Tagesverpflegungen aus Seniorenheimen unter der Lupe

Doris Metschies, Tobias Morlock (CVUA Freiburg)

 

Fast zwei Drittel der Senioren weisen nach Studienergebnissen ein Risiko für eine Mangelernährung auf oder sind bereits mangelernährt [1]. Senioren in stationären Senioreneinrichtungen sind daher in besonderem Maße auf das Angebot einer bedarfsdeckenden Ernährung angewiesen. Je höher die Abhängigkeit der entsprechenden Bevölkerungsgruppe von einem vorgegebenen Nährstoffangebot, desto höher ist die Verantwortung der Küchenleitung für die Zusammenstellung des Speiseplans, die Zubereitung und Portionierung der Speisen.

Essensbüffet (pixabay_hot_buffet_338541)

 

In einem Projekt wurden Tagesverpflegungen mit den entsprechenden Speiseplänen aus stationären Senioreneinrichtungen in den Regierungsbezirken Freiburg und Karlsruhe angefordert. Die Speisepläne zu den 22 Proben wurden auf Plausibilität der Zusatzstoff- und Allergenkennzeichnung überprüft. 16 Tagesverpflegungen wurden auf ihre ernährungsphysiologische Zusammensetzung untersucht und beurteilt.

Das Fazit

Alle untersuchten Proben waren zu fett und wiesen zudem eine ungünstige Fettsäureverteilung auf. Der Salzgehalt war bis auf wenige Ausnahmen deutlich zu hoch. Die wünschenswerte Zufuhr von Mineralstoffen und Ballaststoffen lag im Durchschnitt unter den Empfehlungen. Dagegen entsprachen der durchschnittliche Brennwert und der Eiweißgehalt gut der empfohlenen Zufuhr. Bei ca. drei Viertel der Speisepläne war sowohl die Kenntlichmachung von Zusatzstoffen als auch die Allergenkennzeichnung zu bemängeln.

Ernährungsphysiologische Zusammensetzung

Als Grundlage zur Beurteilung der Konzeption der Gemeinschaftsverpflegung von Senioren dienen insbesondere der „Qualitätsstandard für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen“ [2] und die sonstigen Beratungs-Standards [3] der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

 

Gemeinschaftsverpflegung (pixabay_eat_1260819)Zur Überprüfung der Nährstoffzusammensetzung wurden die Tagesverpflegungen auf ihre Hauptnährstoffe Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate und Zucker untersucht. Außerdem wurde der Gehalt an Ballaststoffen, Mineralstoffen und die Fettsäurenverteilung bestimmt und mit den Empfehlungen der DGE verglichen.

 

Danach soll sich bei einer Vollkost die Gesamtenergie folgendermaßen auf die Hauptnährstoffe verteilen:

15 % Protein

30 % Fett

55 % Kohlenhydrate

 

Der Anteil an gesättigten Fettsäuren sollte auf 10 % der täglichen Energiezufuhr begrenzt sein. Die Ballaststoffzufuhr sollte mindestens 30 g pro Tag betragen.

 

Im Alter ändert sich der Stoffwechsel: es wird nicht mehr so viel Energie benötigt, gleichzeitig müssen aber Vitamine und Mineralstoffe noch ausreichend zugeführt werden. Dadurch wird es bei Senioren häufig „kritisch“ bei der Versorgung mit Calcium und Magnesium sowie den Vitaminen D, E, B12, C und Folsäure.

 

Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an zugesetzten Zuckern haben häufig eine geringe Nährstoffdichte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die DGE geben als Ziel an, die Zufuhr an zugesetzten Zuckerarten auf <10 Prozent der Gesamtenergie zu begrenzen [4]. Diese Empfehlung ist insbesondere für Diabetiker zu beachten.

 

Die genannten Anforderungen an die Nährstoffgehalte der Speisen sollten im Wochendurchschnitt eingehalten sein. Das Ergebnis der Untersuchung hat somit den Charakter einer Momentaufnahme für den jeweiligen Probenahmetag, gibt aber einen Eindruck über die Verpflegungsqualität.

Empfehlung für die Nährstoffzufuhr von Senioren nach DGE [2, 3, 4]

 Grafik: Empfehlung für die Nährstoffzufuhr von Senioren nach DGE

Ergebnisse ernährungsphysiologische Zusammensetzung

Bei allen untersuchten Proben war der Fettgehalt als zu hoch zu bemängeln, in der Regel zu Lasten des Kohlenhydratgehaltes. Am auffälligsten war jedoch die Fettqualität. Gesättigte Fettsäuren, die überwiegend in tierischen Lebensmitteln vorkommen, sollen möglichst minimiert werden, zugunsten von ungesättigten Fettsäuren, die teilweise für den Körper essentiell sind. Leider entsprach auch hier bei allen untersuchten Proben die Fettsäurenverteilung nicht der wünschenswerten Zufuhr. Die Gehalte an gesättigten Fettsäuren lagen im Durchschnitt sogar mehr als doppelt so hoch wie empfohlen, zu Lasten der mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

 

Nicht optimal ist auch die Zufuhr von Mineralstoffen (Eisen, Calcium, Jod und vor allem Magnesium) sowie der Ballaststoffe, bei denen bis auf wenige Ausnahmen fast alle Messwerte unterhalb der Empfehlung lagen.

 

Bei der nur begrenzt wünschenswerten Zufuhr von Zucker und Salz lag die Mehrzahl der Ergebnisse über der Empfehlung (Zucker 1,4-fach, Salz sogar 1,7-fach), allerdings mit starken Ausreißern in beide Richtungen.

 

Der durchschnittliche Brennwert und der Eiweißgehalt entsprechen dagegen gut der empfohlenen Zufuhr.

In dem nachfolgenden Diagramm werden die gemessenen Werte ins Verhältnis gesetzt zum Sollwert (Empfehlung) = 1.

 

Diagramm: Nährwertanalyse

 

Bezogen auf die Einzel-Mahlzeiten wurden in den meisten Fällen mehrfache Abweichungen bei den Nährstoffgehalten von den Anforderungen des DGE-Qualitäts- und Beratungsstandards festgestellt. Allerdings beziehen sich diese auf einen Wochendurchschnitt. Das CVUA Freiburg hat daher bei allen Proben einen Hinweis auf eine mögliche Wertminderung in seinen Bericht aufgenommen und empfohlen, die Speisenplanung für die Gemeinschaftsverpflegung von Senioren auf der Basis des DGE-Qualitätsstandards zu gestalten.

 

Bei der Seniorenverpflegung besteht die Herausforderung, mit einer vergleichsweise geringen Kalorienmenge von ca. 1600 – 1900 kcal, sämtliche lebensnotwendigen energie- und nährstoffliefernden Inhaltsstoffe bereitzustellen. Dies ist nach Auffassung des CVUA Freiburg nur auf der Grundlage einer Nährwert-Berechnung möglich. Die Durchführung einer Nährwert-Berechnung wird mindestens für die Hauptnährstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und den Brennwert empfohlen, einschließlich deren Dokumentation. Stichprobenartige Berechnungen von kritischen Mikronährstoffen sind ebenfalls sinnvoll. Ziel der durchgeführten Nährwertberechnung sollte es sein, die in dem Qualitätsstandard und den D-A-CH Referenzwerten beschriebenen Anforderungen im Wochendurchschnitt einzuhalten.

Zusatzstoffe und Allergene - Kennzeichnung

SpeiseplanDie Verwendung von Zusatzstoffen und die Verarbeitung von Zutaten mit allergenem Potential muss bei der Abgabe von Lebensmitteln durch Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung z.B. auf dem Speiseplan angegeben werden. Den Proben im Rahmen des Projektes war jeweils ein Speiseplan beigefügt, der auf Plausibilität der Zusatzstoffkenntlichmachung und Allergenkennzeichnung überprüft wurde.

 

Häufig war die Kenntlichmachung von Zusatzstoffen und Allergenen unvollständig oder fehlte ganz, obwohl Zutaten verwendet wurden, bei denen ein Gehalt von Zusatzstoffen (z.B. Phosphate bei Brühwürsten, Farbstoffe bei Pudding) oder Allergenen (z.B. Milch in Kartoffelbrei, glutenhaltige Getreide in Mischbrot und Nudeln) sehr wahrscheinlich ist.

 

Teilweise waren auch zu viele Angaben vorhanden. Stabilisator, Säuerungsmittel, Verdickungsmittel oder Emulgator müssen beispielsweise auf Speiseplänen nicht als Zusatzstoffe kenntlich gemacht werden. Auch wurde die Zusatzstoffkenntlichmachung mit Angaben zur Allergenkennzeichnung vermischt (mit Milcheiweiß, mit Eiklar).

In der Allergenkennzeichnung wurden dagegen häufiger glutenhaltige Getreide und Schalenfrüchte nicht weiter differenziert.

 

Nach den verfügbaren Informationen entsprach bei ca. drei Viertel der Speisepläne sowohl die Kenntlichmachung von Zusatzstoffen als auch die Allergenkennzeichnung nicht den rechtlichen Vorgaben.

 

Zur weiteren Information wurde auf die Merkblätter „Kenntlichmachung von Zusatzstoffen und gentechnisch veränderten Lebensmitteln im Gastronomiebereich und bei der Gemeinschaftsverpflegung“ und „Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln“ hingewiesen. [5, 6]

 

Freiwillige Angaben

Auf 7 Speiseplänen wurden freiwillige Nährwertangaben zu Brennwert, Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß gemacht. Diese Angaben entsprechen nicht den rechtlichen Vorgaben, wonach entweder nur die Angabe des Brennwertes in den Einheiten kJ und kcal in dieser Reihenfolge oder die Angabe von Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz zulässig sind.

 

Bei 4 Speiseplänen wurde auch auf die Eignung für Diabetiker hingewiesen. Für Diabetiker wird wie für gesunde Senioren eine vollwertige Ernährung wie oben beschrieben empfohlen. Ein besonderer Hinweis auf Diabetiker ist daher nicht erforderlich und auch nicht zulässig, insbesondere wenn zusätzlich die o.g. Anforderungen an die Nährstoffzusammensetzung durchschnittlich nicht erfüllt werden.

 

 

Literatur

  1. DGE Praxiswissen, Mangelernährung im Alter, Stand: April 2014

  2. DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), 3. Auflage 06/2015

  3. Beratungs-Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), 10. Auflage 2009, 2. Ergänzungslieferung 2013, ISBN 978-3-88749-216-8
     

  4. Konsensuspapier Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland, Dezember 2018

  5. Chemische und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg: Kenntlichmachung von Zusatzstoffen und gentechnisch veränderten Lebensmitteln im Gastronomiebereich und bei der Gemeinschaftsverpflegung

  6. Chemische und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg: Allergenkennzeichnung bei nicht vorverpackten Lebensmitteln

 

Bildnachweis

pixabay

Speiseplan, Diagramm und Grafiken: CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 19.02.2019