Klarheit und Wahrheit bei Kennzeichnung von Fleischerzeugnissen - EU bestätigt Beurteilungspraxis der CVUAs Baden-Württemberg

Rolf Buschmann

 

Aus nitrathaltigen Gemüseextrakten und Starterkulturen wird konservierendes Nitrit gebildet. Nitrit ist seit alters her ein wichtiges Konservierungsmittel für Fleischerzeugnisse und muss gekennzeichnet werden. Strittig war seit Jahren, ob eine Kennzeichnung auch dann erfolgen muss, wenn die Nitritquelle ein Gemüseextrakt darstellt. Für manche Hersteller ist es attraktiv, möglichst keine Konservierungsstoffe angeben zu müssen (clean-labelling). Insofern sind Verfahren, die mittelbar Zusatzstoffe erzeugen, sehr interessant. Die EU bestätigt jetzt die von den baden-württembergischen Untersuchungsämtern seit 2004 geübte Beurteilungspraxis, wonach mittelbar erzeugte Konservierungsstoffe ebenfalls zu deklarieren sind.

Schmuckelement.

Das Einsalzen von Lebensmitteln mit Speisesalz ist eine uralte Methode zur Haltbarmachung von Lebensmitteln, wie Fleisch und Fisch. Zum Schutz der Lebensmittel vor mikrobiologischem Verderb wird daher Speisesalz eingesetzt. Salz hat die Eigenschaft Wasser zu binden und entzieht somit den meisten Mikroorganismen die Lebensgrundlage, das fleischeigene Wasser. Optimiert wurde diese Methode indem Speisesalz Nitrat (Salpeter) oder Nitrit (Nitritpökelsalz: Speisesalz + ca. 0,5 % Nitrit) zugegeben wurde. Nitrat und Nitrit wirken spezifisch gegen Mikroorganismen, insbesondere gegen Clostridium botulinum, einen Keim, der tödliche Lebensmittelvergiftungen verursachen kann. Bei der Verwendung von Nitrat und Nitrit fordert jedoch das Zusatzstoffrecht im Zutatenverzeichnis einer Fertigpackung oder bei Abgabe von loser Ware die Deklaration dieser Konservierungsstoffe. Im Rahmen von „Clean-Labeling“ versuchen Hersteller - auch unter dem Biosiegel - durch die Verarbeitung von nitrathaltigen Gemüseextrakten bei Fleischerzeugnissen die Deklarationspflicht für Nitrit / Nitrat zu umgehen. Die Arbeitsgruppe „Lebensmittelzusatzstoffe“ der Europäischen Union hat aktuell im Juni 2010 festgestellt, dass der Einsatz von nitrathaltigem Gemüseextrakt bei Fleischerzeugnissen unter das Zusatzstoffrecht fällt und demzufolge die über das „Hintertürchen“ eingeschleusten Zusatzstoffe als Konservierungsstoffe deklariert werden müssen. Der „Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit“ hat die Auffassung der Arbeitsgruppe bestätigt. Somit herrscht nun in der EU auch bei Gemüseextrakten Klarheit.

 

Was geschieht bei der Anwendung von Nitrat / Nitrit?

Um seine konservierende Wirkung entfalten zu können, muss zugesetztes Nitrat zunächst zu Nitrit umgewandelt werden. Diese sogenannte Reduktion kann durch natürlich vorkommende Mikroorganismen erfolgen. Bei der Produktion von Fleischwaren werden hierzu heute i.d.R. gezielt ausgewählte Mikroorganismen (Starterkulturen) zugesetzt, um Fehlproduktionen zu vermeiden. Das so gebildete Nitrit wirkt - ebenso wie unmittelbar zugesetztes Nitrit - konservierend. Neben der konservierenden Wirkung von Nitrit läuft eine weitere Reaktion ab: Nitrit wird chemisch (z. B. durch Ascorbinsäure) zu Stickoxid reduziert. Das gebildete Stickoxid reagiert mit dem roten Blut- / Muskelfarbstoff Myoglobin zu einem hitzestabilen Stoff, dem Nitrosomyglobin. Diese Reaktion wird auch als Pökeln oder Umröten bezeichnet. So erscheinen gepökelte Fleischerzeugnisse nach dem Erhitzen in einer typischen Farbe, dem Pökelrot; während ungegepökeltes Fleisch beim Erhitzen braungrau wird.

 

Technologische Wirkung von Nitrit

Beim Pökeln treten verschiedene Effekte auf. So bildet sich nach dem Erhitzen die Pökelfarbe. Die konservierenden wie die farbgebenden Eigenschaften wurden bereits beschrieben. Hinzu kommen noch die Bildung des typischen Pökelaromas und ein antioxidativer Effekt.

 

Schaubild.

 

Die Natrium- und / oder Kaliumsalze von Nitrit und Nitrat sind zulassungspflichtige Zusatzstoffe, die unter Mengenbegrenzung und Kenntlichmachung für Fleisch und   -erzeugnisseausschließlich zum technologischen Zweck der Konservierung in der EU zugelassen sind. Sie dürfen nicht zum Zweck der Farbgebung oder Aromabildung eingesetzt werden, diese technologischen „Nebeneffekte“ werden akzeptiert, wenn der Einsatz dieser Konservierungsstoffe erforderlich ist. Nebenbei sei erwähnt, dass die sogenannte „Kochprobe“ (Erhitzen von rohem Fleisch oder Fleischerzeugnissen, z. B. rohe Bratwurst) eine einfache und eindeutig Prüfung ist, um festzustellen ob Erzeugnisse gepökelt sind. Bleibt nach dem Erhitzen die Farbe graubeige bis weißlich (z. B. Farbe der Weißwurst, Gelbwurst) so wurde zur Herstellung kein Nitritpökelsalz verwendet. Ist die Farbe nach dem Erhitzen rosarot bis rötlich (z. B. Rote Wurst, Lyoner, Kasseler), so wurde Nitritpökelsalz verwendet mit der Konsequenz der Deklaration „mit Konservierungsstoff“.

 

Fleisch roh.Fleisch gekocht, gepökelt.Fleisch roh, gepökelt.Fleisch gekocht, gepökelt.

rohes

ungepökeltes

Fleisch

gekochtes

ungepökeltes

Fleisch

rohes

gepökeltes

Fleisch

gekochtes

gepökeltes

Fleisch

 

Wozu Gemüseextrakte?

Pflanzen speichern natürlicherweise Nitrat. Wird zerkleinertes Fleisch im Rahmen der Zubereitung mit nitrathaltigem Gemüse vermengt, ist das als natürlicher Bestandteil des Gemüses in geringen Mengen eingebrachte Nitrat aus lebensmittelrechtlicher Sicht nicht deklarationspflichtig.

 

Findige Hersteller kamen auf die Idee, Fleischerzeugnissen einen Extrakt von Nitrat speichernden Pflanzen - also einen selektiv mit Nitrat angereicherten Auszug - zusammen mit Starterkulturen zuzusetzen. Durch die aktive Zugabe von Starterkulturen wird eine gezielte mikrobiologische Reduktion dieses Nitrats im Lebensmittel zu Nitrit eingeleitet. Dieses wird dann chemisch weiter zu Stickoxid reduziert, so dass das pökelrote Nitrosomyglobin gebildet wird. Zugleich kommt es zu einem gewissen konservierenden Effekt.

 

Im Rahmen des sogenannten „Clean-Labeling“ glaubten Hersteller - insbesondere im Biobereich - ein Verfahren für eine nicht kennzeichnungspflichtige Zugabe eines umrötenden Konservierungsstoffes gefunden zu haben. Das Zusatzstoffrecht der europäischen Union wäre dadurch unterlaufen worden.

 

Es ist erfreulich, dass der „Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit“ der Europäischen Komission in seiner aktuellen Stellungnahme dieses Verfahren als nicht zulässig eingestuft hat und so die diesbezügliche Beurteilung der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württembergs aus dem Jahr 2004 bestätigt hat.

 

Bildernachweis

Brotzeit, Egon Häbich, Pixelio.de, Image-ID=397718.

CVUA Stuttgart.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 19.08.2010