Verbotenes Antimykotikum Natamycin in Wein

Dr. R. Godelmann, K. Zur, M. Rupp

 

Die CVUAs Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart haben in einer umfangreichen Messserie insgesamt 237 Weine untersucht, davon 168 Drittlandsweine aus Südafrika, Argentinien, Chile, USA, Australien und anderen Ländern. In sieben argentinischen Weinen konnte Natamycin gesichert nachgewiesen werden. Die zuständigen Weinüberwachungsbehörden wurden informiert. Die betroffenen Weine wurden aus dem Verkehr genommen. Außerdem wurden auch europäische Weine (aus Spanien, Italien, Frankreich u.a.) analysiert. Hierbei konnte kein Natamycin festgestellt werden. Auch Weine aus Baden-Württemberg waren frei von diesem antibiotisch wirksamen Stoff.

Hintergrund

Die Fachpresse berichtete im Herbst 2009 über Befunde von Natamycin in Weinen (1). Danach sollen Drittlandsweine mit diesem Antibiotikum (Antimykotikum) behandelt worden sein. Bekannt geworden ist die Angelegenheit, weil ein Importeur aufgrund der Ergebnisse von Eigenuntersuchungen eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde beantragte.

Weinberge Mendoza, ArgentinienWeinberge Mendoza, Argentinien

 

Bildnachweis: http://www.welt.de/reise

 

Was ist Natamycin und wogegen ist es wirksam ?

Natamycin, auch als Pimaricin bezeichnet, ist ein antibiotisch wirkender Stoff und wird durch das Bakterium Streptomyces natalensis produziert. Dieses Bakterium wurde erstmals aus Erde der südafrikanischen Provinz Natal isoliert, daher der Name. Natamycin verhindert das Wachstum von Hefen und Schimmelpilzen, ist also genau genommen ein Antimykotikum. Gegen Bakterien selbst ist Natamycin nicht wirksam. Es bindet in der Zelle spezifisch an das Sterin Ergosterin, das nur in der Zellwand von Hefen und Schimmelpilzen vorkommt und nicht bei Bakterien.
Natamycin ist als Lebensmittelzusatzstoff bei der Herstellung von Käse zur Behandlung der Rinde und bei getrockneten und gepökelten Würsten zur Oberflächenbehandlung mit einer Höchstmenge von 1 mg/dm2 Oberfläche zugelassen, wobei Natamycin 5 mm unter der Oberfläche nicht mehr nachweisbar sein darf. Für Wein ist der Stoff nicht zugelassen.
Natamycin ist als pharmakologisch wirksame Substanz auch in Humanarzneimitteln als Antimykotikum zugelassen, z.B. zur Behandlung von Hefeinfektionen.

 

Hemmhofbildung durch Antibiotika Hemmhofbildung durch Antibiotika

 


Bildnachweis: memiserf.medmikro.ruhr-uni-bochum.de/OnlineSk

 

 

Wie kommt Natamycin in Wein und was soll dies bewirken ?

Das schon in niedrigen Konzentrationen antibiotisch wirkende Natamycin ist auch für den Einsatz bei der Weinbereitung ein möglicher Helfer gegen unerwünschte Hefen wie z.B. Brettanomyces-Hefen und andere Schadorganismen. Natamycin tötet diese für negative phenolische Geruchs- und Geschmacksnoten verantwortlichen Hefen schon bei einer Dosierung von 20 mg/l schnell und zuverlässig ab. Auch das Wachstum sogenannter Kahmhefen auf der Oberfläche nicht spundvoll gefüllter Fässer und Gebinde wird dadurch verhindert. Zur Behebung hygienischer Probleme in der Kellerwirtschaft hätte Natamycin daher grundsätzlich ein beachtliches Potenzial.
Nach Angaben argentinischer Oenologen gibt es in diesem Weinbauland kellerwirtschaftliche Probleme mit Brettanomyces-Hefen. Dies wird noch verschärft durch die zunehmende Verwendung von Barriques und anderen Holzfässern sowie Innerstaves (Fassauskleidungen aus Eichenholz). In Argentinien ist Natamycin jedoch weder als Weinbehandlungsmittel noch als Reinigungs- oder Konservierungsmittel zugelassen.
In Südafrika dagegen ist diese antibiotisch wirkende Substanz legal für die Weinwirtschaft zugelassen. In der EU ist der Einsatz von Natamycin in der Weinwirtschaft jedoch streng verboten. Dies gilt auch für eingeführte Weine aus Drittländern wie z.B. aus Argentinien und Südafrika.

Da sich Natamycin im Wein (saures Milieu, Lichteinfluss) langsam abbaut, kann es sich als „Verschwindestoff" einem analytischen Nachweis entziehen (2).

Welche Untersuchungen wurden durchgeführt ?

Natamycin in Wein wird direkt mittels Flüssigkeitschromatographie (HPLC) bestimmt. Es lässt sich nach erfolgter Matrixabtrennung sehr empfindlich und selektiv mittels verschiedener Verfahren detektieren (UV-Detektion, Diodenarraydetektor, LC-MS, LC-MS/MS). Die Bestimmungsgrenze von Natamycin liegt für die mittels LC-MS/MS-Verfahren untersuchten Weine bei 10 µg/l, die Nachweisgrenze bei 2,5 µg/l. Soweit das LC-DAD-Verfahren zum Einsatz gekommen ist, liegt die Bestimmungsgrenze bei 25 µg/l.

 

Insgesamt wurden 237 Weine folgender hauptsächlicher Herkunft untersucht:

 

HerkunftslandAnzahl der untersuchten Weine
Südafrika62
Argentinien42
Chile26
USA13
Australien11


Weitere Drittlandsweine aus der Türkei, Ost- und Südosteuropa (Moldawien, Serbien, Mazedonien), China, Indien, Tunesien, Mexiko u.a. wurden ebenfalls in das Untersuchungsprogramm einbezogen.

Bei sieben argentinischen Weinen konnte Natamycin gesichert nachgewiesen werden (10 - 72 µg Natamycin/ Liter Wein).

Weine der weltgrößten Erzeugerländer Spanien, Frankreich, Italien und anderer europäischer Staaten (Griechenland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) waren frei von diesem antibiotisch wirkenden Stoff.

Auch in Weinen aus Baden-Württemberg (16 Weine aus den Anbaugebiet Baden und 8 Weine aus dem Anbaugebiet Württemberg) konnte kein Natamycin nachgewiesen werden.

 

Natamycin konnte in folgenden Weinen nachgewiesen werden:

  1. Alamos, 2007, Cabernet Sauvignon, L8262, Mendoza, Argentina
  2. Alamos, 2007, Malbec, L 8261, Mendoza, Argentina
  3. Catena, 2006, Malbec, L8266, Mendoza, Argentina
  4. Flagtree Patagonia Argentina, 2009, Merlot, Malbec, Cabernet Sauvignon, L 9865C, Argentina
  5. Osaado, 2008, Shiraz, Cabernet Sauvignon, L 09041, San Juan, Argentina
  6. Villa Paola San Rafael, 2007, Merlot, Syrah, Tempranillo, N°11/2008, Mendoza, Argentina

 

Bei einem weiteren natamycin-positiven Wein konnte der Verkauf des Produkts vom Händler rechtzeitig gestoppt werden, so dass der Wein nicht zum Verbraucher gelangt ist.

 

Weitere Natamycin enthaltende Weine wurden auf der Internetseite des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz veröffentlicht (http://lua.rlp.de/lexikon/lexikon-n/natamycin/ ).

 

 

Auf Natamycin untersuchte Weine nach Herkunftsländern

 

 

Wie ist die rechtliche Beurteilung von Weinen mit Natamycin ?

Weine, in denen Natamycin sicher nachgewiesen wird, sind wegen des Einsatzes nicht zulässiger oenologischer Verfahren bzw. nicht handelsüblicher Beschaffenheit zu beanstanden. Es gibt seitens der EU mit Argentinien, sowie mit Südafrika zudem keine bilateralen Abkommen, die die Verkehrsfähigkeit von Natamycin-haltigen Weinen in der EU für zulässig erklären würden. Andererseits sind keine natürlichen Eintragsquellen von Natamycin in Wein bekannt. Soweit die Weine mit Natamycin im Verkehr sind, betrifft sie ein Verkehrsverbot. Die zuständigen Weinüberwachungsbehörden ergreifen die im Einzelfall erforderlichen amtlichen Maßnahmen und überwachen die von der Weinwirtschaft und dem Handel eigenverantwortlich veranlassten Rückrufaktionen.

 

Ist Natamycin gesundheitsschädlich ?

Bei der gesundheitlichen Bewertung von Natamycin kommt das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, zu dem Schluss, dass der Einsatz dieser antibiotisch wirkenden Substanz, die auch in der Humanmedizin verwendet wird, aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes eng begrenzt sein sollte und nur erfolgen darf, wenn er technologisch unvermeidbar ist.
Bei Käsen mit Rinde empfiehlt das BfR die äußerste Schicht bis zu einer Tiefe von 5 mm zu entfernen. Dadurch soll der Gefahr einer unbeabsichtigten Aufnahme von Natamycin entgegengewirkt werden, um die Darmflora nicht zu beeinflussen und eventuelle Resistenzbildungen zu verhindern (3).

In toxikologischen Studien wurde Natamycin durch das Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) bewertet und festgestellt, dass bei den in Lebensmitteln zum Einsatz kommenden Mengen kein direktes Risiko besteht. Selbst der Verzehr von täglich 500 g natamycinbehandeltem Goudakäse stellt kein unmittelbares Risiko dar.

In der Lebensmittelproduktion sollten derartige antibiotisch wirkende Stoffe jedoch äußerst restriktiv verwendet werden, um einer Resistenzbildung bei potentiellen Krankheitserregern so weit wie möglich entgegenzuwirken. Das BfR kommt zu dem Schluss, dass Natamycin über den genannten Bereich (Wursthülle, Käserinde) hinaus nicht angewendet werden sollte.

In einer neueren Studie kommt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Ergebnis, dass ein gesicherter Wert für die maximale tägliche Aufnahme (ADI-Wert) aus dem bekannten Datenmaterial verfügbarer Studien nicht abgeleitet werden kann. Es ergibt sich extrapoliert von den Verzehrsdaten von Käse und getrockneten Würsten eine maximale Exposition von 0,1 mg Natamycin pro kg Körpergewicht und Tag für Kinder und von 0,05 mg Natamycin pro kg Körpergewicht und Tag für Erwachsene. Dies stellt nach Aussagen der EFSA bei dem verwendeten Einsatzzweck in Käserinden und Wursthüllen kein Sicherheitsrisiko dar, zumal Natamycin nur schlecht vom Körper resorbiert wird (4).

 

 

 

Literatur

 

  1. 1) Weinwirtschaft Nr. 22 /2009 vom 23.10.2009
  2. 2) Bärwald G, Henninger W, Die Weinwirtschaft 58 (1977), 652
  3. 3) Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Natamycin als Lebensmittelzusatzstoff, Stellungnahme vom 09.09.2003
  4. 4) EFSA Journal 2009, 7(12), 1412


 

 

Artikel erstmals erschienen am 12.01.2010