • falsche Lagertemperatur
    (1. Beispiel: die Tiefkühltruhe eines Supermarktes, in der  Eis, Fleisch oder Fisch angeboten werden, ist angetaut oder das Thermometer zeigt anstelle der geforderten –18 °C nur –12 °C;
    2. Beispiel: Die Pralinen in der Kühltheke zeigen aufgrund zu warmer Lagerung einen weißen Fettreif auf der Oberfläche)
  • abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum
  • überschrittenes Verbrauchsdatum bei frischem Fisch oder Vorzugsmilch in der Selbstbedienungstheke
  • fehlende Kennzeichnung von Zusatzstoffen auf der Verpackung oder dem Schild an der Ware
  • Schädlingsbefall
  • Verunreinigungen ( z. B. Vogelkot auf Bäckereiauslagen in der Fußgängerzone, eingebackene Besenborsten, Glasscherben in einer verschlossenen Saftflasche)
  • mikrobieller Verderb durch Schimmelpilze und Bakterien (z. B. untypischer Geruch, untypische Verfärbung oder gärende Lebensmittel)
  • Überdosierung oder Verwendung nicht zugelassener bzw. gesundheitlich bedenklicher Substanzen (stark stechender Chemikaliengeruch bei Bedarfsgegenständen oder Kosmetika)

 

Die entnommenen Verdachtsproben werden wie die Beschwerde- und Planproben im zuständigen Amt untersucht und begutachtet.

 

"So nicht!" – Die Beschwerdeprobe

Pilz mit Made.Die Lebensmittelüberwachung kann Untersuchungen nur stichprobenartig durchzuführen. Dennoch kann jeder Verbraucher, der Mängel bei Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und kosmetischen Mitteln feststellt, diese als Beschwerdeproben bei den Lebensmittelkontrolleuren der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden abgeben. Hierbei entstehen dem Beschwerdeführer bzw. dem Verbraucher, außer dem Kaufpreis der Ware und den eigenen Anfahrtskosten, keine weiteren Ausgaben.

 

Die Beschwerdeprobe und eine möglichst identische Vergleichsprobe werden von den Lebensmittelkontrolleuren dem zuständigen Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt zur Untersuchung und Begutachtung vorgelegt. Die wissenschaftlichen Sachverständigen entscheiden dann, welche Untersuchungen für die Überprüfung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften relevant sind. Voraussetzung für eine sinnvolle Untersuchung ist, dass die Mängel des Lebensmittels nicht durch den Beschwerdeführer selbst verursacht wurden, wie z. B. durch unsachgerechte Lagerung nach dem Einkauf. Anschließend werden die Proben von den Sachverständigen begutachtet. Bei Beanstandungen leiten die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden weiterführende Maßnahmen ein.

 

Weitere Informationen zum Thema Verbraucherbeschwerden finden Sie auf service-bw.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 18.05.2005