Fusarientoxine

Margit Kettl-Grömminger

 

Fusarien sind wenig spezialisierte Feldpilze (ubiquitär verbreitete, zur natürlichen Mikroflora der oberen Ackerbodenschicht gehörende Bodenpilze,). Sie befallen vorwiegend lebende Pflanzen und führen zu deren Erkrankungen („Fusarienwelke“). Diese phytopathogenen Kleinpilze treten häufig in den gemäßigten Zonen auf und gehören zu den meist gefürchteten Schadpilzen in Getreide.

Foto: Kultur des Fusarium culmorum.Das Ausmaß der Pilzbefalles mit einhergehender Toxinbildung ist in entscheidendem Maße von den klimatischen Bedingungen (Niederschlagsmenge, Temperatur) insbesondere während der Blüte abhängig und somit nur bedingt beeinflussbar. Verhältnismäßig hohe Wintertemperaturen, eine dicke Schneedecke, häufige Temperaturwechsel (Frost, Tauen, Frost) begünstigen die Bildung von Fusarien-Toxinen auf überwinterndem Getreide (Ährenfusariosen). Das Auftreten von Fusarientoxinen in Lebens- und Futtermitteln ist daher von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. Von den heimischen Getreidearten sind vor allem Hafer, Mais, Triticale und Weizen anfällig, weniger Gerste und Roggen. Das Getreidekorn wird i.d.R. vor der Ernte befallen, es kommt zur Ausbildung sog. Schmachtkörner.

 

Unter für das Schimmelwachstum günstigen Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) breiten sich diese Pilze auch bei der Lagerung von pflanzlichen Erzeugnissen aus. Durch gute landwirtschaftliche Praxis (geeignete Fruchtfolge und Sortenwahl, Bodenpflege, Ernte-, Trocknungs- und Lagerungsbedingungen) kann eine Ausbreitung der Fusarien und damit die Toxinbildung bis zu einem gewissen Grad eingedämmt werden.

Während der mühlentechnischen Reinigung und Verarbeitung des geernteten Rohgetreides wird der Gehalt an Fusarientoxinen gesenkt, so dass der Toxingehalt in Speisegetreide und verarbeiteten Getreideerzeugnissen deutlich niedriger liegt.

 

Fusarien bilden ein großes Spektrum sehr unterschiedlicher pilzlicher Stoffwechselprodukte, die für Mensch und Tier schädlich sind. Es werden 3 Hauptgruppen unterschieden:

 

Einige der toxinbildenden Fusarien können gleichzeitig mehrere der o.g. Toxine bilden.

Deoxynivalenol und Zearalenon gehören zu den häufigsten Fusarium-Mykotoxinen in europäischem Getreide und Erzeugnissen daraus.

Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes wurden in der EU-Kontaminanten-VO 1881/2006 und der VO (EG) 1126/2007 Höchstmengen für die genannten Mykotoxine differenziert festgelegt.

 

1. Trichothecene

Bei Trichothecenen handelt es sich um eine Gruppe heterogener Toxine. Es sind biologisch aktive Stoffwechselprodukte, die Gewebe mit aktiver Zellteilung (u.a. Darm, Leber) angreifen. Hierdurch kommt es u.a. zu unspezifischen Störungen des Immunsystems. Alle Trichothecene sind mehr oder weniger giftig, die Toxizität variiert je nach Toxin.

Wegen seines häufigen Vorkommens und seiner teilweise hohen Gehalte ist Deoxynivalenol (DON) das wichtigste Trichothecen, in Mitteleuropa gilt es als das bedeutendste Mykotoxin („Leittoxin“) in Weizen.

DON führt je nach Konzentration zu Erbrechen (engl. Vomitoxin = Brechgift), Futterverweigerung bei Tieren, Schleimhautentzündungen unterschiedlichen Grades in Magen und Darm.

 

Höchstmengen für DON in Lebensmitteln (Auszug):

  • unverarbeitetes Getreide: 1250 µg/kg
  • unverarbeiteter Hartweizen, Hafer, Mais: 1750 µg/kg
  • Getreide, Getreidemehl (außer Maisprodukte): 750 µg/kg
  • trockene Teigwaren: 750 µg/kg
  • Brot, Kleingebäck, feine Backwaren, Frühstückscerealien: 500 µg/kg

 

2. Zearalenon

Von denselben Fusarien, die DON produzieren, wird in der Regel auch Zearalenon (ZEA) gebildet. ZEA tritt daher in Heu, Futtermitteln, Getreide (v.a. in Mais - Zea mays) und Getreideprodukten auf. Zearalenon und seine im Organismus gebildeten Metaboliten wirken auf Grund ihrer chemischen Struktur östrogenähnlich und konkurrieren mit körpereigenen Östrogenen. Dies führt zu unregulierten hormonellen Wirkungen bei Mensch und Tier. Außerdem außerdem steht ZEA im Verdacht, krebserregend (carzinogen) zu sein.

 

Höchstmengen für ZEA in Lebensmitteln (Auszug):

  • unverarbeitetes Getreide: 100 µg/kg
  • unverarbeiteter Mais: 350 µg/kg
  • Getreide, Getreidemehl: 75 µg/kg
  • Brot, Kleingebäck, feine Backwaren, Frühstückscerealien (nicht aus Mais): 50 µg/kg
  • Snacks und Frühstückscerealien aus Mais: 100 µg/kg
  • Beikost für Säuglinge und Kleinkinder (auch aus Mais): 20 µg/kg

 

3. Fumonisine

Diese Mykotoxine sind überwiegend in Mais und -produkten anzutreffen und treten häufig zusammen mit den o.g. Fusarientoxinen DON und ZEA auf. Innerhalb der Gruppe der Fumonisine kommt das Fumonisin B 1 am häufigsten vor und ist auch das giftigste Toxin.

Dieses Toxin führt zu einer Beeinträchtigung des Zellzyklus und zellulärer Differenzierungsprozesse. Auf Grund aktueller Forschungsergebnisse stehen Fumonisine im Verdacht, für Neuralrohrdefekte (z.B. die offene Wirbelsäule „spina bifida“), den Wasserkopf und Fehler bei der Hirnentwicklung von Babys verantwortlich zu sein. Fumonisine hemmen die Aufnahme von Folsäure, einer vitaminähnlichen Substanz, die als wichtiger Faktor zur Verhinderung von Neuralrohrdefekten gilt. Forschungsarbeiten aus den USA, China, Südafrika und Guatemala lassen einen Zusammenhang mit dem Verzehr von selbst verarbeitetem Mais (z.B. Tortillas) vermuten. In Ländern, in denen sehr viel Mais verzehrt wird, scheint ein Zusammenhang zwischen der Fumonisinbelastung von Lebensmitteln und den o.g. Missbildungen bei Neugeborenen zu bestehen.

 

Höchstmengen für Fumonisine (Summe B 1 und B 2) in Lebensmitteln (Auszug):

  • unverarbeiteter Mais: 4000 µg/kg
  • sonstige Lebensmittel aus Mais: 1000 µg/kg
  • Frühstückscerealien und Snacks aus Mais: 800 µg/kg
  • Beikost für Säuglinge und Kleinkinder aus Mais: 200 µg/kg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 13.05.2005